Sonnenaufgang über Schilfgürtel
Im Burgenland, hier im Bild der Schilfgürtel am Neusiedler See bei Sonnenaufgang, werden in puncto CO2-Bilanz ambitionierte Ziele verfolgt. Um bis zum Jahr 2030 bilanziell klimaneutral zu sein, braucht es Antworten auf die Frage: Wohin mit dem schädlichen Treibhausgas? An der Fachhochschule Burgenland wurden mögliche Szenarien durchgespielt.
APA/ROBERT JAEGER

Das Land Burgenland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 bilanziell klimaneutral zu werden. Schwertransport, Industrie mit hohem Energiebedarf und Bestandsanlagen werden aber voraussichtlich auch nach 2030 noch CO2 ausstoßen.

Das ist die plausible Ausgangshypothese, mit der sich Stefan Sadler an der Fachhochschule Burgenland beschäftigte. Im Masterstudium am Department Energie- und Umweltmanagement hat er sich an eine interessante Fragestellung herangewagt: Wäre es möglich, alle – noch – anfallenden Treibhausgasemissionen des Burgenlands mit Negative Emission Technologies (NET) in neu zu schaffenden Kohlenstoffsenken zu lagern? Und das nicht irgendwo, sondern vor Ort, im Burgenland selbst?

Zehn Technologien, zehn Chancen

Im Rahmen seiner Abschlussarbeit hat sich Sadler in eine weitreichende Literaturrecherche gestürzt, bei der er nicht nur die Potenziale der vom Weltklimarat IPCC angeführten Technologien recherchierte. Daneben hat er diese auch auf ihre konkrete Anwendbarkeit für das Burgenland überprüft. "Ich habe mich dabei auf die am weitesten entwickelten fokussiert", sagt der Jungforscher. Für das Burgenland identifizierte er zehn Technologien mit unterschiedlichem Anwendungspotenzial.

Die konkrete Durchrechnung brachte dabei ein überraschendes Ergebnis: Theoretisch könnten im Burgenland Kohlenstoffsenken geschaffen werden, die die jährlichen Emissionen in Höhe von 1,7 Millionen Tonnen CO2 und darüber hinaus binden könnten. Dafür wären allerdings schwerwiegende Änderungen in der Flächennutzung und -bearbeitung sowie in der Ressourcenverwendung vonnöten. So müsste etwa fast der gesamte jährliche Holzeinschlag in haltbare Holzprodukte mit negativen Emissionen, also etwa Massivholzprodukte, gewandelt oder gemeinsam mit dem Großteil der biogenen Abfälle zu Pflanzenkohle verarbeitet werden.

Pflanzenkohle (Biochar) hätte an sich großes Potenzial: Bei ihrer Produktion werden Biomasseabfälle oder Schadholz unter Ausschluss von Sauerstoff erhitzt, wodurch Kohlenstoff langfristig gebunden und im Boden gelagert, aber auch als Dünger (Terra Preta) eingesetzt werden kann. Derzeit werden im Burgenland erst kleine Mengen davon produziert, sagt Sadler. Die Technologie könnte aber relativ schnell hochskaliert werden. Um das volle Potenzial von rund 700.000 Tonnen CO2-Bindung jährlich auszuschöpfen, müsste man die derzeitige Produktion aber um den Faktor 750 vergrößern.

CO2 aus der Luft in Basalt speichern

Kaum ins Gewicht fiel für die Produktion neuer Kohlenstoffsenken die Methode der Kohlenstoffabscheidung aus der Luft mit nachfolgender Speicherung in Basalt. Diese Technologie wird derzeit in Island erprobt. "Abgesehen davon, dass die CO2-Speicherung in Österreich verboten ist, hätte das Burgenland dafür auch nur am Pauliberg in der Nähe von Landsee geeignete geologische Voraussetzungen", sagt Sadler.

Anlage zur Kohlenstoffabscheidung
In Island betreibt ein Start-up aus der Schweiz bereits zwei Anlagen, in denen CO2 aus der Luft abgeschieden und im Untergrund gespeichert wird.
AFP/HALLDOR KOLBEINS

Im besten Fall könnten damit pro Jahr einige Tausend Tonnen CO2 abgespeichert werden. Dazu kommen die zusätzlich benötigte Energie und die Errichtung der erforderlichen Anlagen. Vor diesem Hintergrund, so Sadler, dürfte eine angestrebte Legalisierung der Einspeicherung von CO2 im Gestein für das Burgenland keine effiziente Strategie zur Minderung der Nettoemissionen sein.

Ebenso hat die Wiedervernässung von Mooren und Feuchtflächen im Burgenland wenig Potenzial. Zwar gibt es rund 60.000 Hektar, die dafür infrage kommen, etwa im Neusiedler Seewinkel, im Lafnitztal oder in der Gegend der Güssinger Teiche (Ramsar-Feuchtgebiete). Der Emissionsfaktor, der angibt, wie viel CO2 pro Flächeneinheit gespeichert werden kann, liegt für die Wiedervernässung als NET-Methode laut IPCC jedoch in mittleren Breitengraden im besten Fall bei 0,25 Tonnen pro Hektar. "Damit kann durch Wiedervernässung im Burgenland maximal ein Prozent der burgenländischen Emissionen gebunden werden", sagt Sadler.

Falsch umgesetzt könnte die Vernässung sogar für eine noch deutlich geringere Senkenbilanz sorgen, etwa durch Düngereinbringung aus benachbarter Landwirtschaft, was Methan aus Eutrophierungsprozessen entstehen lässt, oder generell schlechtes Wasserzu- und -abflussmanagement, etwa unzureichenden Rückbau von Drainagen. "Bei zu geringem Wasserstand können Feuchtgebiete dann auch zu Kohlenstoffquellen werden." Ein sorgfältiges Management dieser großen Kohlenstoffreservoire sei daher im Sinne einer Emissionsvermeidung Pflicht, sagt Sadler.

Wald als Kohlenstoffsenke

Als effizienteste Methode für Kohlenstoffsenken identifizierte Sadler für das Burgenland ein verbessertes Forstmanagement. "Bestehende Waldflächen im Burgenland machen etwa ein Drittel der Landesfläche aus. Je länger Bäume lebend im Wald erhalten werden können, desto größer ist ihr Speicherpotenzial." Theoretisch könnte durch eine Erhöhung der Umtriebszeit, das heißt der Zeit bis zur Schlägerung, sukzessive eine zusätzliche Kohlenstoffsenke für mehr als eine Million Tonnen CO2 jährlich aufgebaut werden. Dafür müssten zusätzlich noch 15 Prozent der Landesfläche wiederaufgeforstet werden.

Kleiner Nadelbaum
Hohes Potenzial für die Speicherung von Kohlenstoff haben nachwachsende Wälder.
imago images/Elmar Gubisch

Die Kohlenstoffsenke Wald wäre aber auch nur eine temporäre Lösung, da der Wald nach 100 Jahren Wachstum kaum mehr zusätzlichen Kohlenstoff aufnehmen kann und auch eine längere Anlaufzeit benötigt, um größere Mengen Kohlenstoff zu binden. "Um CO2-Einsparungen kommt man also nicht herum."

Fazit der Arbeit: Die derzeitigen burgenländischen CO2-Emissionen können mit gravierenden Änderungen in der Flächen- und Rohmaterialnutzung für einige Jahrzehnte kompensiert werden. Ob eine Aufforstung von ungefähr einem Drittel der landwirtschaftlichen Flächen des Burgenlands und die Verarbeitung des gesamten Holzeinschlags zu Pflanzenkohle oder Massivholzprodukten gesellschaftlich akzeptiert wird und praktisch durchführbar ist? Das stehe, so Sadler, auf einem anderen Blatt. (Norbert Regitnig-Tillian, 20.6.2024)