Bundeskanzler Nehammer und Wirtschaftsminister Martin Kocher mit weiteren Personen an einem Tisch sitzend.
Runder Tisch zu Technologieoffenheit: Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer lud ins Bundeskanzleramt.
Foto: APA / Helmut Fohringer

Was die ÖVP im Interesse des Landes dringender bräuchte als alles andere, wäre eine Renaturierung auf den Stand vor der innerparteilichen Machtergreifung durch Sebastian Kurz. Stattdessen hat sie sich mit ihrem Gemurkse und Gefurze um Verbrenner und E-Fuels wieder einmal einer Versiegelung dieses Ungeistes hingegeben, und das unter Benützung der Räumlichkeiten des Bundeskanzleramts für eine mit einigen Fachleuten garnierte Parteiveranstaltung. Die zuständige Verkehrsministerin und Koalitionspartnerin von der Teilnahme an diesem Tagesereignis auszuschließen erzählt von Torschlusspanik vor dem Wahltag, aber nicht von einer Partei mit einem Verantwortungsbewusstsein, das über diesen Termin hinausreicht. Mit Karl Nehammer technologieoffen auf dem Marsch in die Vergangenheit ist ihre Leitkultur für die Zeiten einer drohenden Klimakrise, wobei man die Windmühlen, die zu bekämpfen man vorgibt, erst selber errichten musste, wie die an den Tatsachen leicht vorbeilaufende, aber in gusseiserner Rhetorik vorgetragene Argumentation verrät.

Fax, Telefonzellen, Pferdekutschen

Besonders überzeugend war es, die Forderung nach ewigem Verbrennerschutz mit dem Hinweis zu untermauern, Fax, Telefonzellen und Pferdekutschen wären mit ihrem technologischen Auslaufen ja auch nicht verboten worden. Damals hat sich niemand an den klimaschädlichen Miasmen von Telefonzellen gestoßen, nur die Fiaker mussten leichte Umweltauflagen ertragen.

Wissenschaftlich untermauerte Hinweise auf die dramatischen Klimaveränderungen, die uns bevorstehen, als ideologische Verbissenheit zu denunzieren, um sich als Interessenvertreter einer Autolobby präsentieren zu können, verrät die geistige Nähe zu einer Partei, die Pandemien mit Abführmitteln bekämpft sehen will, und eben das sollte der Verbrennergipfel ja verraten. Ob man mit dieser intellektuellen Anbiederung doch noch einige Stimmen von der FPÖ zurückholen kann oder nicht mehr davon an sie abgibt, weil es ohnehin egal ist, wird demnächst sichtbar. Ärgerlich, dass das 2035 aktuell werdende Thema in der vorgestrigen TV-Runde zur EU-Wahl Zeit von wichtigeren Themen abzog.

"Er studierte erst Geschichte und Musik, danach Machtausübung an der Fachhochschule Erwin Pröll."

Und doch gibt es in diesen Tagen ein leichtes Anzeichen für die Chancen einer Renaturierung der Volkspartei. Wolfgang Sobotka will "selbstbestimmt aus der Politik ausscheiden und nicht darauf warten, dass andere mir sagen, ich soll gehen". Sobotka war einer der Steigbügelhalter von Sebastian Kurz, maßgeblich beteiligt an der Demolierung der rot-schwarzen Koalition, was ihm den Aufstieg vom nicht zimperlichen Innenminister zum auch nicht zimperlichen Präsidenten des Nationalrates eröffnete. Er studierte erst Geschichte und Musik, danach Machtausübung an der Fachhochschule Erwin Pröll. Als Gärtner hatte er einmal Kontakt zum englischen Thronfolger, heute König, was in seinem politischen Wirken keine erkennbaren Spuren hinterließ. Aus der FPÖ war zu hören: "Sobotka geht, Österreich atmet auf", was übertrieben ist. Die Selbstbestimmtheit seines Ausscheidens war davon beeinflusst, dass Johanna Mikl-Leitner ihn nicht mehr auf die niederösterreichische Landesliste setzte und dass die Hoffnung, vom zweiten Mann im Staat zum ersten aufzusteigen, vom APA-Vertrauensindex getrübt wurde, wo er mit Herbert Kickl um den letzten Platz ritterte. Renaturierung heißt auch, Opfer zu bringen. (Günter Traxler, 7.6.2024)