Braun, weiße Bulldogge, zu sehen sind Kopf und Vorderpfoten 
Manche Rassemerkmale, eine verkürzte Schnauze etwa, verursachen gesundheitliche Probleme.
Foto: Getty Images / Skip O'Donnell

In mehreren Ländern wird derzeit durch die Tierschutzgesetzgebung versucht, den immer extremeren Ausprägungen von Qualzucht beizukommen. Da war es nicht verwunderlich, dass ein richtungsweisendes Urteil schnell die Runde machte, das gegen den Vorsitzenden des Österreichischen Bulldog-Klubs erging (siehe "Leidet dieser Hund sein Leben lang?", DER STANDARD, 18./19./20.5.2024). Bei Ausstellungen wurde sein Hund, eine Englische Bulldogge, als Champion prämiert, aber vor Gericht zählt nur das Gesetz, kein Rassestandard eines privaten Zuchtvereins. Dementsprechend wurde der Hund als von Qualzucht betroffen entlarvt. Viele Hundebegeisterte, aber auch viele organisierte Hundezüchterinnen und -züchter hofften, die Zuchtverbände würden nun endlich Einsicht zeigen und etwas unternehmen, um das ramponierte Image von Zuchtvereinen zu retten. Sollten sie doch als Institutionen gelten, die sich durch entsprechende Regeln von Schwarzzuchten oder Hinterhofzuchten unterscheiden.

Wer etwa erwartete, der Österreichische Kynologenverband (ÖKV) würde klarstellen, dass dem Hund gemäß der Ausstellungsordnung nun alle auf Ausstellungen erworbenen Titel aberkannt werden, der rieb sich erstaunt die Augen. Vom neuen ÖKV-Präsidenten Philipp Ita kam nichts weiter als die alten, abgedroschenen Sprüche nach dem Motto: Woanders ist alles noch viel schlimmer. Keine Spur von Einsicht, kein Umdenken, kein Bestreben, die Rassestandards endlich von krankmachenden oder anderweitig leidvollen Zuchtzielen zu befreien.

Völlig irrelevant

Es kann nicht oft genug betont werden, dass gegenüber dem Tierschutzgesetz ein Rassestandard völlig irrelevant ist. Wenn sie Tiere züchten, denen durch ein gewünschtes Äußeres Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen, verstoßen Züchterinnen und Züchter, Zuchtvereine und -verbände gegen das Tierschutzgesetz – da können diese Qualzuchtfolgen noch so sehr dem Rassestandard entsprechen.

"Diese Rasseninzucht wird bei den Zuchtverbänden immer noch als Heiligtum gehandelt."

Nolens volens hat der ÖKV das Qualzuchtverbot aus dem Tierschutzgesetz auch in seine Zuchtordnung geschrieben. Gelebt wird es in der Praxis aber allzu oft nicht. Wie sollen auch bei Zucht nur innerhalb einer Rasse, in welcher bestimmte Defekte – zum Beispiel Kurzköpfigkeit (Brachycephalie) oder Schwanzlosigkeit – bei sämtlichen Tieren vorliegen, diese Defekte beseitigt werden können?

Das ist unmöglich, und dementsprechend müsste der ÖKV die Devise ausgeben, dass bei manchen Rassen nicht mehr nur innerhalb der Rasse gezüchtet werden darf. Doch diese Rasseninzucht wird bei den Zuchtverbänden immer noch als Heiligtum gehandelt.

Mehr Transparenz

Was für ein trauriges Eingeständnis, wenn ein vorgeblich fachkundiger Zuchtverband, der sehr genau weiß, bei welchen Rassen welche zuchtbedingten Defekte den Tieren Leiden, Schmerzen und Schäden bereiten können, sich auf eine unzureichende Definition von Qualzucht durch den Gesetzgeber auszureden versucht, statt selbst seine Mitglieder zur Vermeidung bekannter Defekte zu verpflichten.

Eine Liste solcher Defekte gibt es bereits, und es würde einem verantwortungsvollen Zuchtverband gut anstehen, wenn er durch transparenten Umgang mit Daten zu auftretenden zuchtbedingten Defekten die Bereitschaft für ein Umdenken signalisieren würde. Es müsste im Interesse des Verbandes sein, nicht nur alle krankheitsrelevanten Daten selbst zu erheben und offenzulegen, sondern auch die von ihm getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung. (Achim Gruber, Rudolf Winkelmayer, 13.6.2024)