Egal bei welcher Wetterlage: Der Juni erstrahlt normalerweise in Regenbogenfarben – denn viele Unternehmen wollen sich mit der Zurschaustellung des Symbols der LGBTIQ-Community solidarisch mit dieser Bevölkerungsgruppe zeigen. Ist damit aber bald Schluss? Bis vor kurzem wurden Firmen noch dafür kritisiert, den Regenbogen aus Image- und Profitgründen zu missbrauchen, ohne echtes Engagement für queere Menschen zu zeigen.

Nun verschwinden die bunten Logos und Produkte aber aus anderen Gründen. Zumindest in den USA gaben große Unternehmen dem Druck von erzkonservativen Gruppen nach, die sich durch Regenbogendesigns belästigt fühlten. So haben laut zahlreichen Medienberichten reaktionäre Aktivisten in Filialen des Discounters Target randaliert und Mitarbeitende angestänkert. Das Unternehmen hat daraufhin Teile seiner Pride-Kollektion zurückgezogen. Störaktionen von erzkonservativen Personen wurden dieses Jahr gegenüber dem Mitbewerber Walmart angekündigt, der ebenfalls ein spezielles Sortiment für den Pride Month anbietet. Ist Ähnliches auch hierzulande zu bemerken, und muss man sich angesichts solcher Entwicklungen vielleicht bald die Zeiten der Lippenbekenntnisse zu Diversität zurückwünschen?

Almdudlerdose, buntes Design mit schwulem Trachtenpaar
Die Almdudler-Pride-Edition aus dem letzten Jahr.
Almdudler

Nein, sagt Lukas Burian, Präsident von Agpro, einem Netzwerk schwuler Unternehmer, Führungskräfte und Menschen in verantwortungsvollen Funktionen in Österreich, und vom Verein Pride Biz Austria, der sich für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender- und intergeschlechtliche Personen in Wirtschaft und Arbeitswelt einsetzt. Er sieht die LGBTIQ-Community als immer relevantere Klientel: Laut einer Ipsos-Studie fühlen sich knapp 20 Prozent der Gen Z dieser Gruppe zugehörig. Dazu kämen diversitätsfreundliche Unternehmen. "Dass sich unter Erzkonservativen dies- und jenseits des großen Teiches deshalb Alarmstimmung breitmacht, ist verständlich", sagt Burian. Aktionen wie bei Target seien aber vergebene Liebesmüh: "Wir sind hier und werden mehr."

Porträtfoto von Lukas Burian
Lukas Burian, Präsident von Agpro und Pride Biz Austria
Lukas Burian

Wenngleich Störaktionen von konservativer Seite in Österreich kaum ein Thema sind, gibt es Kritik an Unternehmen, die sich im Pride Month Juni solidarisch mit der queeren Community zeigen. Almdudler – übrigens im Besitz eines schwulen Mannes – hat in den vergangenen Jahren regelmäßig Pride-Editionen herausgebracht. Die Getränkedosen mit gleichgeschlechtlichen Trachtenpärchen darauf und Accessoires in Regenbogenfarben kamen aber nicht überall gut an. "Was die kritischen Stimmen eint, ist, dass sie ankündigen, unsere Produkte beziehungsweise unsere Marke zu boykottieren", heißt es von Almdudler. Die Kritik werde vor allem über Social Media geäußert.

Hass keine Plattform bieten

Davon können auch die Wiener Linien ein Lied singen. Der städtische Verkehrsbetrieb ist bereits seit 28 Jahren Kooperationspartner der Vienna Pride. Seit 2001 fahren die Straßenbahnen mit Regenbogenfahnen geschmückt durch die Stadt. Dieses Jahr wurden erstmals auch die U-Bahn-Würfel vor der Staatsoper in Regenbogenfarben getaucht. Das Feedback auf die Aktion sei überwältigend positiv, heißt es von den Wiener Linien.

Doch auch kritische Rückmeldungen gebe es, der Ton werde merklich rauer, Hasskommentare würden zunehmen. Während die Diskussion auf den meisten Social-Media-Plattformen konstruktiv verlaufe, sei das auf X, ehemals Twitter, nicht mehr der Fall. Deshalb habe man das Profil der Wiener Linien dort stillgelegt. Der richtige Schritt, wie Lukas Burian von Agpro findet: "Hass und Ausgrenzung keinen Raum mehr zu geben und die eigene Marke zu schützen ist nachvollziehbar und wird meiner Meinung nach bald einige Nachahmer:innen finden."

Wiener Straßenbahn mit Regenbogenflaggen
Die Straßenbahnen der Wiener Linien sind mit der sogenannten Progressive Flag geschmückt
Wiener Linen/Robert Peres

Auf Instagram sind die Wiener Linien nach wie vor aktiv. Ein Blick auf das Profil zeigt: Auch hier gibt es – neben viel Lob und Jubel – fragwürdige Kommentare zur Pride-Aktion wie "Pride = Stolz = 1. Todsünde" oder "Das ist seiße (sic)". Bei den Wiener Linien bemerkt man, dass der bewusst augenzwinkernde Content zunehmend emotionalisiere und polarisiere. Drohungen gebe man umgehend an die Exekutive weiter.

All das bringt die Wiener Linien jedenfalls nicht von ihrem Weg ab. Ganz im Gegenteil: "Der U-Bahn-Würfel bei der Oper wird über die Pride hinaus in Regenbogenfarben leuchten", heißt es vonseiten des Unternehmens. Almdudler hingegen verzichtet dieses Jahr auf eine Pride-Edition seiner Alpenkräuterlimonade. Das hat aber nichts mit reaktionären Kreisen zu tun, die sich darüber beschwerten. Paradoxerweise liegt es an queeren Menschen. "Teile der Community sehen das teils 'performative' Ausrollen der Regenbogenflagge ab dem 1. Juni kritisch. Nicht jeder kennt unsere Werte, Firmengeschichte und weiß daher, dass Toleranz, Offenheit und Zusammengehörigkeit das ganze Jahr über zu unserer Unternehmens-DNA gehören", heißt es vonseiten Almdudlers.

U-Bahn-Kennzeichnung in Regenbogenfarben
Erstmals erstrahlt auch ein U-Bahn-Würfel im Regenbogendesign.
Wiener Linien/Julia Allerding

Internationale Verantwortung

Diverse Minderheiten authentisch anzusprechen bringe im Kampf um Arbeitskräfte einen Vorteil für Unternehmen, sagt Lukas Burian von Agpro und Pride Biz Austria. "Aber endet das Engagement an der österreichischen Staatsgrenze? Oder anders gesagt: Wie sieht es mit der Verantwortung und Glaubwürdigkeit als Arbeitgeber:in aus, wenn ein Unternehmen in mehreren Ländern tätig ist?"

Was Burian hiermit anspricht, sieht man bei so mancher international agierenden Firma, die ihr Logo in Social Media während des Pride Month Juni nur in gesellschaftsliberalen Ländern umfärbt. So wurde in Vergangenheit etwa kritisiert, dass das Logo von BMW Deutschland auf Instagram in Regenbogenfarben erstrahlte, aber nicht jenes von BMW Russland.

Ob der queeren Community in Russland mit einem bunten Logo geholfen ist, sei dahingestellt. Doch Unternehmen sollen sich trotzdem engagieren, findet Lukas Burian: "Es gibt weiterhin großes Potenzial, Safe Spaces zu schaffen – insbesondere in Ländern, in denen diese dringend gebraucht werden. Einige progressive Staaten schaffen solche Räume beispielsweise in den Bibliotheken ihrer Botschaften. Unternehmen, die sagen 'Dort ist eben die Gesetzeslage so, und wir können nichts machen', sollten ihre Haltung überdenken." (Michael Steingruber, 5.6.2024)