Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Donnerstag im Bundestag eine Verschärfung bei der Abschiebung von Straftätern angekündigt.
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Die jüngste Meldung ist erst ein paar Tage alt. Das Taliban-Regime in Afghanistan hat mehr als 60 Menschen in einem Sportstadion öffentlich auspeitschen lassen. Den 14 Frauen und 49 Männern wurden unter anderem homosexuelle Handlungen, Diebstahl und andere in den Augen der Islamisten "moralische Verbrechen" vorgeworfen.

Die Vereinten Nationen beklagen seit der Machtübernahme der Taliban vor knapp drei Jahren eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen, von psychischer und physischer Folter über Todesfälle im Polizeigewahrsam bis hin zu außergerichtlichen Hinrichtungen.

Der Wunsch, Straftäter dorthin abzuschieben, ist nicht neu, nun aber im Zuge des Attentats von Mannheim von rechtskonservativer Seite zu sozialdemokratischen Politikern in Deutschland und Österreich übergeschwappt. Jetzt kündigen auch SPD-Kanzler Olaf Scholz und die österreichische SPÖ an, Schwerstkriminelle nach Afghanistan abschieben zu wollen.

Klare rechtliche Grundlagen

Damit wird der Eindruck erweckt, vorher habe einfach der Wille gefehlt, konsequent abzuschieben. Doch hier geht es um klare rechtliche Grundlagen: Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Abschiebungen in Länder, in denen Folter, unmenschliche Behandlung oder schwere Menschenrechtsverletzungen drohen – ausnahmslos.

Selbst wenn die Menschenrechtslage es zulassen würde, müsste man den islamistischen Taliban einiges dafür bieten, damit sie ein Rücknahmeabkommen akzeptieren. Damit einhergehen würden Verhandlungen mit einem menschenverachtenden Regime, dem man dadurch internationale Legitimation verschafft und mit dem man derzeit – zu Recht – keinerlei diplomatische Beziehungen unterhält. Dass dem Attentäter von Mannheim dort wirklich eine harte Strafe droht, kann außerdem bezweifelt werden, immerhin sind die herrschenden Taliban radikale Islamisten. Viele Menschen aus Afghanistan sind genau vor dieser Art von Extremismus geflüchtet.

Auf Abkommen mit Drittstaaten wie Pakistan auszuweichen lehnen die Taliban ab, sie fordern eine bilaterale Vereinbarung. Die Ankündigung von Abschiebungen nach Afghanistan bleibt wohl also nichts als heiße Luft.

Blick auf Wählerstimmen

Verstöße gegen internationales Völkerrecht in Kauf zu nehmen, um eine unrealistische Forderung mit dem Blick auf Wählerstimmen zu verbreiten, ist eine politische Bankrotterklärung von Parteien, die sich eigentlich als sozialdemokratisch verstehen.

Generell spricht nichts dagegen, immer wieder zu evaluieren, ob sich die Sicherheitslage in bestimmten Herkunftsländern verändert, und es ist auch verständlich, dass die deutsche Regierung nach dem Angriff in Mannheim Handlungsfähigkeit demonstrieren will. Dabei muss sie aber realistisch bleiben und sollte bei der Bevölkerung wenige Tage vor der EU-Wahl keine Erwartungen schüren, die gar nicht erfüllbar sind. Viel wichtiger wäre, deutlich zu machen: In einem Rechtsstaat gelten gewisse Grundsätze, und das ist auch gut so. Dazu gehört nun mal, dass Menschenrechte für alle gelten, auch für Straftäter.

Solch populistische Äußerungen zu Abschiebungen nach Afghanistan tragen dazu bei, dass der ohnehin schon vergiftete Diskurs beim Thema Flucht und Migration noch weiter nach rechts kippt und noch mehr Menschenverachtendes sagbar wird. Darunter leiden Geflüchtete aus Afghanistan, die sich nichts zuschulden kommen haben lassen – und der gesellschaftliche Zusammenhalt. (Noura Maan, 7.6.2024)