Die Lücke von 170.000 Haushalten und rund 30 Millionen Euro jährlich in der Kalkulation des ORF für die Jahre 2024 bis 2026 bei mehr als 3,5 Millionen zahlenden Haushalten sieht der Sprecher der ÖVP-nahen ORF-Stiftungsräte gelassen. Sie zu schließen werde bei der Größe des ORF und dem in Gang befindlichen Reformprozess "kein Problem" sein – so sich die Haushalte nicht noch finden lassen. Das erklärte Thomas Zach der APA vor der Sitzung des Stiftungsrats am Donnerstag. SPÖ und FPÖ sehen die Lücke weniger gelassen.

Die Beitragslücke des ist ORF verkraftbar, sagt Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte.
Heribert Corn

"Unschärfen unvermeidbar"

"Bei so einer großen Umstellung und so großen Datenbeständen ist es unvermeidbar, dass es Unschärfen gibt. Diese werden seit drei Monaten bearbeitet, und man wird sehen, was am Ende des Tages überbleibt", erklärt Zach vor der Plenarsitzung des obersten ORF-Gremiums.

Der ORF ist Österreichs weitaus größter Medienkonzern mit mehr als einer Milliarde Euro Einnahmen pro Jahr, davon rund 700 Millionen aus dem ORF-Beitrag. Das Finanzministerium kalkulierte bei der Berechnung für den neuen ORF-Beitrag, der zu Jahreswechsel die GIS ablöste, mit rund 180.000 Haushalten mehr als der ORF. Inzwischen hat der ORF 10.000 davon ausgemacht, eine "Sonderkommission" arbeitet seit Jahresbeginn daran.

In einem internen Bericht kalkulierte der ORF bei 180.000 fehlenden Beitragshaushalten mit mehr als 32 Millionen Euro Einnahmenausfall. Für das laufende Jahr erwartete der ORF vor wenigen Wochen, basierend auf 180.000 fehlenden Zahlern, rund 684 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag, budgetiert waren ursprünglich rund 722 Millionen Euro (abzüglich Kosten etwa für Einhebung/Administration).

Im Finanzausschuss des Stiftungsrats am Montagnachmittag ging die ORF-Führung von rund 70.000 bis 80.000 Haushalten aus, die gegen den neuen ORF-Beitrag den Rechtsweg beschreiten werden. "Sie werden zahlen müssen", soll ORF-Chef Roland Weißmann in der Sitzung neuerlich festgestellt haben.

"Geisterhaushalte"

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im Stiftungsrat, will "heftig" über die "Geisterhaushalte" diskutieren. Bei einem Minus "von bis zu 50 Millionen Euro" könne man nicht zur Tagesordnung übergehen. Man müsse nun sehr genau untersuchen, wer Schuld an der Misere habe. "Ist es das Finanzministerium, das Innenministerium oder die ORF-Geschäftsführung, die sich über den Tisch hat ziehen lassen?", will Lederer wissen.

Der Stiftungsrat pochte darauf, dass der ORF nun nicht zu Tode gespart werden dürfe. Schon jetzt fahre das öffentlich-rechtliche Unternehmen ein "knallhartes Sparpaket". Mitarbeiter und Programm dürften nicht unter Kürzungen leiden. "Ich erwarte mir weiterhin qualitative Investitionen", so Lederer, der auch mehrere Fragen zum neuen Ethikkodex des ORF hat, der etwa Social-Media-Auftritte und Nebenbeschäftigungen von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern regelt. "Ich erwarte mir eine dramatische Reduktion der Nebenbeschäftigungen in diesem Wahljahr", sagte der Stiftungsrat. Für die Nationalratswahl müsse der ORF "die volle Power auf die Straße bringen".

In der Stiftungsratssitzung am Donnerstag steht auch die ORF-Unternehmensstrategie 2030 zur Debatte. Diese befindet sich derzeit in einem Entwurfsstadium. Inputs der Rätinnen und Räte sind gefragt, bevor sie im September beschlossen werden soll. Eckpunkte umfassen etwa das Thema Multimedialität – also die weitere Entwicklung vom Broadcaster zur multimedialen Plattform –, Innovation, Dialog oder auch Verantwortung. Geplant ist auch, gänzlich auf die häufig kritisierten Kettenarbeitsverträge zu verzichten. Derzeit ist es dem ORF erlaubt, befristete Arbeitsverhältnisse ohne zahlenmäßige Begrenzung auch unmittelbar hintereinander abzuschließen. Schon jetzt kämen sie weit seltener als noch vor mehreren Jahren zum Einsatz, hieß es.

"Überprüfung" der EU-Wahlberichte

Zach will zudem die ORF-EU-Wahl-Berichterstattung thematisieren. "Die Feuerprobe für die Nationalratswahlberichterstattung hat funktioniert, aber es ist dennoch gut, eine Überprüfung vorzunehmen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse entsprechend umzusetzen", meinte er.

Aus der ÖVP wurde Unmut über die ORF-Trendprognose kolportiert, die den Abstand zwischen FPÖ und ÖVP größer sah als schließlich das Ergebnis. Die Prognose von Foresight, Hajek und Arge Wahlen für ORF und APA war realistischer als andere für Servus TV und Oe24.

Der von der FPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler geht von einer langen Sitzung am Donnerstag aus, hat er doch neun Punkte auf die Tagesordnung setzen lassen. Sein Verhältnis zu einem Großteil der weiteren Stiftungsräte dürfte eher angespannt sein. Hat ihn doch vor wenigen Wochen eine große Mehrheit seiner Kollegen mittels Brief dazu aufgefordert, unternehmensschädigende und herabsetzende Aussagen zum ORF zu unterlassen. In der Vorwoche legte Westenthaler aber nach, nannte den ORF etwa "völlig durchgeknallt" und unterstellte dem Medienhaus eine "systematische, flächendeckende Kampagne" gegen die FPÖ.

Stiftungsrat Zach sprach angesichts der Äußerungen Westenthalers von "Wahlkampfgetöse", das man nun getrost hinter sich lassen könne. "Wir werden uns diese Woche mit den tatsächlich relevanten Themen des ORF beschäftigen", sagte er. (APA, red, 11.6.2024)