Jérôme Boateng
Im vergangenen Halbjahr stand Jérôme Boateng bei US Salernitana unter Vertrag. Den Abstieg des Klubs aus der Serie A konnte er nicht verhindern. Jetzt soll er den LASK beflügeln.
IMAGO/Giuseppe Maffia

München – Am Freitag wird der Prozess zu Gewaltvorwürfen gegen Jérôme Boateng vor dem Landgericht München I neu aufgerollt. Der 35-Jährige stand in der Sache bereits zweimal vor Gericht, diesmal sind sechs Prozesstage angesetzt. Ein Urteil könnte am 19. Juli, noch vor dem Saisonauftakt in Österreichs Profifußball, gefällt werden.

Frage: Was wird Jérôme Boateng vorgeworfen?

Antwort: Boateng soll seine damalige Partnerin und Mutter gemeinsamer Zwillinge im Juli 2018 in einem Karibikurlaub attackiert haben. Beim Vorfall geht es laut Schilderungen von vorangegangenen Gerichtsverhandlungen um Schläge, Bisse, den Wurf mit einer Kühltasche und einem Windlicht, An-den-Haaren-Ziehen und Beleidigungen. Boateng bestreitet all diese Vorwürfe und jegliches "strafbare Tun". Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Bei der Staatsanwaltschaft München ist noch ein zweites Ermittlungsverfahren wegen häuslicher Gewalt anhängig.

Frage: Was ist vor Gericht bisher passiert?

Antwort: Boateng wurde im September 2021 vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe in Höhe von 1,8 Millionen Euro verurteilt; die Summe setzte sich zusammen aus 60 Tagessätzen zu je 30.000 Euro. Boateng legte Berufung ein, woraufhin auch die Staatsanwaltschaft und die Ex-Partnerin in Berufung gingen. Das Landgericht München I verurteilte Boateng ein Jahr später erneut wegen Körperverletzung. Die Geldstrafe war mit 1,2 Millionen Euro geringer, setzte sich allerdings aus 120 Tagessätzen à 10.000 Euro zusammen. Das Urteil wurde ein Jahr später aufgehoben.

Frage: Warum wird der Prozess neu aufgerollt?

Antwort: Die Verteidigung beantragte eine Revision des Urteils, das Bayerische Oberste Landesgericht hob das Urteil aufgrund eines Verfahrensfehlers auf. Gegen den Richter gab es einen Befangenheitsantrag. Bei dessen Abweisung wirkte der Richter selbst mit, weshalb der Prozess zurück ans Amtsgericht München ging. Auch die Staatsanwaltschaft beantragte Revision und fordert eine Bewährungsstrafe von 1,5 Jahren sowie eine Geldauflage in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Für Freitag ist der erste von insgesamt sechs Prozesstagen angesetzt.

Frage: Worum geht es im zweiten laufenden Ermittlungsverfahren?

Antwort: Um den Fall Kasia Lenhardt. Sie war mit Boateng in einer Beziehung und soll im Rahmen des Oktoberfests 2019 von diesem angegriffen worden sein. Boateng bestreitet, seiner Ex-Partnerin je Gewalt zugefügt zu haben. Die Staatsanwaltschaft nahm damals Ermittlungen auf, stellte diese im Sommer 2020 aber ein, weil Lenhardt keine belastenden Aussagen mehr tätigen wollte. Lenhardt beging im Februar 2021 Suizid. Einen Tag später nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf, sie laufen bis heute.

Frage: Darf Boateng Fußball spielen?

Antwort: Für einzelne Tätigkeitsfelder gilt in Österreich ein Berufsverbot nach Gerichtsurteilen, etwa im Bildungsbereich, in der Pflege oder für Beamtinnen und Beamte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn strafrechtlich relevantes Verhalten in Zusammenhang mit der Tätigkeit steht. Boateng ist nicht vorbestraft. Selbst im Falle einer Verurteilung dürfte er weiter als Fußballprofi tätig sein. Österreichs Fußball-Bundesliga sieht in ihrem Regelwerk kein Berufsverbot für Straftäter im Falle häuslicher Gewalt vor. Im ÖFB-Regulativ heißt es lediglich, die Spieler seien "angehalten, den sportlichen Anstand, die sportliche Disziplin und die sportliche Integrität" zu wahren.

Jerome Boateng mit LASK-Trikot
Beim LASK wird Boateng künftig mit der Nummer 17 auflaufen.
APA/LASK

Frage: Warum hat der LASK Boateng verpflichtet?

Antwort: Die Linzer jubelten in einer Aussendung von Ende Mai über den "Transfercoup", beschrieben es als "absoluter Wahnsinn und unfassbar", einen "international derart begehrten Ausnahmespieler" wie Boateng zu verpflichten. Und weil Boateng für das Engagement in Linz "seine wirtschaftlichen Interessen" hintangestellt hat, adelt ihn CEO Siegmund Gruber als "außergewöhnlichen Charakter". Sportlich überzeugte Boateng in den vergangenen Monaten wenig. Seit Jahresbeginn spielte er lediglich 238 Minuten für Salernitana in Italiens Serie A. Sein letztes Match über die vollen 90 Minuten bestritt Boateng im Oktober 2022. Möglicherweise erhofft sich der LASK durch Boateng Aufmerksamkeit und wirtschaftlichen Erfolg: Auf Instagram folgen Boateng 9,6 Millionen Fans, der LASK kommt dort auf knapp 63.000 Follower.

Frage: Wie geht der LASK mit den Gewaltvorwürfen um?

Antwort: In der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht. In der Presseaussendung war von der außersportlichen Situation Boatengs keine Rede. Auf eine STANDARD-Anfrage, wie der Verein etwa die Gewaltvorwürfe mit Boateng und dessen Beratern besprochen habe, wollte der LASK nicht eingehen. Stattdessen wies die Pressestelle auf die Kritik an der Verpflichtung hin, "die zum Teil in Gewaltfantasien gegen Jérôme ausgeartet sind". Weiters hieß es: "Wir werden kein laufendes Verfahren kommentieren, denn jetzt hat das Gericht in München das Wort.“ Dass einem Spieler des LASK noch vor Beginn der kommenden Saison eine Verurteilung drohen könnte, wollte der LASK nicht kommentieren. Er teilte mit: "Den Vorverurteilungen schließen wir uns nicht an und erwarten das auch von all jenen, die die Diskussion zurzeit lautstark führen." Auf die Nachfrage, dass eben im laufenden Verfahren das Problem liegen könnte, wollte der LASK nichts mehr hinzufügen.

Frage: Wann spielt Boateng erstmals für den LASK?

Antwort: Am Wochenende vom 26. bis 29. Juli findet mit der ersten ÖFB-Cuprunde das erste Pflichtspiel der Saison 2024/25 statt. Eine Woche darauf startet die Bundesliga. Bereits zuvor wird der LASK Testspiele bestreiten, der Spielplan steht noch nicht fest. Für 19. Juli ist der letzte von sechs Prozesstagen angesetzt. Boateng könnte nach einem Urteil erneut in Revision gehen. (Lukas Zahrer, 13.6.2024)