Milch steht bei vielen Menschen in unseren Breiten auf dem Speiseplan: in Form von Käse, Joghurt oder schlicht in flüssiger Form als Trinkmilch oder im Kaffee. Fragt man die Konsumenten und Konsumentinnen, denken die meisten dabei an Kuh. Das ergab zumindest eine Umfrage im Auftrag der AMA-Marketing. Milch kommt bei 42 Prozent sogar täglich auf den Tisch.

Was sich die Menschen wünschen, subsumiert die Umfrage unter dem Punkt "Natürlichkeit", erklärte Martin Greßl am Donnerstag vor Journalisten. Greßl verantwortet im AMA-Marketing das Qualitätsmanagement. Zur Natürlichkeit gehörten natürlicher Geschmack sowie der Verzicht auf künstliche Farb- und Konservierungsstoffe. Bei 67 Prozent steht Ersteres, bei 63 Prozent Letzteres ganz oben auf der Prioritätenliste. In der Rangliste folgt an dritter Stelle die regionale Herkunft. Noch vor der Gentechnikfreiheit kommt der Wunsch nach artgerechter Tierhaltung, der günstigste Preis ist nur gut einem Viertel der Befragten das Allerwichtigste.

Auf einer Kuhweide wird Milch aus einer Milchflasche in ein Glas eingeschenkt. 
So idyllisch hätten es die Konsumenten und Konsumentinnen gern, wenn es um die landwirtschaftliche Produktion geht.
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Doch was ist drin, wenn das Milchpackerl oder die Milchflasche auf den Tisch kommt? Rund 22.400 Milchviehbetriebe haben in Österreich Kühe im Stall. Bei 1450 von ihnen sind es mehr als 50. Meistens sind es Kleinbetriebe, oft im Nebenerwerb und häufig in Bergbauregionen, die sich die Mühe mit der Milchviehwirtschaft noch antun. Zweimal melken pro Tag, 365-mal im Jahr: Für die Landwirte ist das kein Honiglecken, sagt auch Anna Klinger, Milchbäuerin aus Rohrbach an der Gölsen im Bezirk Lilienfeld in Niederösterreich.

Klinger zählt zu den Kleinen, die Landwirtschaft führt ihre Familie im Nebenerwerb. Und sie hat ihren Betrieb umgestellt. Ihre Milch wird unter dem neuen AMA-Gütesiegel-Modul "Tierhaltung plus" an die Molkerei geliefert. 100.000 Liter liefern die Kühe im Jahr, 8000 Liter gibt die Kuh im Schnitt. Um fünf in der Früh ist Tagwache. Die Kühe wollen gemolken werden. "Geht es dem Bauern gut, geht es der Kuh gut", sagt Klinger, die auch ÖVP-Vizebürgermeisterin in ihrer Gemeinde ist. Am Donnerstag referiert sie, was sich für sie mit dem Umstieg auf das AMA-Modul Tierhaltung plus geändert hat: Dazu gehören etwa Kratzbürsten für die Tiere, an mindestens 120 Tagen (90 Tage sind es im konventionellen Bereich bislang) müssen sie sich frei bewegen dürfen – auf der Weide oder im Stall. Rund 74 Prozent der Milchmenge werden hierzulande in Laufställen gemolken, in denen sich die Tiere ganztägig bewegen können.

Mehr Tierwohl

Mit Jahresende 2023 liefen die Ausnahmen für Betriebe mit dauernder Anbindehaltung in AMA-Gütesiegel-Milchviehbetrieben aus. Bei Neubauten ist diese Haltungsform via Tierschutzgesetz schon lange verboten. Mit dem Modul Tierhaltung plus will man die Landwirte dafür gewinnen, die Standards zu erhöhen. Damit verbunden sind etwa auch ein erweitertes Tiergesundheitsmonitoring und der Verzicht auf Palmöl bei den Futtermitteln.

Ganz ohne Druck erfolgt die Umstellung nicht. Im wichtigen Exportland Deutschland ändern sich die Spielregeln, das trifft auch die österreichischen Produzenten. Diskonter wie Aldi und Lidl verbannen niedrigere Haltungsstufen für immer mehr tierische Produkte. Wer weiter liefern will, muss mitziehen. Das trifft die Milchwirtschaft. Jeder vierte in Österreich erzeugte Liter geht nach Deutschland. Um in das (freiwillige) System der deutschen Handelsriesen zu passen – die Haltungsform wird in vier Stufen mit wachsenden Anforderungen an die Tierhaltung angezeigt –, hat man in Österreich das staatliche AMA-Gütesiegel durch das Modul Tierhaltung plus adaptiert. Es passt zur deutschen Haltungsstufe 2. Die AMA erwartet, dass rund 10.0000 Milchviehbetriebe mitmachen. Derzeit sind die heimischen Molkereien dabei, die neuen Standards umzusetzen.

Es gab und gibt bei den Betrieben durchaus Diskussionsbedarf, sagt Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung der Österreichischen Milchverarbeiter (VÖM). Aber man bereite die Einführung schon lange und intensiv vor - und "an höheren Standards" führe kein Weg vorbei. Noch zahle der Konsument die kleinen Schritte im Tierwohl nicht, "trotzdem ist das alternativlos". (Regina Bruckner, 6.6.2024)