Um bei der im Herbst in Österreich dräuenden Nationalratswahl weitere Höhenflüge der FPÖ abzuwenden, müsse man "die Sorgen der Menschen ernst nehmen". Das hörte man in den Tagen seit der EU-Wahl aus der ÖVP schon öfter (und aus der SPÖ nicht minder). Besonders viel wird dabei über eine Sorge gesprochen: jene wegen der Migration, deren Ablehnung bekanntlich das Markenzeichen der Freiheitlichen ist.

Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler, zugeschaltet in die "ZiB 2" bei Armin Wolf.
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Das ergibt eine zugespitzte Konkurrenz zwischen Schmied und Schmiedl, der sich Dienstagabend im ZiB 2-Interview mit Armin Wolf der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) kräftig hingab. Viele Menschen würden sich wegen der wirtschaftlichen Perspektiven, viele wegen des Krieges in der Ukraine Sorgen machen, begann er seine Ausführungen – um dann sofort auf die Ausländerpolitik umzuschwenken.

Restriktiv bei Einbürgerung und Familiennachzug

"Schauen Sie, das Thema Migration ist ein Thema, das mittlerweile 85, 90 Prozent der Bevölkerung interessiert", postulierte er. Es brauche "klare und entschlossene Maßnahmen": ein strengeres Staatsbürgerschaftsrecht etwa – wie er es schon im Februar vorgeschlagen hat – sowie "eine ganz restriktive Linie beim Familiennachzug".

Nun liegen Drexlers "85, 90 Prozent" beträchtlich über den Ergebnissen einer STANDARD-Umfrage von vor der EU-Wahl. Laut dieser war das in mehrere Frage aufgefächerte Ausländerthema zwar durchaus Nummer eins, aber mit Nennungen um die 50 Prozent.

Der steirische Landeschef hingegen sprach von einem "Grundrauschen" in der Gesellschaft – und teilte mit neuer, dem knappen EU-Wahlergebnis geschuldeter Zuversicht gegen Herbert Kickl aus: Die ÖVP müsse den Menschen klarmachen, dass sie "vernünftige Positionen wählen können, ohne gleich die Umarmung Wladimir Putins und Verschwörungserzählungen mitzuwählen", sagte er.

Menschenrecht gegen Menschenrecht

Und dann schwenkte er ins Patriotische: Beim Thema Familiennachzug gehe es ihm "um die österreichischen, ganz besonders um die steirischen Kinder", sagte er: "Wenn der Familiennachzug das Bildungssystem in die Krise bringt, gilt es, das Menschenrecht auf Bildung für die steirischen und die österreichischen Kinder durchzusetzen."

Damit komme er möglicherweise mit dem Menschenrecht auf Familiennachzug in Konflikt, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der österreichischen Bundesverfassung stehe, konterte Wolf kühl. "Wenn zwei Menschenrechte in Konkurrenz stehen, muss man darüber nachdenken, wie man das abwägt", antwortete Drexler. Sollten derlei sinnlose Aufrechnungspläne den Ausländerkurs der ÖVP über den Sommer prägen, so werden das wenig erholsame Wochen. (Irene Brickner, 12.6.2024)