Wahllokal in Dublin
Irische Wählerinnen und Wähler am Freitag in einer Schule in Dublin. Erst ab Samstagvormittag wird ausgezählt.
AFP/PAUL FAITH

Für die irische Bevölkerung stellt der traditionell am Freitag anberaumte Urnengang die erste Möglichkeit seit gut vier Jahren dar, ihre Meinung über die Dubliner Dreierkoalition mitzuteilen. Zur Bestimmung der 14 Abgeordneten fürs Brüsseler Parlament – ein Mandat mehr als 2019 – kommen die Kommunalwahlen hinzu.

Nach der Schließung der Wahllokale um 22 Uhr streben die Verantwortlichen zunächst nach Hause, allenfalls mit einem kleinen Umweg zum örtlichen Pub. Gezählt wird nämlich erst ab Samstagvormittag, zunächst die Stimmen für die Kommunalvertretungen, am Sonntag dann auch die Voten fürs Europaparlament. Bis ein endgültiges Ergebnis vorliegt, vergehen auf der Grünen Insel oft Tage. Das liegt am System der "single transferable vote" (STV), einem Präferenzwahlsystem: Statt eines Kreuzes beim jeweiligen Kandidatennamen vergeben die Abstimmenden Noten von 1 abwärts.

"Fundament der Gesellschaft"

Lediglich 2100 Kandidatinnen bewarben sich um 949 Mandate, weshalb auch eine Reihe ausgefallener Neu-Politikerinnen Hoffnung auf Erfolg hegen dürfen. Dazu zählte in Galway die knapp 90-jährige Margaretta D'Arcy, eine altgediente Friedens- und Umweltaktivistin, die sich erstmals um einen Sitz im Stadtrat bewarb: Dieser sei schließlich "das Fundament der Gesellschaft". Hingegen strebte eine Vielzahl von Irinnen an die Brüsseler Fleischtöpfe. Im Wahlkreis Midlands-Nordwesten, wo fünf Mandate vergeben werden, standen 27 Namen auf dem Stimmzettel, der deshalb 73 Zentimeter lang war.

Den Koalitionsparteien – der konservativen Fine Gael von Premier Simon Harris, der nationalliberalen Fianna Fáil sowie den Grünen – sagten die Demoskopen schwere Einbußen voraus. Das liegt an der Wohnungsnot sowie zunehmend in der Öffentlichkeit diskutierten Problemen mit Migration in dem einst als besonders gastfreundlich geltenden Land. Immer wieder ließ die Regierung in den vergangenen Wochen Zeltstädte von Asylwerbern in der Dubliner Innenstadt räumen. Auch gegenüber den 2022 großzügig aufgenommenen Flüchtlingen aus der Ukraine ist die Rhetorik rauer geworden.

Erstmals standen viele Kandidaten mit fremdenfeindlichen Ansichten auf dem Wahlzettel; weil die extreme Rechte untereinander zerstritten ist, dürften aber nur wenige den Sprung in die Kommunalparlamente oder gar nach Brüssel schaffen. (Sebastian Borger aus London, 7.6.2024)