ORF-Korrespondentin Maria Knips-Witting verliert ihre Akkreditierung in Russland.
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Wien/Moskau – Die österreichischen Behörden haben im April 2024 nicht nur dem Tass-Korrespondenten Iwan Popow, sondern auch seiner ebenso in Wien tätigen Tass-Kollegin Arina Dawidjan "aufgrund einer negativen Sicherheitseinschätzung" die Akkreditierung entzogen. Dies erklärte das Innenministerium am Dienstag. Popow verließ laut russischem Außenministerium Österreich am 7. Juni, woraufhin Russland der ORF-Korrespondentin Maria Knips-Witting die Akkreditierung entzog. Der ORF-Redaktionsrat protestierte am Dienstag in einem offenen Brief, der an die russische Botschaft gerichtet ist.

Das Innenministerium unter Gerhard Karner (ÖVP) entzog beiden TASS-Mitarbeitern in Wien die Akkreditierung.
Das Innenministerium unter Gerhard Karner (ÖVP) entzog beiden Tass-Mitarbeitern in Wien die Akkreditierung.
APA/HELMUT FOHRINGER

Dawidjan befand sich laut APA-Informationen am Montag noch in Wien. "Der Tass steht es frei, neue Korrespondenten zur Akkreditierung anzumelden. Dem geht eine Sicherheitsüberprüfung der dafür zuständigen Inlandsbehörde voran", informierte ein Sprecher des Innenministeriums. Nähere Auskünfte könne man aufgrund des Persönlichkeits- und Datenschutzes nicht erteilen, erläuterte er.

Als Reaktion auf die erzwungene Ausreise des russischen Agenturjournalisten Popow war am Montag mit Knips-Witting einer von zwei Korrespondentinnen des ORF in Moskau laut russischem Außenministerium als "Spiegelmaßnahme" ebenso die Akkreditierung entzogen worden, und sie wurde zum Verlassen des Landes aufgefordert.

"Angriff auf die Pressefreiheit"

Diese Entscheidung der russischen Behörden entbehre jeder Grundlage und sei völlig ungerechtfertigt, erklärte am Dienstag eine Sprecherin des österreichischen Außenministeriums gegenüber der APA. "Das ist ein weiterer eklatanter Angriff auf die Pressefreiheit in Russland", betonte sie. Die österreichische Botschaft in Moskau sei mit der betroffenen Journalistin in engem Austausch.

Nach dem Entzug der Akkreditierung von Knips-Witting berichtet nun nur noch Carola Schneider für den ORF aus Russland. Sie hat 2023 nach einer Bildungskarenz die Büroleitung von Paul Krisai übernommen, nachdem sie bereits von 2011 bis 2021 das ORF-Büro in Moskau geleitet hatte. Krisai ist wie auch Miriam Beller nicht mehr in Russland tätig. Die beiden sind 2023 in die ORF-Zentrale zurückgekehrt. Im Gegenzug entsandte der ORF Knips-Witting zur Unterstützung für die erfahrene ORF-Journalistin Schneider.

Protest des ORF-Redaktionsrats

Der ORF-Redaktionsrat protestierte am Dienstag in einem offener Brief an die Botschaft der Russischen Föderation in Österreich. "Wir sehen darin einen direkten Angriff auf die Medienfreiheit, den wir scharf verurteilen", heißt es in dem Brief des Redaktionsrats. Knips-Witting sei eine "mutige und fachkundige Journalistin, deren unabhängige Berichterstattung aus Russland und Ländern der ehemaligen Sowjetunion eine wichtige Informationsquelle für ein Millionenpublikum in Österreich ist". Und: "Daher verurteilen wir willkürliche diplomatische Vergeltungsmaßnahmen von russischer Seite gegen unsere Korrespondentin, die in Russland stets unter strikter Einhaltung aller gesetzlichen Akkreditierungsvorschriften gearbeitet hat."

Während derartige Ausweisungen in Russland vor allem seit 2014 häufiger wurden, ist die Ausweisung von internationalen Korrespondenten aus Österreich ein Novum. In den letzten Jahrzehnten sei kein vergleichbarer Fall wie bei Popow öffentlich bekannt geworden.

Mehr Personal, weniger Arbeit

Die österreichische Entscheidung kommt sichtlich auch für die staatliche russische Nachrichtenagentur überraschend. Erst im vergangenen Jahr waren die im russischen Staatseigentum stehenden Redaktionsräume und Wohnungen der Tass in Wien-Wieden für knapp 140.000 Euro renoviert worden. Und nachdem seit zumindest 20 Jahren jeweils nur ein Korrespondent der Tass in Wien tätig gewesen war, berichteten seit dem vergangenen Jahr gleich zwei Journalisten. Diese Verdopplung des Personals bei gleichzeitig weniger journalistischer Arbeit ließ sich nur schwer erklären: Hochrangige russische Besuche in Wien, die traditionell sehr aufwendig gecovert wurden, sind seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine rar geworden. Und auch kritische österreichische Wortmeldungen zu Russland galten in den vergangenen Jahren und vor allem seit 2022 aus Tass-Sicht zunehmend als nicht mehr berichtenswert.

Eine mögliche Erklärung für diese Personalpolitik lieferte die Wochenzeitung Falter im März 2024, die den TASS-Korrespondenten ohne Namensnennung als Geheimdienstler darstellte. "Besonders auffällig agiere ein dem Falter namentlich bekannter Auslandskorrespondent, der seit 2023 in Wien tätig ist und in Wahrheit ein Offizier des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR sei", hieß es damals in der Wochenzeitung. In Bezug auf seine Kollegin Dawidjan, die zuletzt etwa auch von der russischen Demonstration zum Tag des Sieges am 9. Mai in Wien berichtet hatte, war von einem derartigen Verdacht indes nichts bekannt. (APA, red, 11.6.2024)