Olaf Scholz im deutschen Bundestag
Tödliche Gewalt gegen Polizisten solle hart bestrafen werden, so Scholz.
APA/dpa/Michael Kappeler

Berlin – Nach dem Attentat von Mannheim hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Rede im Bundestag eine harte Linie gegen radikale Islamisten angekündigt und ein Machtwort in der Ampel-internen Debatte um die Abschiebung von Straftätern aus Afghanistan und Syrien gesprochen. "Wer einen Polizisten tötet, der muss auf das Härteste bestraft werden", sagte Scholz am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. "Wir stehen hinter unserer Polizei." Der Rechtsstaat werde sich gegen "Terror" radikaler Islamisten mit allen Mitteln wehren. "Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien oder Afghanistan stammen", fügte Scholz hinzu. "Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren." In solchen Fällen wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.

Scholz verwies darauf, dass das deutsche Bundesinnenministerium nach "rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen" suche, wie man die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan ermöglichen könne. Das Ministerium sei auch mit Nachbarländern Afghanistans im Gespräch. In der Ampelregierung fordern SPD- und FDP-Politiker Abschiebungen auch nach Afghanistan, die Grünen sehen dies skeptisch. Die Ausweisungsregelungen würden so verschärft, dass auch die Billigung terroristischer Straftaten als schwerwiegendes Ausweisungsgrund eingestuft werde, sagte Scholz.

"Jede und jeder muss in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können", betonte der SPD-Politiker. "Das ist das zentrale Versprechen unseres Rechtsstaats. Und dieses Versprechen setzen wir mit aller Macht durch." Die Regierung werde das Strafrecht gezielt nachschärfen. Auch wer Politiker oder Politikerinnen etwa auf kommunaler Ebene bedrohe oder beleidige, müsse härter bestraft werden.

Debatte nach Messerangriff in Mannheim

Ein Afghane hatte am vergangenen Freitag in Mannheim in Südwestdeutschland fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamfeindlichen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der Beamte erlag später seinen Verletzungen. Der Angriff löste eine Debatte über eine Lockerung des Verbots von Abschiebungen nach Afghanistan aus.

Seit der Machtübernahme durch die islamisch-fundamentalistischen Taliban in Kabul im August 2021 schickt Deutschland niemanden mehr nach Afghanistan zurück. Schon in der Zeit davor hatte man sich wegen der damals schon schwierigen Sicherheitslage darauf verständigt, nur Männer – und vor allem Straftäter und sogenannte Terrorgefährder – unter Zwang nach Kabul zu bringen.

Obwohl die gesetzlichen Hürden für die Abschiebung von potenziellen Gefährdern niedriger sind als bei anderen Ausreisepflichtigen, gibt es rechtliche und praktische Schwierigkeiten. Auch weil Deutschland die Taliban-Regierung Afghanistans offiziell nicht anerkennt.

Nehammer will enge Zusammenarbeit mit Deutschland

"Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei", sagte Oppositionsführer Friedrich Merz. "Die Menschen erwarten, dass wir handeln. Sie erwarten Entscheidungen. Sie warten auf eine klare, unmissverständliche Antwort der Politik", ergänzte der CDU-Chef. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel gab der Regierung eine politische Mitverantwortung für den tödlichen Messerangriff. Der Polizistenmörder sei ein Musterbeispiel für das migrationspolitische Versagen dieser Regierung und ihrer CDU-geführten Vorgänger, sagte Weidel.

Mit den Grünen ist einer der beiden Koalitionspartner der SPD skeptisch, ob die Abschiebungen wirklich möglich sind. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock befürchtet, dass abgeschobene Islamisten auch von dort aus Terroranschläge planen könnten. Der grüne Abgeordnete im Europaparlament Erik Marquardt bezeichnet die Forderungen von Scholz als "populistisch" und kritisiert, dass Abschiebungen nach Afghanistan Islamismus unterstützen würden.

Die ebenfalls regierende FDP unterstützte hingegen einen schärferen Kurs bei Abschiebungen. "Wer hier bei uns islamistisch motivierte Straftaten begeht, von Volksverhetzung und Judenhass bis hin zu schweren Gewalt- und Tötungsdelikten, bedarf offenkundig keines Schutzes vor islamistischen Regimen", sagte Fraktionschef Christian Dürr.

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer kündigte in einer Stellungnahme an, in dieser Frage eng mit Deutschland zusammenarbeiten zu wollen. Der ÖVP-Chef forderte die Schaffung rechtlicher Möglichkeiten für Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan und Syrien. "Das Sicherheitsinteresse unserer Länder wiegt schwerer als das Schutzinteresse der Täter", sagte Nehammer. In ein ähnliches Horn stießen Innenminister Gerhard Karner und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP). FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer ortete angesichts der "drohenden Wahlniederlage eine PR-Show" der Volkspartei. (APA, Reuters, 6.6.2024)