Nach dem schweren Zwischenfall beim Landeanflug einer Maschine der Austrian Airlines (AUA) am Sonntagabend ist die Schadenserhebung im Gange. Wie bei solchen Vorfällen üblich, wurde eine Untersuchung eingeleitet, warum der sonntägliche Flug OS434 durch eine Zone mit Hagel geflogen ist, teilte die AUA auf Anfrage mit. Der Vorfall habe nur wenige Sekunden gedauert, hieß es.

Stark beschädigt wurden die Flugzeugnase, die beiden vorderen Cockpitfenster sowie Verkleidungen – die Bilder gingen um die Welt. Die Überprüfung der Flugzeugsysteme und die Beobachtung der aktuellen wie der vorhergesagten Wettersituation entlang der gesamten Strecke seien die Hauptaufgaben der Cockpitcrews während eines Flugs, wurde betont. Der Airbus A320 auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Wien ist nach AUA-Angaben trotzdem in eine Gewitterzelle geraten, die für die Cockpitcrew laut deren Aussage auf dem Wetterradar nicht ersichtlich war.

Airbus A320 mit beschädigter Schnauze
Die stark beschädigte Schnauze des AUA-Airbus. Welche Systeme ausgefallen sind, wird noch weiter untersucht.
exithamster

Einen Tag nach dem Vorfall gehen die Meinungen darüber, wie die Maschine sicher gelandet werden konnte, weiterhin auseinander. Es ist nicht endgültig geklärt, ob alle Assistenzsysteme ausfielen und daher komplett manuell geflogen werden musste oder ob es noch technische Unterstützung gab. Auch professionelle Wetterbeobachter sind sich nicht immer einig, ob man das Gewitter weiträumiger hätte umfliegen können oder müssen. Und haben wir uns in Zukunft auch in unseren Breiten öfter auf solche Unwetter, die den Flugverkehr stören, gefasst zu machen? Wir haben dazu zunächst den Luftfahrtexperten Kurt Hofmann befragt.

Nicht der erste schwere Hagelschaden

"Nach meinen Informationen sind die Piloten händisch gelandet", sagt Hofmann, aber dies sei auf Basis funktionierender Systeme, die Geschwindigkeit und Höhe anzeigen, passiert. Ein solches Manöver wäre insofern beeindruckend, als die Sicht durch die beiden vom Hagel zerschlagenen (wenngleich nicht durchgeschlagenen) Windschutzscheiben extrem eingeschränkt gewesen sein muss. Zum Glück würden die Scheiben sehr viel aushalten, wenngleich man nicht gänzlich ausschließen könne, dass auch eine Cockpitscheibe einmal breche. "Es ist auch nicht der erste schwere Hagelschaden bei einem Verkehrsflugzeug", erinnert Hofman an eine im Juli 2023 zertrümmerte Boeing 767 von Delta Airlines. Vermutlich wird es auch nicht der letzte sein.

Im Jänner 2024 sei der Luftfahrtexperte bei einer Airline auf den Azoren zu Gast gewesen, deren Piloten hautnah miterleben, wie sich das Wetter über dem Atlantik verändert: "Die Gewitter werden immer heftiger und größer, die Stürme ebenso." Auch AUA-Piloten, die häufig auf der Langstrecke unterwegs sind, hätten ihm bereits ähnliche Eindrücke mitgeteilt: Die Turbulenzen nehmen zu, und große Gewitterzellen bauen sich viel schneller auf als früher.

"Ein Pilot hat von einer 360 Kilometer breiten Gewitterfront erzählt, die zu umfliegen fast unmöglich sei", sagt Hofmann. Die Geschwindigkeit der Ereignisse könnte auch bei dem AUA-Flug von Mallorca nach Wien ein entscheidender Faktor gewesen sein. Wenn man sich bei 600 bis 700 Stundenkilometer nur noch 50 Kilometer vor einem Gewitter befände, das sich rasant aufbaue, sei es enorm schwierig, überhaupt noch auszuweichen. "Extremwetterereignisse bauen sich immer dynamischer und schneller auf", ist Hofmann überzeugt. Aber über das Wetter rund um diese Ereignisse sollte man auch noch mit einem Meteorologen reden.

Hagelkörner auf einer Hand
Schwierige Frage: Kann man Hagel beim Einfliegen in eine Gewitterwolke auf dem Radar sehen?
IMAGO/Bernd März

Steffen Dietz, Meteorologe beim Wiener Wetterdienstleister Ubimet, relativiert: "So etwas hat es schon immer gegeben und wird es auch weiterhin geben. Ein Gewitter mit großen Hagelkörnern ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Ein Pilot umfliegt solche Gewitterzellen üblicherweise und umgeht damit derartige Schäden, wie sie jetzt aufgetreten sind." Aber werden solche Gewitter häufiger auftreten? Dietz meint dazu allgemein, es gebe im Zuge des Klimawandels den Trend zu extremerem Wetter. Daher kann man vermuten, dass Gewitter häufiger auftreten werden, die unwetterartige Ausmaße annehmen können – und die dann auch Hagel in größerer Form mit sich bringen. Woran das liegt?

"Wir wissen, dass die Temperatur zunimmt, wodurch die Luft labiler und energiereicher wird. Je energiereicher die Luft ist – und wenn auch die restlichen Grundzutaten passen –, desto häufiger entsteht Hagel." Warum die Piloten nicht um das Gewitter herumgeflogen sind, kann Dietz nicht beurteilen, aber: "Was ich sagen kann: Das Gewitter war als solches zu erkennen. Es waren zwei Gewitterzellen, die von den Fischbacher Alpen Richtung Hartberg hinausgezogen sind. Und durch eine dieser Zellen ist der Flieger durch. Man konnte auf Flightradar mitverfolgen, dass der Pilot keine Anstalten gemacht hat, die Zelle zu umfliegen, er ist kerzengerade durch."

Aus Meteorologensicht könne er nur sagen, dass Hagel auf dem Radar zu sehen sein sollte. Und selbst wenn nicht – die mächtigen Gewitterwolken, die bis zu zehn Kilometer hoch reichten, seien zu sehen gewesen. Seine Kollegen von der Unwetterzentrale hätten vor der Zelle gewarnt, die schon im Bereich der Obersteiermark zu erkennen war und Richtung Hartberg weiterzog. Warum man nicht herumgeflogen ist, werde die Untersuchung zeigen. Grundsätzlich könne ein Gewitter dann nicht umflogen werden, wenn es sich um eine Gewitterlinie, eine Front, handle, der man nicht ausweichen könne. Das sei bei dem Flug der AUA-Maschine aber nicht der Fall gewesen.

Gute Vorhersagen

Dietz: "Das waren zwei Zellen, beide waren bereits eine halbe Stunde aktiv und hatten rund 20 Kilometer Durchmesser. In den Vorhersagen waren die Zutaten gegeben, die den Schluss zuließen, dass es sich um ein schweres Gewitter handelt. Aber ich will mir nicht anmaßen, die Entscheidung der Piloten zu hinterfragen, dafür bin ich kein Experte."

Außer Hagel seien auch Turbulenzen für den Flugverkehr eine Bedrohung: "In Gewittern kommt es zu heftigen Luftbewegungen. Es gibt Aufwindbereiche und Abwindbereiche. Diese sind auch für die Entstehung von Hagel verantwortlich: Das Hagelkorn bewegt sich nach unten, Wasser lagert sich ab, dann geht's wieder nach oben in kältere Bereiche, das abgelagerte Wasser friert, das Hagelkorn wird größer", erklärt Dietz. Das Flugzeug wird dabei heftig durchgeschüttelt, hält das aber im Normalfall aus. Bei heftigen Turbulenzen können dennoch Menschen zu Schaden kommen, wie der Singapore-Airlines-Vorfall vor kurzem zeigte. Ob ein Zunehmen der Turbulenzen mit dem Klimawandel zusammenhängt? "Das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn man davon ausgeht, dass es durch den Klimawandel häufiger starke Gewitter gibt, die für Turbulenzen verantwortlich sind, dann könnte hier ein Zusammenhang bestehen", sagt Dietz.

Die Turbulenzen rund um den Singapore-Airline-Flug hatten aber eher nichts mit Gewittern zu tun. Der schwere Zwischenfall wurde vermutlich durch sogenannte Clear-Air-Turbulenzen (CAT) verursacht, also durch starke, kleinräumige Luftwirbel, die außerhalb von Wolkenbildungen auftreten. Diese Vorfälle nehmen laut einer Studie von Paul Williams und weiteren britischen Wissenschaftern zu – und die Forscher sehen ganz klar einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. (saum, max, 11.6.2024)