Rudi Konar (li.) und Alexander Kaiser (re.) vor der großen Leinwand. 2006 übertrugen sie zum ersten Mal Fußballspiele auf der Leinwand. In Wien gehören sie damit zu den Pionieren.
der Standard

"Sieht gut aus, oder?": Rudi Konar und Alexander Kaiser schreiten über den frischgeharkten Sand ihrer Strandbar. Die Liegestühle stehen schon Spalier, die Leinwand wird extra fürs Foto angeworfen. Vier mal sieben Meter sei sie groß, erklärt der Techniker. Die Macher der Strandbar gehören zu den Pionieren des Public Viewings in Wien. Während der Fußball-WM 2006 bauten sie zum ersten Mal eine Leinwand auf. Damals fragten sie sich noch, ob sich der Aufwand auszahlen wird. Auch heuer werden sie einen Monat lang die EM-Spiele übertragen, die Konkurrenz in der Stadt ist allerdings um einiges größer geworden. Aber das sei ihnen nur recht, sagen die beiden. Es könne ja nicht die ganze Stadt zu ihnen kommen – Schmäh haben die beiden.

STANDARD: Erinnern Sie sich an Ihr erstes Public Viewing im Jahr der Fußballweltmeisterschaft 2006?

Konar: Natürlich, die Stimmung war gut!

Kaiser: Öffentlich zusammen Fußball schauen, sowas hat's damals überhaupt nicht gegeben. Wir dachten uns, es sei leiwand, in Liegestühlen sitzend auf einer Leinwand Fußball zu schauen. Das wollten wir unbedingt ausprobieren.

STANDARD: Hatten Sie Vorbilder?

Konar: Kennengelernt habe ich das Konzept Public Viewing vor Ewigkeiten im Votivpark. Das fand dort genau einmal statt. Als wir Jahre später in der Seestadt Aspern ein Public Viewing vollkommen neu aufgebaut haben, habe ich mich an das Anfangsgefühl zurückerinnert. Damals hat die Monatsmiete für die Technik etwa 40.000 Euro verschlungen. Da haben wir uns schon gefragt, ob sich der Aufwand auszahlt. Wir hatten vor allem die Befürchtung, dass eine WM weniger Leute als eine EM interessiert. Aber das Konzept ging von Anfang an auf – wobei zu Beginn vieles improvisiert war. Es gab bei den Behörden ja keine Erfahrungswerte. Das war alles ein bisschen wie im Wilden Westen. 2008 wurde der Umgang strenger, weil Österreich und Schweiz Austragungsländer waren. Der Auflagenkatalog der Behörden wird von Jahr zu Jahr länger. In den Anfängen wollte man uns sogar einen Taucher zur Seite stellen, falls jemand ins Wasser fällt. Außerdem sollten die Liegestühle im Boden verankert werden – die Behörde hat dann eingesehen, dass das Quatsch ist.

Kaiser: Bei den meisten Auflagen geht es um mögliche Gefährdungen durch Wurfgeschoße.

STANDARD: Wovon hängt es ab, ob Stimmung aufkommt?

Kaiser: Wenn viele Menschen zu einer Mannschaft halten. Also beispielsweise viele Deutsche, viele Österreicher da sitzen.

STANDARD: Ist es wichtig, dass die österreichische Mannschaft im Rennen ist?

Konar: Die Leute wollen Fußball anschauen, da ist es eigentlich wurscht, ob Österreich gewinnt oder nicht. Außerdem sind wir es ja gewohnt, dass die heimische Mannschaft nichts reißt bei den Spielen – das wird diesmal hoffentlich anders. Wir halten das mit dem Public Viewing übrigens anders als in Deutschland. Dort werden die Leinwände abgebaut, wenn die Nationalmannschaft ausscheidet. Das gibt's hier nicht, wir wollen wissen, wie es ausgeht.

STANDARD: Wie unterscheidet sich das Public Viewing vom Stadionerlebnis?

Konar: Ein Vorteil ist, dass man bei uns zwischendurch während des Spiels ein Bier holen kann. Das ist zu empfehlen, weil in der Halbzeit alle eines haben wollen.

Kaiser: Ich besuche regelmäßig das Stadion des Wiener Sportclubs, ich muss sagen, da ist die Stimmung nicht sehr anders als bei uns.

STANDARD: Inwieweit hat man als Veranstalter Einfluss auf die Stimmung?

Konar: Wir können für ein sicheres Public Viewing sorgen – und natürlich dafür, dass die Leute sich wohlfühlen. Den Rest müssen die Fußballspieler erledigen. Aber hier muss auch niemand Stimmung machen, unsere Gäste können Fußball schauen, wie sie möchten.

Public Viewing bei der Strandbar Wien.
Amelie Apalain/ Strandbar Wien

STANDARD: Erinnern Sie sich an besonders stimmungsvolle Spiele?

Kaiser: Ich werde ein Spiel der Türkei gegen Deutschland nicht vergessen, das muss im Jahr 2010 gewesen sein. Als es zu regnen begonnen hat, mussten wir die Leinwand abdrehen. In der Bar aber hatten wir noch zwei Fernseher hängen. Trotz Dauerregens sind sicher noch 700 Leute geblieben. Einige haben sich auf den Boden gesetzt, dahinter wurden Stühle und Tische aufgebaut, das war wie ein kleines Stadion. Im Elfmeterschießen hat meiner Erinnerung nach Deutschland gewonnen. Für mich gehört dieses Erlebnis zu den schönsten Erinnerungen.

Konar: Aber eigentlich kommt bei jedem Spiel Stimmung auf. Es kommen ja nur Leute zu uns, die das Fußballspiel sehen wollen. Wenn wir drei Spiele am Tag übertragen, wechselt das Publikum meist ebenso oft, mit einigen Ausnahmen.

STANDARD: Tore sind nicht wichtig für die Stimmung?

Kaiser: Na die braucht's schon!

STANDARD: Ist das Public Viewing lukrativ für Sie?

Konar: Die Kosten bekommen wir nur durch Sponsoren wieder rein. Das Public-Viewing-Publikum trinkt weniger als jenes, das an normalen Tagen kommt.

Kaiser: Das Publikum ist zweimal 45 Minuten lang mit dem Spiel beschäftigt, dazwischen gibt's ein bisschen Stress an der Bar. In der Regel werden ein bis zwei Getränke vor dem Spiel getrunken, eines in der Pause – nach dem Spiel gehen die Leute wieder. Wir haben zusätzliche Kosten durch die Technik, Security, Sanitäter. Hätten wir kein Public Viewing, würden wir genauso gut verdienen.

STANDARD: Warum machen Sie's dann?

Kaiser: Das Public Viewing gehört zur Strandbar irgendwie dazu, die Veranstaltung ist auch eine gute Werbung für uns.

STANDARD: Gab's Reinfälle?

Kaiser: Einmal mussten wir wegen Sturm und Regen noch vor dem Anpfiff das Gelände räumen. Ansonsten übertragen wir auch bei Regenwetter bis zum Ende. Wir empfehlen deshalb, Regenmäntel mitzunehmen, Schirme sind nicht erlaubt.

STANDARD: Wie laut dürfen die Fans sein?

Konar: Wir erlauben keine Dinge, die Lärm machen. Es gibt keine Trommeln, keine Trompeten, keine Trillerpfeifen, keine Vuvuzelas, diese Tröten, die in Südafrika so populär waren.

STANDARD: Sind Flaggen oder Plakaten erlaubt?

Konar: Kleine Fahnen ohne Stangen dürfen rein, alles andere nicht.

Profis: Rudi Konar und Alexander Kaiser in eigenen Merchandise-Shirts.
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STANDARD: Besuchen eigentlich mehr Männer als Frauen Public Viewings?

Konar: Bei uns war das Geschlechter-Verhältnis immer recht ausgeglichen, deswegen ist die Stimmung bei uns angenehm. Viele Nationen kommen in ihren Fan-Farben zu uns, es geht stets friedlich zu.

STANDARD: Das gefragteste Getränk während der Spiele?

Kaiser: Die Leute kommen nicht zum Public Viewing, um sich anzusaufen. Aber Bier und Spritzer sind ganz klar am beliebtesten. Die Nachfrage nach Cocktails geht an diesen Tagen extrem zurück.

STANDARD: 2006 haben Sie zu den Pionieren des Public Viewings gehört. Heute hingegen haben Sie jede Menge Konkurrenz ...

Konar: Stimmt, damals gab es noch keine Leinwand auf dem Rathausplatz. Die Location startete 2008, zeigt aber nur sechs Spiele. Wir freuen uns eigentlich, dass es andere Veranstalter gibt. Es kann nicht ganz Wien bei uns sitzen. Wir haben Platz für 2000 Personen. Wie der Rathausplatz sind wir übrigens sehr beliebt bei Deutschen sowie Wienerinnen und Wienern. Wenn während einer WM Uruguay gegen Mexiko spielt, kommen aber auch deren Anhänger zu uns, genauso die Franzosen oder andere Nationalitäten, das ist schon super.

STANDARD: Wer sind die größten Stimmungskanonen?

Kaiser: Das können wir so nicht sagen. Aber ich erinnere mich an einen Sieg von Spanien über Deutschland. Da haben die Fans lauthals Eviva España gesungen – wir haben das Lied dann sogar gespielt. Einige Deutsche saßen weinend im Sand.

STANDARD: Ist die Leinwand über die Jahre größer geworden?

Konar: Eigentlich nicht. Aber die Bildqualität hat sich seit unseren Anfängen enorm verbessert.

Kaiser: Zu klein darf sie aber auch nicht sein, sonst sagen die Leute, das sei nur ein großer Fernseher.

STANDARD: Sind Sie Fußballfans?

Kaiser: Ich bin allgemein sportaffin und mag Fußball.

Konar: Wir unterstützen den Wiener Sportclub und haben eine gewisse Fußballaffinität, aber ich persönlich schaue Fußball nur bei der Strandbar. (lacht)

STANDARD: Was erwarten Sie sich von der EM?

Konar: Ein friedliches Fußballfest ...

Kaiser: ... und dass Österreich Europameister wird! Oder zumindest die Vorrunde übersteht.

Konar: Und natürlich das Match Österreich gegen Deutschland!

(Anne Feldkamp, 12.6.2024)