Ein ockerfarbenes Haus im apulischen Design.
Nur das Beste ist für die G7-Delegationen gut genug.
AFP/Borgo Egnazia press office/H

Borgo Egnazia zwischen Bari und Brindisi an der Adriaküste ist ein Traum von einem apulischen Dörfchen: In der Mitte steht eine Masseria (Gutshof), von deren Dachterrasse man auf das nur wenige Hundert Meter entfernte Meer blickt. Rund um das Hauptgebäude sind ein paar Dutzend der charakteristischen zwei- bis dreistöckigen apulischen Häuser aus ockerfarbenem Tuffstein gruppiert. Es gibt einen Dorfplatz mit einladenden Sitzbänken, und auch eine kleine Kirche fehlt nicht. Überall im Borgo ranken sich blühende Bougainvillea auf weißgetünchten Fassaden, knorrige Olivenbäume spenden Schatten, tönerne Amphoren stehen herum, es duftet nach Rosmarin, wildem Thymian und Myrte.

Aber hier ist alles nur Fake: An diesem Borgo ist nichts echt. Das Dorf ist in fünfjähriger Bauzeit als Luxusresort im apulischen Baustil auf einem 16 Hektar großen Areal, auf dem Diktator Benito Mussolini einst einen Militärflugplatz bauen wollte, aus dem Boden gestampft und 2010 eröffnet worden. Seither zieht das Luxusresort den Jetset aus der ganzen Welt an: Die Beckhams haben hier Ferien gemacht, Madonna (die Sängerin) und George Clooney ebenso, Justin Timberlake und Jessica Biel haben hier ihre Hochzeit gefeiert. Die schönsten Suiten kosten in der Hauptsaison von 4000 Euro an aufwärts. Dafür gibt es mehrere Pools, einfache und auch sehr feine Restaurants, künstliche römische Thermen und einen echten Golfplatz zwischen dem Borgo und dem Strand.

Papst spricht zu Ethik

Auch Giorgia Meloni hatte hier mit ihrer Tochter Ginevra und ihrem Ex-Freund Andrea Giambruno gerne den Urlaub verbracht. Aber nachdem sie sich in ihrer Antrittsrede als Regierungschefin im Herbst 2022 als "Underdog" definiert hatte, wechselte sie in den Sommerferien darauf vorsichtshalber in eine etwas bescheidenere Masseria ein paar Kilometer weiter südlich. Aber im Borgo Egnazia hat es Meloni so gut gefallen, dass sie es als Tagungsort des diesjährigen G7-Gipfeltreffens auserkoren hat. Zwischen dem 13. und dem 15. Juni werden der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Rishi Sunak, US-Präsident Joe Biden, der kanadische Premier Justin Trudeau und der japanische Premierminister Fumio Kishida und ein Teil ihrer Delegationen die Freuden des apulischen Fake-Borgo genießen können.

Als Special Guest hat die italienische Ministerpräsidentin auch Papst Franziskus nach Apulien eingeladen, der am Freitag im Borgo Egnazia an den Gesprächen über die ethischen Aspekte und die Regulierung von Künstlicher Intelligenz teilnehmen wird. Es ist das erste Mal, dass ein Papst an einem G7-Gipfel seine Aufwartung macht. Das Thema der KI ist ein wichtiger Punkt der Tagesordnung des Treffens. Weitere Themen des Gipfels sind die kriegerischen Konflikte in der Ukraine, in Nahost und in Afrika, der Klimawandel, die ökologische Transformation und der Welthandel. Wie immer soll am Ende des Gipfels eine Abschlusserklärung verabschiedet werden.

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Bereits am Abend vor Beginn des Gipfels einigten sich die G7 auf die Auszahlung von 50 Milliarden US-Dollar (rund 46,5 Milliarden Euro) an die Ukraine bis Ende des Jahres. Das Darlehen soll mit "den Zinsgewinnen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten" zurückgezahlt werden. Großbritannien allein will mehr als 300 Millionen US-Dollar an bilateraler Hilfe bereitstellen.

Fehlende Großmächte

Wenige Tage nach den Europawahlen werden am G7-Gipfel zwangsläufig auch die politischen Perspektiven der EU ein Thema sein. Gastgeberin Giorgia Meloni, die als eine der Siegerinnen des Urnengangs zu dem Treffen fährt, wird die beiden großen Verlierer Scholz und Macron empfangen, mit denen sie auf informeller Ebene bilaterale Gespräche führen wird. Hauptsächlich wird es dabei um die Frage gehen, wer künftig die EU-Kommission anführen und welches Land welchen Kommissar erhalten wird. Meloni könnte gut mit einer zweiten Amtszeit für Ursula von der Leyen leben, würde aber mit Sicherheit ihre Forderungen bezüglich der Verteilung der anderen Posten stellen. Von der Leyen wird ebenfalls in Apulien erwartet: Die EU hat beim G7-Gipfel Beobachterstatus.

Ein Wandbild zeigt Giorgia Meloni mit EU-Heiligenschein als Gottesmutter Maria.
Nach ihrem Sieg bei der EU-Wahl dürfte Meloni beim G7-Treffen auch über ihre Wünsche in Sachen Postenverteilung sprechen.
EPA/Andrea Fasani

Wie schon die Location des diesjährigen G7-Gipfels – das Fake-Dorf Borgo Egnazia – wirkt auch das Treffen als solches zunehmend unpassend und aus der Zeit gefallen. Bei dem Treffen der "großen Sieben" des Planeten werden viele der wirklich Großen neben den USA fehlen. China ist wie immer nicht dabei, für Indien reist Premier Modi an – als Gast, nicht aber als Teil der Organisation. Und Russland ist seit dem Überfall auf die Ukraine ebenfalls nicht mehr dabei (aus G8 wurde wieder G7). G7 ist und bleibt vorrangig ein Format einiger westlicher Industrieländer. Das mag 1975, als das Forum vom damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing aus der Taufe gehoben wurde, seine Berechtigung gehabt haben. Heute könnte man auch ganz gut darauf verzichten. (Dominik Straub aus Rom, red, 13.6.2024)