Die Zahl der Maori in Neuseeland hat erstmals die Grenze von einer Million Menschen übersprungen. Das geht aus den Daten der jüngsten Bevölkerungserhebung der Statistikbehörde Stats NZ aus dem Jahr 2023 hervor. Die Abkömmlinge der Urbevölkerung des südpazifischen Inselstaates machen damit bereits rund zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung Neuseelands aus.

Die Daten der Statistikbehörde weisen einen Bevölkerungszuwachs von fast 300.000 Menschen seit der vorigen Zählung des Jahres 2018 aus: Exakt 4.993.923 Einwohner zum Stichtag am 7. März 2023 bedeuten ein Plus von 294.168 Menschen gegenüber 2018. Drei von vier Einwohnern leben auf der Nordinsel, während auf der Südinsel Neuseelands nur ein Viertel der Bevölkerung zu Hause ist. Das Bevölkerungswachstum war allerdings mit 6,3 Prozent weniger stark als im Zeitraum zwischen 2013 und 2018, als der Zuwachs 10,8 Prozent betrug.

Starker Anstieg

Weitaus stärker als der Bevölkerungsdurchschnitt wächst der Anteil der Einwohner mit einer Maori-Abstammung: Mit 978.246 gezählten Personen ist diese Zahl gegenüber 2018 um 108.396 gestiegen – ein sattes Plus von 12,5 Prozent. Damit betrug der Maori-Anteil an der Gesamtbevölkerung zum Stichtag 19,6 Prozent, fünf Jahre zuvor waren es noch 18,5 Prozent. Mittlerweile wurde daher wohl sowohl die Marke von einer Million Menschen als auch von zwanzig Prozent der Bevölkerung überschritten.

Maori-Aktivisten bei einer Kundgebung in Waitangi, wo im Jahr 1840 der gleichnamige Vertrag unterzeichnet wurde, der der Urbevölkerung weitgehende Rechte zubilligt.
AP/Ala Wailala

Dabei muss allerdings zwischen einer Maori-Abstammung und der ethnischen Zugehörigkeit zu den Maori unterschieden werden – es handelt sich um eng zusammenhängende, aber nicht idente Definitionen. Während Erstere auf "Whakapapa", der traditionellen genealogischen Abstammung basiert, ist Letztere als selbstbestimmte kulturelle Zugehörigkeit zu den Maori definiert.

Deshalb werden zwar 19,6 Prozent der Gesamtbevölkerung als Personen mit Maori-Abstammung ausgewiesen, bei der Auswertung der Volkszählung nach Ethnien sind es jedoch mit 887.493 Menschen nur 17,8 Prozent der Bevölkerung, die sich als Maori definieren – um 111.657 Personen mehr als fünf Jahre zuvor.

Sinkender Europäeranteil

Nach der Einwohnergruppe, die sich als europäischstämmig definiert – 3.383.742 Menschen respektive 67,8 Prozent –, machen die Maori die zweitgrößte Gruppe aus. Allerdings hat die Gruppe jener, die sich als Asiaten definieren, mit 17,3 Prozent Anteil beinahe schon aufgeschlossen. 8,9 Prozent der Bevölkerung sind pazifischen Ursprungs, 1,9 Prozent werden in einer MELAA abgekürzten Gruppe (Middle East, Latin American, African) zusammengefasst. Alle diese Gruppen verzeichnen im Gegensatz zur europäischstämmigen einen steigenden Anteil an der Gesamtbevölkerung, was die Statistikbehörde als eine Diversifizierung ausweist.

Dieser Trend dürfte sich in weiterer Folge fortsetzen, denn während der Altersschnitt der Gesamtbevölkerung steigt, ist bereits jeder dritte Einwohner unter 25 ein Maori. Die Maori sind mit einem Altersschnitt von 27,2 Jahren um rund elf Jahre jünger als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung (38,1 Jahre). Die Zahl der Menschen mit Maori-Abstammung wächst dafür doppelt so schnell wie die Gesamtbevölkerung. Dieser Anstieg ist im Interesse der Maori-Vertreter, denn die erhobenen Daten haben konkrete Auswirkungen auf die Verteilung von öffentlichen Geldern. Eine geringe Beteiligung an der Volkszählung im Süden Aucklands im Jahr 2018 soll das Gesundheitssystem der Region Berechnungen zufolge in den vergangenen Jahren um rund 130 Millionen neuseeländische Dollar (knapp 74 Millionen Euro) gebracht haben – Geld, das bei der Bekämpfung von Adipositas und Diabetes gefehlt hat. Die Region Auckland ist jene mit der größten Zahl an Maori: Fast 228.000 Menschen stammen hier von den Ureinwohnern ab. Und die Maori haben eine um mehr als sieben Jahre geringere Lebenserwartung als der Bevölkerungsdurchschnitt: Dies ist die Folge von höheren Raten bei Alkohol-, Nikotin- und Drogenmissbrauch, Fettsucht, Diabetes und einer geringeren Inanspruchnahme der medizinischen Angebote.

Geändertes Konzept

Die statistischen Entwicklungen sind auch eine Folge eines geänderten Konzepts der Volkszählung: Die erhobenen Daten der aktuellen Fragebögen wurden mit denen der vergangenen Zählung kombiniert, dazu wurden Geburtsurkunden und das Wählerverzeichnis miteinbezogen. Dies war eine Reaktion auf das Resultat der Zählung von 2018, bei der die Teilnahme auf 83 Prozent gesunken war, von den Maori füllten gar nur 65 Prozent die Fragebögen aus.

Während die Gesamtzahl der Maori im 18. Jahrhundert rund eine Viertelmillion betragen haben dürfte, ist der Wert heute also viermal höher. Dass dies so ist, war nicht selbstverständlich. Denn nach der Ankunft der Europäer sank die Zahl der Ureinwohner dramatisch. Ende des 19. Jahrhunderts sollen nur noch rund vierzigtausend Maori in Neuseeland gelebt haben. Ihr Immunsystem war auf zahlreiche Krankheitserreger nicht vorbereitet und hatte der Grippe, den Masern und Typhus nichts entgegenzusetzen. Einzelne Stämme erwarben im Handel mit den Europäer Schusswaffen, was zu einem Ungleichgewicht zwischen den Stämmen führte. Diese bekriegten sich zwar auch schon vor der europäischen Ankunft immer wieder, doch die neuen Technologien hatten dramatische Folgen. Bei den sogenannten Musketenkriegen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollen mehr als vierzigtausend Maori getötet worden sein. Dreißigtausend weitere wurden versklavt oder vertrieben. Die Ethnie der Moriori auf den benachbarten Chathaminseln wurde durch eine Maori-Invasion beinahe völlig vernichtet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts starben mehr als zweitausend Maori in einer Reihe von Konflikten mit europäischstämmigen Siedlern. Die Maori und ihre Kultur standen also am Rande der Auslöschung.

Die Maori-Flagge weht bei einer Protestkundgebung gegen die Regierung vor dem Parlament in Wellington.
AFP/DAVE LINTOTT

Maori-Vertreter sehen in ihrem steigenden Bevölkerungsanteil nun die Chance, ihren Anliegen ein größeres Gewicht zu verleihen, was von der Regierung nicht ignoriert werden könne. In Neuseeland regiert seit vergangenen Herbst eine neue konservative Regierung unter dem Premierminister Christopher Luxon. Seither wurde eine Reihe von die Maori betreffenden Gesetzen der Vorgängerregierungen überarbeitet. So wurde im Februar das von der linken Regierung Jacinda Arderns verfügte drastische Tabakverbot aufgehoben. Dem Gesetz zufolge hätten ab 2009 geborene Menschen lebenslang keine Möglichkeit mehr gehabt, Tabakwaren zu kaufen. Ab 2025 wäre Neuseeland den Plänen zufolge weitgehend rauchfrei gewesen. Die neue Regierung sieht das Konzept der Prohibition kritisch und setzt auf die Konzepte der Aufklärung und Raucherentwöhnung, die bisher schon gut funktioniert hätten. (Michael Vosatka, 8.6.2024)