Knapp die Hälfte der Österreicher trinkt täglich Milch. Ein Viertel nutzt sie vorrangig für Kaffee. Ein Fünftel konsumiert sie am liebsten pur, erhob die AMA Marketing in einer Umfrage. Während der Bedarf an Trinkmilch leicht sinkt, wächst der Appetit auf Butter und Käse. Satte 24 Kilo Käse werden hierzulande pro Kopf und Jahr im Schnitt verzehrt, wofür es wiederum gut 240 Liter Milch bedarf.

Im Vorjahr zogen sich in Österreich 759 Milchbauern aus der Produktion zurück.
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Auf den Tisch kommen dabei zusehends Milchprodukte aus dem Ausland. Das Volumen an Importen stieg im Vorjahr um mehr als fünf Prozent auf 1,13 Milliarden Euro. Es sind vor allem Eigenmarken der Handelsketten, die sich auf der Suche nach Preisvorteilen gern internationaler Lebensmittel bedienen. Aber auch Gastronomen und die öffentliche Hand lassen bei ihren Einkäufen österreichische Landwirte vielerorts links liegen.

In der Regel gehe es um vier bis fünf Cent pro Liter Milch, die ausschlaggebend dafür seien, dass sich Händler für norddeutsche Lieferanten entschieden, sagt Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Präsident des Milchverbands Österreich. Auf das Kilogramm Käse umgerechnet, liege die Differenz bei 40 bis 50 Cent.

Kritik an öffentlicher Hand

Nicht weniger sauer stößt ihm das Gebaren der öffentlichen Beschaffung auf. Die Kärntner Krankenanstalten etwa hätten keinerlei Wert auf Kriterien wie Herkunft und Qualitätssiegel gelegt. Was dazu führen könne, dass Patienten Butterpackerln aus Dänemark serviert bekommen. Revidiert wurde die Ausschreibung erst, nachdem sich quer durch die Branchen Widerstand regte.

Die bis Ende Juni in Aussicht gestellte Herkunfts- und Haltungskennzeichnung von Fleisch und Milch blieb die Regierung bisher schuldig. Er erwarte sich, dass sie umgesetzt werde, sagt Petschar. Es könne nicht sein, dass Standards, die von österreichischen Produzenten eingefordert würden, bei Importen keine Rolle mehr spielten.

Das Sterben der Milchbauern hält derweilen an. Allein im Vorjahr gaben 759 Betriebe in Österreich auf. 80.000 Landwirte produzierten bis zum EU-Beitritt Milch. Mittlerweile sind es kaum mehr als 22.400. Zweimal täglich sieben Tage die Woche jahrein, jahraus dem Rhythmus der Kühe zu folgen, das tun sich vor allem jüngere Generationen nicht mehr an.

Stark unter Druck kamen Biobauern. Der Anteil an Biomilch ist in Österreich mit 18 Prozent zwar EU-weit der höchste. Im Vorjahr ging er jedoch leicht zurück. Kärntens größter Biolieferant etwa stieg auf konventionelle Produktion um, erzählt Petschar.

Der Molkereichef führt den Knick nicht nur auf strengere Auflagen in der Tierhaltung zurück. "Seit November wird für konventionelle Milch teils mehr ausbezahlt als für biologische." Offenbar forciere der Handel eigene Biomarken mit niedrigeren Preisen.

"Ein kaputter Markt"

Ernst Halbmayr, Landwirt und Mitbegründer der IG Milch, gibt nicht günstigen Importen der Supermärkte und Wirte die Schuld an der Krise der Milchwirtschaft. Die Wurzel des Problems sei ein kaputter Markt: Über Jahrzehnte sei Bauern in landwirtschaftlichen Schulen eingetrichtert worden, sie könnten sich nur über Wachstum retten. "Viele haben sich völlig überschuldet, die Kreditbelastung steigt, der große Traktor am Hof ist auf Pump gekauft, am Ende des Tages bleibt trotz intensiver Arbeit nichts übrig."

58,52 Cent erhielten Milchbauern 2023 im Schnitt für den Liter. Ihr Milchgeld stieg um 7,7 Prozent, was die tatsächlichen Kosten, die überproportional stiegen, aber bei weitem nicht abdecke, sagt Halbmayr. Siebenmal habe die Molkerei Berglandmilch die Erzeugerpreise im Vorjahr gesenkt. Die jüngste leichte Erhöhung mache das Kraut nicht fett.

Für Halbmayr führt an einer Ökologisierung der Milchwirtschaft kein Weg vorbei: Diese führe zu geringerem Viehbestand, was dem Klimaschutz diene. Die jüngsten Initiativen für weniger Tierleid sieht er kritisch: Auch wenn es Konsumenten gern suggeriert werde, hätten viele neue Qualitätsprogramme mit mehr Tierwohl nur wenig zu tun. "Der größte Gewinn für Milchkühe wäre es, sie nicht massiv auf Leistung zu trimmen und permanent zu überlasten." 6000 Liter Milch pro Kuh und Jahr seien ein vernünftiger Maßstab. 10.000 Liter ließen sich nur durch zusätzliches Kraftfutter erzielen.

Dauernde Anbindehaltung ist seit Dezember unter dem AMA-Gütezeichen verboten. Viele Milchprodukte tragen künftig das Siegel "Tierhaltung plus". Es verspricht Milchkühen mehr Bewegung, stärkeres Gesundheitsmonitoring und palmölfreies europäisches Futter. Treiber dafür waren neue Vorgaben aus Deutschland, die es zu erfüllen galt, um den Absatz nicht zu gefährden. Derzeit wird jeder vierte in Österreich produzierte Liter Milch nach Deutschland exportiert, überwiegend in Form von Käse.

Im internationalen Vergleich sind Österreichs Milchlieferanten mit im Schnitt 24 Kühen nach wie vor klein, gibt Petschar zu bedenken. In Neuseeland halten Landwirte durchschnittlich 448 Tiere, in der Slowakei 273, in Dänemark 229 und in Deutschland 72.

In Summe lieferten Österreichs Milchbauern im Vorjahr 3,53 Millionen Tonnen Milch, um ein Prozent mehr als 2022. Mager blieben Petschar zufolge die Erträge der Molkereien. Er beziffert das Ergebnis vor Steuern bezogen auf den Umsatz mit 0,05 Prozent.

Dass pflanzliche Alternativen zu Milch für Konsumenten doppelt so hoch besteuert werden wie Kuhmilch, was viele Tierschützer scharf kritisieren, hält Petschar für rechtens. "Milch ist ein Lebensmittel, Imitate sind Getränke." Er ist sich sicher: Das prognostizierte starke Wachstum pflanzlicher Drinks sei bisher ausgeblieben. (Verena Kainrath, 5.6.2024)