Petrischale in der Hand einer Forschenden
Neue Krebsmedikamente zu entwickeln braucht oft neben jahrzehntelanger wissenschaftlicher Arbeit auch die nötigen finanziellen Mittel.
IMAGO/Westend61

Nur ein Bruchteil der weltweit durchgeführten klinischen Studien ist erfolgreich. Gerade bei der Suche nach neuen Krebstherapien führen gerade einmal ein paar Prozent zu einem zugelassenen Medikament. Grundlagenforschung, Reproduktionsstudien und klinischen Phasen der Entwicklung dauern dabei oft weit länger als ein Jahrzehnt. Um Geschwindigkeit und Erfolgsaussichten zu erhöhen, setzt man nun in der Pharmabranche auf die systematische Biomarkerforschung. Diese dient zur Identifizierung systematisch bestimmter Gene, Proteine oder Stoffwechselvorgänge in Tumoren und bietet einen Ansatzpunkt für eine Therapie. Auch die Wirksamkeit der Behandlung lässt sich dadurch frühzeitig ablesen.

Auch die Forschenden des Grazer Forschungszentrums CBmed fokussieren auf die Biomarkerforschung. Das äußert sich in der Forschung am menschlichen Mikrobiom, an den Auswirkungen von Mikroplastik im Körper, vor allem aber in der Entwicklung von Krebstherapien. Das Unternehmen, das von 2015 bis 2023 als Comet-Zentrum von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums unterstützt wurde, expandiert stark. Zuletzt brachte man die hauseigene Plattform zur Biomarkerforschung in eine strategische Partnerschaft zur Krebsforschung mit dem Pharmariesen Boehringer Ingelheim ein.

Laborarbeit und Bioinformatik

Auch die von Barbara Prietl geleitete Abteilung "Precision Medicine Technology", in der die die Biomarker-Forschungsplattform angesiedelt ist, hat sich zuletzt fast verdoppelt. Hier fließen klassische Laborarbeit wie systematische Screenings mit einer Vielfalt an bioinformatischen Methoden zusammen. Grundlage der Forschung sind etwa Proben aus Biobanken, aber auch Gewebe, das direkt von den Patienten kommt. Ermöglicht wird das durch eine Kooperation mit dem Haupteigentümer von CBmed, der Med-Uni Graz. Weitere Gesellschafter sind die Med-Uni Wien, die Uni Graz, die TU Graz, Joanneum Research und das Austrian Institute of Technology (AIT).

"Das Tumorgewebe, das etwa im Zuge einer Operation entnommen wird und nicht für weitere klinische Routinen benötigt wird, ist innerhalb von 24 Stunden in unseren Laboren. Dort wird es sofort von einem eigenen Team bearbeitet", schildert Prietl die aufwendige Logistik. "Tumorzellen werden dabei isoliert und kultiviert. Damit bleibt man sehr nahe am 'echten' Tumor und kann so bessere Ergebnisse erzielen als etwa durch Tiermodelle." Innerhalb von 21 Tagen kann etwa festgestellt werden, ob ein Wirkstoff an dem vorliegenden Tumortypus wirkt oder nicht. Das ist ein wichtiger Input für die Therapieforschung – besonders auch dann, wenn neue Strategien für eine personalisierte Behandlung gesucht werden.

Pipette und Teströhrchen im Labor
Die Zeit von der ersten Idee über die Entwicklung und Erprobung bis hin zum fertigen Krebsmedikament soll sich in Zukunft verkürzen.
IMAGO/Westend61

Viele universitäre Labore arbeiten ähnlich. Um einer "translationalen Forschung" gerecht zu werden, die Erkenntnisse der Grundlagenforschung möglichst schnell in die Praxis bringen will, sind die Prozesse bei CBmed aber stark an den Bedürfnissen der Industrie orientiert. "Was uns unterscheidet, ist ein hoher Grad an Standardisierung, was Qualitätsmanagement, Dokumentation und Reproduzierbarkeit der Studien betrifft", erklärt Prietl, die neben der Arbeit bei CBmed auch an der Med-Uni Graz tätig ist. "Diese Daten sind eine wichtige Basis für die Wirkstoffentwicklung, die unter anderem den Bedarf an Replikationsstudien drastisch reduziert." Die einst strikte Trennung von Grundlagen- und angewandter Forschung wird mit neuen Ansätzen dieser Art aufgelöst.

Datenschatz auswerten

Im Bereich der Bioinformatik spielt für Prietl etwa die Datenvisualisierung eine wichtige Rolle. Wenn es etwa darum geht, Moleküle auf Krebszellen zu identifizieren, die als Andockstelle für toxische Substanzen dienen, werden neben der klinischen Forschung noch viele weitere Datenquellen angezapft – von demografischen Entwicklungen über Erkenntnisse aus Modellorganismen bis zu DNA-Analysen. "Irgendwann kann die Datenfülle nicht mehr per Hand zusammengeführt werden. Wir nutzen also Visualisierungstechniken, mit denen sich verschiedene Daten-Layer, beispielsweise zu Drug-Screenings und genetischen Mutationen, gemeinsam auswerten lassen", veranschaulicht Prietl, deren Team in diesem Bereich mit Experten der TU Graz kooperiert.

Gleichzeitig werden große Datensätze auch mit Methoden der Künstlichen Intelligenz ausgewertet, etwa um neue Patienten verschiedenen Krebs-Subgruppen zuordnen zu können. Die vielen Jahre, die klinische Studien zur Wirkstoffentwicklung in Anspruch nehmen, lassen sich damit zwar kaum verkürzen. Gehen die translationalen Forschungsansätze bei CBmed und ähnlichen Forschungsstätten auf, könnte die Wirkstoffentwicklung aber insgesamt viel effizienter werden. (Alois Pumhösel, 28.6.2024)