Ralf Rangnick
Ralf Rangnick war mit dem Test gegen Serbien rundum zufrieden.
EPA/MAX SLOVENCIK

Wien – Am Tag nach dem 2:1 gegen Serbien hat der österreichische Fußballbund die Katze aus dem Sackerl gelassen. Die mentale EM-Vorbereitung hat einen zusätzlichen Höhepunkt erhalten, am 15. Juni besucht das Nationalteam samt Betreuerstab in Berlin ein Konzert des 79-jährigen Rod Stewart. Ralf Rangnick (65) wollte das unbedingt, es geht vermutlich nicht zuletzt um die Befriedigung des eigenen Geschmacks, der Teamchef ist mit den Liedern des Engländers aufgewachsen.

Ob der mitunter heisere Gesang den im Schnitt ungefähr 25-jährigen Kickern gefällt, sei dahingestellt. In Stewarts Worten ausgedrückt: "The first cut is the deepest." Andererseits ist die Mannschaft absolut gefestigt, der Erfolg gegen Serbien am Dienstagabend vor 37.800 Fans im Happel-Stadion war eine weitere Bestätigung des erfreulichen Zustands. Und das Eröffnungsspiel gegen Frankreich steigt ja erst am 17. Juni in Düsseldorf.

Perfekte halbe Stunde

Die vorletzte Generalprobe brachte Rangnick wertvolle Erkenntnisse, fast ausnahmslos positive. Die erste halbe Stunde (Österreich führte nach 13 Minuten 2:0) sei "perfekt" gewesen. Und es war im Sinne des Fußballs, "dass die Serben irgendwann begonnen haben, sich zu wehren". Deshalb war die Defensive gefordert, die den Test bravourös bestanden hat. "Wir haben wenig zugelassen. Das ist gegen Frankreich und die Niederlande notwendig, denn die sind andere Kaliber." Polen, den dritten EM-Gegner, hat Rangnick nicht extra erwähnt. Zudem haben die Serben dafür gesorgt, dass es eine intensive Partie wurde. Kein Gemetzel, beide Teams sind von Verletzungen verschont geblieben.

Acht Plätze vergeben?

Auf dem Personalsektor hat sich einiges getan, Spieler, mit denen man gar nicht so gerechnet hatte, haben aufgezeigt. Zum Beispiel Innenverteidiger Leo Querfeld, der erst 20-jährige Rapidler wurde in der 72. Minute eingewechselt. Er imponierte durch ein perfektes Zweikampfverhalten, ist durch den eigenen Strafraum geflogen. Oder Alexander Prass von Meister Sturm Graz, der als Linksverteidiger überzeugte. Philipp Lienhart, der monatelang verletzt war, nützte seine halbe Stunde Spielzeit, als wäre er immer pumperlgesund gewesen. Kevin Danso und Max Wöber, gegen Serbien Querfelds und Lienharts Vorgänger im Abwehrzentrum, waren ebenfalls ein Bollwerk.

Der interne Konkurrenzkampf ist nicht zu leugnen, bedauerlicherweise sind bei einer EM auch nur elf Spieler in der Startformation erlaubt. Acht Plätze scheinen fix vergeben zu sein. Patrick Pentz dürfte das Tor hüten, am Samstag gegen die Schweiz erhält allerdings Heinz Lindner eine Chance. Stefan Posch ist als Rechtsverteidiger gesetzt, auch Danso hat sich zum offiziellen Abwehrchef gekürt. Prass könnte links von Phillipp Mwene verdrängt werden. Im zentralen Mittelfeld sind Nicolas Seiwald und Konrad Laimer vorgesehen, in der Offensive hat der gegen Serbien noch geschonte Marcel Sabitzer ein Fixleiberl. Ebenso der großartige Christoph Baumgartner, der 24-jährige Leipzig-Legionär hat im 37. Länderspiel sein 14. Tor erzielt. Patrick Wimmer (23) traf im elften Versuch zum ersten Mal, zwischen ihm und Romano Schmid wird es eng.

Rolle des Jokers

Stürmer Marko Arnautovic vermochte gegen Serbien nicht zu geigen, er wurde nach der ersten Hälfte ausgetauscht, war gelb-rot-gefährdet. Rangnick: "Er hatte viele frustrierende Situationen zu überstehen." Dem 35-Jährigen droht die Rolle des Jokers. Sind die Gegner bereits müde, könnte er durch seine Wucht, seine Erscheinung etwas bewirken. Michael Gregoritsch hat jedenfalls die weit besseren Karten. Nach der Pause war das Offensivspiel zu bekritteln, eine Umschaltaktion ging völlig schief. Baumgartner sagte: "Es war nicht alles perfekt, wir wissen, dass wir noch Luft nach oben haben, man kann ja noch an manchen Stellschrauben drehen."

Am Mittwoch wurde im Trainingszentrum von Rapid unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert, am Donnerstag schmeißt sich die Mannschaft nach dem Frühstück in Schale, um zehn Uhr wird sie auf dem Heldenplatz (nomen est omen?) von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen und verabschiedet. Danach wird bei Rapid trainiert. Am Freitagvormittag muss Rangnick den 26-Mann-Kader bekanntgeben, drei Spieler werden aus dem Aufgebot gestrichen. Sollte Gernot Trauner nicht fit werden (er musste mehrere Einheiten auslassen), wird er einer der drei sein. Am Samstag in Sankt Gallen gegen die Schweiz (18 Uhr) kommen vor allem jene Akteure zum Einsatz, die gegen Serbien geschont wurden. Es ist die zweite und letzte Generalprobe, der siebente Sieg in Serie ist das gar nicht so bescheidene Ziel. (Christian Hackl, 5.6.2024)