Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius stellte in Berlin seine Pläne vor.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius stellte in Berlin seine Pläne vor.
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"Wir haben es uns nicht leichtgemacht." So beschreibt der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch in Berlin die Arbeit seines Hauses. Seit Monaten wird in Deutschland diskutiert, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werden soll. 2011 war sie ausgesetzt worden. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wollte die Bundeswehr, die zu dieser Zeit über 240.000 Soldaten verfügte, verkleinern und schlagkräftiger machen.

Doch heute ist die Sicherheits- und Bedrohungslage eine ganz andere. Der Ukrainekrieg hat zu einem Umdenken geführt. Wladimir Putin sei ab 2029 in der Lage, einen Nato-Staat anzugreifen, betonte Pistorius noch einmal. In Politik und Sicherheitskreisen heißt es heute, Deutschland habe zu wenig Soldatinnen und Soldaten.

Pistorius rechnet so: 181.000 Männer und Frauen stehen derzeit im Dienste der Bundeswehr, die damit einer der größten Arbeitgeber in Deutschland ist. Dazu gibt es noch 60.000 Reservisten. Gebraucht werden bis 2031 zwar nicht mehr 240.000 Kräfte, aber doch 203.000 Männer und Frauen und auf längere Sicht noch einmal 200.000 Reservisten dazu.

"Es war ein Fehler"

"Es war ein Fehler, sie abzuschaffen", hatte Pistorius im Dezember 2023 über die Wehrpflicht gesagt. Doch bei den Sozialdemokraten und auch den Grünen ist die Begeisterung für eine Wiederbelebung nicht so groß. Bundeskanzler Olaf Scholz war zuletzt ebenfalls auf der Bremse gestanden. Nun hat Pistorius Pläne für kleinere Maßnahmen vorgestellt, die von der Ampelkoalition noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden könnten.

"Die Wehrerfassung muss neu aufgesetzt werden", sagte Pistorius am Mittwoch. So sollen Männer und Frauen in Deutschland künftig zum 18. Geburtstag eine Aufforderung der Bundeswehr bekommen, sich über den Wehrdienst Gedanken zu machen und einen Fragebogen auszufüllen. Der Plan sei, so Pistorius, dass sie über "Qualifikation und Interessen" Auskunft geben und auch darüber, ob sie einen Wehrdienst leisten wollen. Männer müssen das tun, Frauen können es, für sie gilt in Deutschland ja grundsätzlich keine Wehrpflicht.

Pistorius will die "Fittesten"

Der Minister rechnet damit, dass aus der Gruppe der Interessierten 40.000 bis 50.000 Personen zur Musterung gebeten werden. Diese ist wiederum für Männer verpflichtend. Man wolle die, "die am fittesten, geeignetsten und motiviertesten" sind, so Pistorius, der auch erzählte, dass in Schweden für ein ähnliches Modell mit dem Slogan "Wir versprechen dir das beste Jahr deines Lebens" für den Militärdienst geworben wird.

"So weit würde ich nicht gehen", fügte er hinzu. Aber er sei zuversichtlich, dass man ein attraktives Angebot machen könne. Pistorius rechnet damit, dass dann nicht mehr 10.000, sondern 15.000 Personen jährlich neu ausgebildet werden können, "ganz ohne Zwang und Pflicht". Lieber wären ihm 20.000, aber er sieht, dass die Kapazitäten nicht da sind.

"Wir müssen diesen Aufwuchs hinbekommen", sagt der Minister. Er habe keinen Anlass zur Sorge, dass das klappt. Falls sich aber nicht genug Freiwillige melden, "dann müssen wir über eine verpflichtende Option nachdenken". Eine weitere Option wäre auch, Frauen zum Militärdienst zu verpflichten. Das aber plant Pistorius nicht. Dazu wäre eine Grundgesetzänderung nötig, das dauert ihm zu lange. Schließlich findet die nächste Bundestagswahl im Herbst 2025 statt. Das Gleiche gilt für eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen. (Birgit Baumann aus Berlin, 12.6.2024)