Dass Österreich 1995 der EU beigetreten ist, war für den damaligen Kanzler Franz Vranitzky vor allem eine ökonomische Notwendigkeit: "Zwei Drittel unserer Außenwirtschaft wurden mit der EWG abgewickelt."
Heribert Corn

Am 12. Juni ist der 30. Jahrestag der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs. Franz Vranitzky war von 1986 bis 1997 der Bundeskanzler, der das Land nach Europa geführt hat. Vor der EU-Wahl zieht er Bilanz: was ihn motivierte, was gutes Regieren kennzeichnet, was der Politik heute fehlt. Der 86-Jährige, der den Abschluss des Staatsvertrags 1955 als Maturant erlebt hatte, erklärt auch, was das Wichtigste war, das er als Regierungschef bewirkt hat – "den Rechten standzuhalten". Sonst hätte alles andere "keine Seele" gehabt, die Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.

STANDARD: Sie haben Österreichs lange Integration ins gemeinsame Europa seit der "Stunde null" 1945 erlebt, als Bundeskanzler ab 1986 den Weg zum EU-Beitritt geebnet. Was kennzeichnet diesen Prozess?

Vranitzky: Der Zweite Weltkrieg mit all seinen Katastrophen und Erschütterungen hat einen Großteil der Bevölkerung sehr, sehr bewegt, innerlich. Daher war der Staatsvertrag 1955 eine Beruhigung, um nicht zu sagen eine Erfüllung vieler Wünsche. Zentral war der Wunsch, dass man so wie die Schweiz nie mehr einen Krieg erleben will.

"Österreich ist frei!"

STANDARD: Friedenssehnsucht und Neutralität als Antrieb bis heute?

Vranitzky: Ja, es gab nach dem Krieg auch noch die Angst – vor allem in den Städten, in Wien und Umgebung. Diese Angst im Krieg, vor Bombenangriffen, das Laufen um sein Leben in Luftschutzkeller prägte sich ein. Die Besatzungsmächte waren im Land. Und in den ersten Jahren nach 1945 gab es zudem eine ziemlich prekäre Versorgungslage. Daher war der Mai 1955, der Ausruf "Österreich ist frei!" von Leopold Figl, nicht nur einfach eine eindringliche Anmerkung eines Außenministers. Dieses Freisein, das hat der Großteil der Bevölkerung tief verspürt, in sich aufgenommen.

STANDARD: Haben Sie persönliche Erinnerungen daran?

Vranitzky: Ich war nicht dabei in der Masse vor dem Belvedere im Park. Das war ein Sonntag. Wir hatten am Montag danach schriftliche Lateinmatura. Nach der Matura kam das Wechseln zur Universität, das Eintreten in die Arbeitswelt. Ich war im Bankwesen, dann in Politiknähe, später in der Regierung. Alle diese drei Tätigkeiten haben mich sehr rasch hingeführt zur Frage: Was geht im Ausland vor, welche Auswirkungen hat das auf Österreich? Wie müssen wir uns dabei verhalten?

Die Österreicher seien nach dem Krieg von Angst geprägt gewesen, einer Sehnsucht nach Freiheit und Frieden, die mit dem Staatsvertrag 1955 erfüllt wurde. Jahrzehnte später war das auch Basis für die EG-Integration.
Heribert Corn

STANDARD: Welche Rolle spielte die Modernisierung unter Bruno Kreisky von 1970 bis 1983?

Vranitzky: Das hat meine Haltung zu Europa geprägt. Kreisky hat etwa bei seinen Reden immer einen großen Teil den internationalen Zusammenhängen gewidmet. Aber das eigentlich Entscheidende war für mich die wirtschaftliche Verflechtung. Ich habe in meiner Zeit als Finanzminister ab 1984 begonnen, darüber nachzudenken, was die nächsten Schritte sind. Dabei wurde ich durch Zurufe aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut unterstützt, aus der volkswirtschaftlichen Abteilung der Nationalbank. Alle waren der Meinung, man müsse das ernst nehmen, bei der EWG, wie sie damals noch hieß, dabei zu sein. Ich wollte dafür Belege, Beweise. Zwei Drittel unserer Außenwirtschaft wurden mit den damals zwölf EWG-Mitgliedsstaaten abgewickelt. Ganz wichtig: Beschlüsse der zwölf haben uns unmittelbar betroffen – aber weil wir draußen waren, wurden wir de facto diskriminiert. Die Erleichterungen, die sie untereinander hatten, haben uns nichts genützt.

STANDARD: Das hat Sie überzeugt?

Vranitzky: Ja, und die Kriegsangst, das europäische Friedensprojekt. Ich habe dazu sehr viel bei den Gründervätern nachgelesen. Die haben schon in den 1940er-Jahren darüber nachgedacht: Wie vermeiden wir in Zukunft Krieg, den dritten Weltkrieg? So kam es zur Gründung der Montanunion.

Was macht gutes Regieren aus? "Lernen und erklären", sagt der Altkanzler, "man muss wissen, worum es in der Sache geht. Und dann muss man es den Menschen erklären. Wenn man etwas nicht erklären kann, geht es schief."
Heribert Corn

STANDARD: Jean Monnet, Schuman, Adenauer, de Gaulle.

Vranitzky: Wenn man sich damit beschäftigt, kriegt man sehr viel mit, was in Europa an Problemen und an Problemlösungen, an positiven Auswirkungen drin ist. Adenauer ist ein Stichwort. Er musste in Deutschland den Beitritt zur Montanunion vertreten, die darauf ausgerichtet war, dass Deutschland keinen Krieg mehr anzetteln kann. Mit all meinen Erkenntnissen bin ich in den Parteivorstand der SPÖ gegangen und habe gesagt: Freunde, ich habe viel Material gesammelt, da liegt eine ernsthafte Überlegung nahe, dass wir uns einen EG-Beitritt überlegen.

STANDARD: Wie war die Reaktion?

Vranitzky: Es war ungefähr so, als hätte ich einen Schneeball zum Grillen aufgelegt. Es kamen die üblichen Einwände, dass das einem Anschluss an Deutschland nahekäme, was laut Staatsvertrag verboten sei. Es käme automatisch zur Mitgliedschaft in der Nato. Und wir müssten dann die Neutralität aufgeben. Ich habe dann gesagt: Überlegt euch das. Schrittweise ist die Überzeugung gelungen.

"Delors hat mir die Augen geöffnet"

STANDARD: Sie waren mit dem Verstaatlichtenminister Ferdinand Lacina damals bei einer Tagung in Paris, wo Jacques Delors das neue Konzept des Binnenmarkts und der künftigen Währungsunion vorgestellt hat. Welchen Einfluss hatte das?

Vranitzky: Das hat mich bestärkt und geprägt. Eine Episode dazu: Auf dem Flughafen in Zürich gab es damals Hinweisschilder, wie man weiterzugehen hat. Da gab es einen Gang nach Westeuropa und in die USA. Der andere Pfeil hat die Richtung nach Österreich, Israel und Ostblock angezeigt. Das hat mich geärgert, dass wir dem Ostblock zugezählt werden. Das Treffen mit Delors hat mir schon die Augen geöffnet.

STANDARD: Ab 1986 gab es innenpolitisch eine Menge Hürden für eine EWG-Annäherung. Die verstaatlichte Industrie stand vor der Pleite. Jörg Haider wurde Parteichef der FPÖ, die damals mit der SPÖ unter Ihrer Führung in der Regierung war. Kurt Waldheim wurde Bundespräsident, kam wegen seiner Kriegsvergangenheit auf die US-Watchlist. Wieso trotzdem die Weitsicht, was den EG-Beitritt betrifft?

Vranitzky: Ich habe immer gut zugehört. Meine Mitarbeiter sind oft zu mir gekommen und haben mir ein Problem geschildert. Meine Reaktion war stets zu fragen: Und was machen wir jetzt konkret? Wozu sind wir verpflichtet oder angehalten? Die Stahlkrise 1984/85, die die Voest erwischt hat, hat mich zu diesen Veränderungen veranlasst.

STANDARD: Was macht gutes Regieren aus?

Vranitzky: Ich habe dafür zwei Zeitwörter: lernen und erklären. Man muss wissen, worum es in der Sache geht. Und dann muss man es den Menschen erklären. Wenn man etwas nicht erklären kann, geht es schief.

Altkanzler Franz Vranitzky beim Eingang zur früheren Kreisky-Villa, die heute als Sitz des Bruno-Kreisky-Forums dient. Er ist dessen Präsident.
Heribert Corn

STANDARD: Warum ist es gelungen, mit der ÖVP diese wichtigen Projekte umzusetzen, die Verstaatlichte zu sanieren?

Vranitzky: Man muss hartnäckig dranbleiben. Nicht umfallen, sich nicht verbiegen lassen. Und wenn eine Sitzung ohne Ergebnis ist, gleich wieder den nächsten Sitzungstermin vereinbaren.

STANDARD: Ein großes Thema waren Jörg Haider und die FPÖ. Sie haben 1986 die Fortsetzung der SPÖ-FPÖ-Koalition abgelehnt, sind bei der Wahl nur knapp Erster geworden vor der ÖVP. Riskant. Warum haben Sie das damals so überzeugt gemacht?

Vranitzky: Ich habe es immer wieder gesagt und erklärt: weil Haider sich nicht vom nationalsozialistischen Gedankengut trennen konnte. Er erwähnte es oft genug, denken Sie an den Spruch von der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich" oder die Aussagen am Ulrichsberg und zur Waffen-SS. Ich hätte mir nicht vorstellen wollen, vor die eigene Partei, die SPÖ, hinzutreten und zu sagen: Ich habe jetzt mit jemandem ein Regierungsabkommen abgeschlossen, der immer noch eine Nähe hat zu denen, die unseren Vorfahren und unserem Land so viel angetan haben. Das geht nicht. Das ist es.

"Haider war nicht erfolgreich"

STANDARD: Die FPÖ liegt in Umfragen inzwischen bei fast 30 Prozent Wählerzuspruch. War die Abgrenzung richtig?

Vranitzky: Ich höre oft, so wie bei Sebastian Kurz auch, dass Haider ein großes politisches Talent gewesen sei und sehr erfolgreich. Die Wahrheit ist, er war nicht erfolgreich. Am Montag nach dem Parteitag in Innsbruck, wo er Parteiobmann wurde, ist die FPÖ aus der Regierung rausgeflogen. Er hat immer erklärt, er wird der nächste Bundeskanzler sein. Wurde er nicht. Er war der erste und einzige Landeshauptmann, der jemals auf Beschluss der Bundesregierung sein Amt verlassen musste. Er hat mit der Hypo Alpe Adria einen milliardenschweren Flop hinterlassen.

STANDARD: Was ist Ihre aktuelle Bilanz zu Österreich in der EU, nach bald 30 Jahren Mitgliedschaft? Ein großer Erfolg? Warum die Skepsis im Land?

Vranitzky: Die Zustimmung zum Beitritt 1994 war großartig, 66 Prozent bei der Volksabstimmung. Die Begeisterung war da. Aber ich meine, ungefähr seit der Jahrtausendwende haben die Regierungen – nicht nur in Österreich – aufgehört, eine fortgesetzte, kontinuierlich aktive Europapolitik zu betreiben, mit der sie die Bevölkerung mitnehmen.

Fingerspitzengefühl. Lernen und erklären, sagt der Altkanzler, seien für einen Regierungschef das Um und Auf. Man müsse wissen, worum es in der Sache geht, und es dann den Menschen erklären. Wenn das nicht gelinge, gehe es schief.
Heribert Corn

STANDARD: Da sind Sie wieder beim Lernen und Erklären.

Vranitzky: Ja, zum Beispiel: Was ist der Binnenmarkt? Warum erschöpft sich der Wert einer gemeinsamen Währung nicht nur darin, dass man nach Italien fährt und sich keine Lire kaufen muss? Oder 2008, 2009 bei der weltweiten Finanzspekulation: Eine kleine Währung wie der Schilling wäre weggeputzt worden. Viele Beispiele.

"Wir und die EU" statt "Wir in der EU"

STANDARD: Schauen die Regierungen wieder zu wenig über den Tellerrand?

Vranitzky: In Österreich sind viele Politiker, leider auch Regierungspolitiker, wieder zurückgefallen in eine Art nationalstaatliches Denken. Am Wir-Gefühl ist nicht gearbeitet worden. Es heißt immer noch "Wir und die EU" statt "Wir in der EU".

STANDARD: Beim EU-Referendum 1994 hat es geheißen "Wir sind Europa".

Vranitzky: Man muss das herausarbeiten. Viele beklagen, wir hätten unsere Souveränität teilweise aufgegeben. Das haben wir auch. Das ist das Wesen der Integration. Aber durch die Gemeinsamkeit und durch die Integrationsschritte wurde eine neue Souveränität gewonnen. Das ist vielen nicht bewusst. Ich glaube, da ist die Führungsaufgabe nicht oder nicht ausreichend wahrgenommen worden. Worum geht es? Um das internationale Bild. Es geht um Wettbewerb. Es geht um Vorteile des Großen gegenüber dem Kleinen. Ja, es geht um weltpolitische Ereignisse, in denen wir mittendrin sind. China, Indien, USA, Russland. In diesem Umfeld müssen wir bestehen.

STANDARD: Davon war im Wahlkampf wenig die Rede.

Vranitzky: Im Wettbewerb der Kontinente braucht man Stärke. Wenn wir das nicht verstehen, bleiben wir übrig. Stärke erreichen wir nur durch Zusammenarbeit. Dieses "Österreich zuerst", wie die Freiheitlichen es verstehen wollen, unter uns bleiben, keine anderen Menschen oder Kräfte oder Ideen aus anderen Ländern zulassen, das kann dazu führen, dass Österreich zuerst in den Abgrund stürzt.

STANDARD: Die Rechtspopulisten wollen die Union rückabwickeln – auch Grundrechte, die Charta. Ist eine Rückabwicklung überhaupt möglich, eine Abkehr von Demokratie?

Vranitzky: Diese Fragen beschäftigen mich sehr. Es ist immer schlecht, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Man muss heute schon auf die Aufgabenstellungen und auf die Erfüllung der Aufgaben von morgen drängen. Das ist etwa die Teuerungsbekämpfung. Ja, da ist überhaupt die ganze Industrie einmal durchzudenken auf einer gemeinschaftlichen Ebene. Man kann ja nicht ignorieren, dass der sogenannte Globale Süden industriell und wirtschaftlich im Allgemeinen für uns ein großer Wettbewerber ist. Man darf nicht ignorieren, dass der Klimawandel sehr stark mit ökonomischen und auch mit beschäftigungspolitischen Problemen einhergeht und man sich ihm daher widmen muss.

Franz Vranitzky: "Europapolitik beginnt zu Hause und beginnt nicht in Brüssel."
Heribert Corn
"Europapolitik beginnt zu Hause"

STANDARD: Sie haben einmal gesagt, dass es eigentlich keine EU-Krise gibt, sondern eine Krise der EU-Mitgliedsstaaten. Wie ist das gemeint?

Vranitzky: Europapolitik beginnt zu Hause und beginnt nicht in Brüssel. Man müsste einmal die Organe der EU sorgfältig dahingehend überprüfen, wie das politische Zusammenspiel zwischen den Regierungschefs auf der einen und der Kommission auf der anderen Seite funktioniert. Und last but not least natürlich unter Hinzufügung des Europäischen Parlaments. Es braucht den Rückhalt in der Bevölkerung, wenn man zu Verhandlungen auf EU-Ebene geht. Es soll nicht vorkommen, dass die Regierungschefs oder irgendein Minister bei einem Rat oder einer Maßnahme zustimmt, von der er nicht sicher ist, dass sie zu Hause ankommt. Und er oder sie sich dann davon wieder absetzt.

STANDARD: Kommen wir zum aktuell größten Problem, dem Krieg in der Ukraine. Vom Ausgang des Krieges wird abhängen, wie es weitergeht in Europa. Hat sich Ihr Bild von der Sicherheitspolitik und der Neutralität geändert?

Vranitzky: Da wird sich Europa, mittendrin Österreich, sehr intensive Gedanken machen müssen. Es ist sicher eines der schwierigsten Kapitel überhaupt, gerade auch in Österreich, wo oft gesagt wird: Es ist schwierig, aber uns wird schon nichts passieren. Eine Hagelversicherung kann man nicht abschließen, wenn es schon hagelt. Auf die Neutralität als Sicherheitsgarantie zu bauen und die Hände in den Schoß zu legen und gar nichts zu tun, das wird nicht ausreichen.

Die Neutralität muss Österreich nicht aufgeben, sagt Vranitzky, aber die Hände in den Schoß zu legen reiche nicht. Sicherheitspolitik sei im Rahmen der Beistandspflicht der EU zu entwickeln.
Heribert Corn

STANDARD: Was tun?

Vranitzky: Es ist vollkommen klar, dass wir die Neutralität bewahren sollen. Das ist uns auch gesetzlich aufgetragen. Aber ich meine, wir sollten darüber nachdenken, wie wir unter grundsätzlicher Beibehaltung der Neutralität uns auf Basis der EU-Beistandspflicht so ausrichten, dass wir sagen können, wir sorgen für unsere Sicherheit und werden dabei auch ernst genommen. Die Beistandspflicht hat wenig Sinn, wenn wir nicht ernst genommen werden. Wenn das gelingt, überzeugend ist und man die Bevölkerung mitnimmt, dann ist man einen Schritt weiter.

"Mit aller Kraft"

STANDARD: Sie blicken auf ein langes politisches Leben zurück. Worauf kommt es vor allem an, wenn man regiert, Verantwortung für ein ganzes Land hat?

Vranitzky: Ich habe einmal zu Bundeskanzler Fred Sinowatz gesagt: Ich mache dir jetzt den Finanzminister, wie lange, weiß ich nicht, aber befristet. Und dann gehe ich wieder zurück in meinen zivilen Beruf. Der Sinowatz hat mich milde angelächelt, aber sonst nichts dazu gesagt. Und dann ist er gekommen mit der Andeutung, dass ich einmal alles übernehmen könnte. Da habe ich für mich selbst den Beschluss gefasst, und das ist der springende Punkt in meinem Leben: Übernimm nichts, noch dazu eine so hohe Funktion, und denke dabei an etwas anderes. Wenn man in einer politischen Funktion drinnen ist, dann muss man sich ihr mit aller zu Gebote stehenden Kraft widmen, muss alles geben.

Das Gespräch mit Vranitzky fand in der Bibliothek im Bruno-Kreisky-Forum statt, dem früheren Wohnhaus des Kanzlers der 1970er-Jahre. Sein Nachnachfolger ist Präsident des Forums.
Heribert Corn

STANDARD: Wie wichtig ist Anstand?

Vranitzky: Ganz wichtig. Weil Anstand Verlässlichkeit erzeugt. Wenn einer überzeugt ist, dass man anständig ist, dann ruft der einen an, wenn er was nicht kann oder nicht zusammenbringt, weil er sich sagt, auf den kann ich mich verlassen.

STANDARD: Wenn Sie auf Ihre eigene Amtszeit schauen, was war das Wichtigste von all den Dingen, die Sie in Ihrer Regierungszeit gemacht haben, EU-Beitritt, Aussöhnung mit Israel, die ökonomische Sanierung des Landes?

Vranitzky: Den Rechten standgehalten zu haben. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte alles andere keine Seele. Und es hätte vielleicht gar nicht stattgefunden. (Thomas Mayer, 7.6.2024)