Die FPÖ als Siegerin der EU-Wahl vom Sonntag hat die meisten ihrer neuen Stimmen aus dem ÖVP-Lager geholt: Von den 1,3 Millionen türkisen Wählern aus dem Jahr 2019 entschieden sich rund 221.000 dieses Mal für Blau. Punkten konnte die FPÖ auch bei den Nichtwählern, von denen sie rund 100.000 Stimmen lukrierte, wie aus der Wählerstromanalyse von ORF/Foresight hervorgeht. Und 76 Prozent der blauen Wähler von 2019 kreuzten neuerlich die FPÖ an – der Bestwert unter allen Parteien.

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Auch in der Zusammensetzung der neuen blauen Wählerschaft vom Sonntag zeigt sich der große Wählerwechsel von der ÖVP hin zu den Freiheitlichen sowie auch der übrige Zustrom aus anderen Lagern: So bestehen die rund 891.000 FPÖ-Stimmen (inkl. Wahlkartenprognose, Anmerkung) vom Sonntag nur zu 55 Prozent aus FPÖ-Wählern von 2019. Ganze 25 Prozent der nunmehrigen FPÖ-Wähler kommen aus dem ehemaligen Pool der ÖVP-Wählerschaft der letzten EU-Wahl. Elf Prozent wurden aus dem Nichtwähler-Lager lukriert, fünf Prozent aus jenem der SPÖ.

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Von den rund 905.000 ehemaligen SPÖ-Wählern wanderten rund 42.000 in Richtung FPÖ, die am Sonntag mit 25,5 Prozent der Stimmen knapp vor der ÖVP Platz eins erzielte. Das Plus der FPÖ betrug satte 8,3 Prozentpunkte (laut Ergebnis inklusive Foresight-Wahlkartenprognose).

Wenige Abgänge aus dem blauen Lager

Abgänge aus dem blauen Lager gab es wenige: Während 76 Prozent (492.000) der 650.000 FPÖ-Wähler von 2019 wie erwähnt auch diesmal wieder für ihre Stammpartei votierten, gab es den noch größten Abgang mit neun Prozent (56.000) ins Nichtwähler-Lager. Weitere sechs Prozent (42.000) wechselten dieses Mal zur SPÖ. Drei Prozent (23.000) gingen laut Wählerstromanalyse ins Lager der neuen Liste DNA, die wie die FPÖ ein Corona-Maßnahmen-kritisches Programm fuhr und etwa auch bei der Russland/Ukraine-Politik ein ähnliches Programm wie die FPÖ aufbot.

Video: FPÖ gewinnt EU-Wahl vor ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos.
APA

Die ÖVP, die trotz eines Rekord-Verlusts von minus 9,9 Prozentpunkten mit 0,8 Prozentpunkten Abstand hinter der FPÖ auf Platz zwei landete, konnte 60 Prozent (rund 789.000 Stimmen) ihrer 1,3 Millionen Wähler aus dem Jahr 2019 wieder für sich gewinnen. Rund 117.000 beziehungsweise neun Prozent der türkisen Wähler aus dem Jahr 2019 blieben dieses Mal zu Hause.

Die SPÖ, die mit einem Ergebnis von nur 23,3 Prozent (minus 0,6 Prozentpunkte) einen Rekord-Tiefststand bei EU-Wahlen hinnehmen musste, verlor die meisten ihrer Wähler aus dem Jahr 2019 an die Nichtwähler: Rund 159.000 beziehungsweise 18 Prozent davon gingen am Sonntag nicht zur Wahl. Den zweitgrößten Abgang verzeichnete man bei den Roten in Richtung Neos: In etwa 58.000 Stimmen beziehungsweise sechs Prozent aus 2019 wechselten ins liberale Lager. Und immerhin fünf Prozent beziehungsweise 43.000 Wähler gingen zur FPÖ. Am meisten Stimmen gewinnen konnte die SPÖ noch von den Grünen: Rund 67.000 Ex-Wähler der Öko-Partei konnte sich für die Partei von Spitzenkandidat Andreas Schieder begeistern. Ähnlich viele (64.000) wechselten aus dem türkisen Lager in Richtung Rot.

Grüne verloren meiste Stimmen an SPÖ

Die Grünen, die von ihren 14,08 Prozent aus dem Jahr 2019 auf 10,9 Prozent (minus 3,2) abrutschten, verloren mit den 67.000 Stimmen am meisten in Richtung SPÖ. Dies entspricht 13 Prozent der rund 532.000 Grün-Wähler aus dem Jahr 2019. Mit weiteren rund 58.000 Stimmen beziehungsweise elf Prozent der Wählerschaft aus der letzten EU-Wahl verzichteten dieses Mal auch viele Grün-Wähler komplett auf den Urnengang. Rund 43.000 beziehungsweise acht Prozent all jener, die 2019 ihr Kreuz bei den Grünen gemacht hatten, entschieden sich dieses Mal für die Farbe Pink.

Zugewinne verbuchen konnten die Neos, die ihren Stimmenanteil von 8,44 Prozent (2019) auf nunmehr 10,1 Prozent ausbauten. Die Pinken konnten vor allem ehemalige Wähler von SPÖ, ÖVP und Grünen überzeugen: Rund 58.000 der Neos-Wähler hatten 2019 noch für die SPÖ gestimmt, 47.000 für die ÖVP und 43.000 für die Grünen. Aus dem Nichtwähler-Lager kamen rund 12.000 Stimmen. Die KPÖ, die mit 2,9 Prozent (plus 2,1) an der Vier-Prozent-Hürde scheiterte und nicht im EU-Parlament vertreten sein wird, lukrierte vor allem von ehemaligen Grünen, aber auch ÖVP-Wählern und sogar FPÖ-Wählern ihre Stimmen. Die erstmals angetretene Liste DNA, die es mit 2,7 Prozent ebenso nicht ins EU-Parlament schaffte, lukrierte die meisten Stimmen aus dem ehemaligen Lager der ÖVP, gefolgt von Ex-FPÖ-Wählern und ehemaligen Grünen. (APA, red, 10.6.2024)