ÖOC-Präsident Karl Stoss
Rufe nach einem vorzeitigen Abgang von Karl Stoss, der seit 2009 als ÖOC-Präsident amtiert, werden laut. Im September 2023 wurde er bis 2025 wiedergewählt.
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Wien – Arno Pajek ist keiner, der sich ein Blatt vor den Mund nimmt. Der Präsident des Schwimmverbands (OSV) gilt seit jeher als einer der Kritiker der Spitze im Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC). Nachdem STANDARD und ORF vor kurzem öffentlich gemacht hatten, dass das ÖOC-Präsidium mit Karl Stoss an der Spitze dem ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel über viele Jahre erstaunlich hohe Prämien oder Boni genehmigte, ist Pajek jetzt auch der Erste, der persönliche Konsequenzen fordert.

"Es muss einen Neuanfang geben", sagt Pajek im Interview mit der Tiroler Tageszeitung (TT). "Die Nachfolgefrage für Dr. Mennel muss gestoppt und auch gemeinsam mit allen Mitgliedern nach geeigneten Kandidaten für das Amt des Präsidenten gesucht werden. Der Generalsekretär sollte mit dem neuen Präsidenten gesucht und gefunden werden. Insbesondere die Teile des Präsidiums alt und Herr Mennel sollten mit sofortiger Wirkung all ihre Ämter zurücklegen, um das zu gewährleisten." Etwas zurückhaltender gab sich Sport-Austria-Präsident Hans Niessl, der im STANDARD-Interview über das ÖOC die "circa 500.000 Freiwilligen im österreichischen Sport" ansprach, die "für Fehlentwicklungen eher kein Verständnis" hätten. Ein anderer hoher Funktionär sprach vom "Prämienparadies ÖOC".

Keine Entlastung

Mit "Teilen des Präsidiums alt" meint Pajek neben Stoss auch Elisabeth Max-Theurer, die bei den ÖOC-Neuwahlen im vergangenen Herbst ebenfalls im vierköpfigen Präsidium verblieben war – obwohl das ÖOC zuvor in schwere Turbulenzen geriet. Nach einer Anzeige gegen Mennel und das (alte) Präsidium wegen Untreue bzw. Beihilfe dazu sah die Staatsanwaltschaft Wien "hinreichenden Anfangsverdacht gegeben". Sie ermittelt, wie sie dem STANDARD bestätigt, nach wie vor.

Peter Mennel, Peter Schröcksnadel
ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel und der frühere, als solcher freilich nicht entlastete ÖOC-Vizepräsident Peter Schröcksnadel bei der ÖOC-Hauptversammlung am 22. September 2023 in Wien.
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Mennel und der früheren ÖOC-Führung wird vorgeworfen, dem ÖOC einen Schaden von 416.000 Euro verursacht zu haben. Laut Anzeige sei Mennel "verdächtig, wissentlich seine Befugnis missbraucht zu haben, über das Vermögen des ÖOC zu verfügen", indem er Verluste der "I Believe in You Österreich GmbH" (IBIY) "mit Vereinsvermögen des ÖOC abdeckte". Mennel und die frühere ÖOC-Führung, der neben Stoss und Max-Theurer auch Peter Schröcksnadel (Ski) und Otto Flum (Radsport) angehörten, bestreiten die Vorwürfe. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Bei der Hauptversammlung im Herbst waren wegen der Turbulenzen nicht nur sie, sondern der gesamte frühere Vorstand nicht entlastet worden. Diese Entlastung lässt nach wie vor auf sich warten.

"Geheimer als Fort Knox"

Im TT-Interview nennt Pajek das ÖOC "eine Blackbox, die keine Einblicke gewährt" und "geheimer ist als Fort Knox". Die Gruppe der kritischen ÖOC-Mitgliedsverbände habe "mehrmals versucht, in die OÖC-Bücher Einsicht zu bekommen", das sei auch zugesagt worden. Aber: "Einsicht bekamen wir lediglich in zwei nicht relevante Bilanzen der Jahre 2021 und 2022. Und gar keine Einsicht in die 'I Believe in You'- Gesellschaft." IBIY, das ist jene Crowdfunding-Plattform, die das ÖOC Ende 2014 präsentierte und mit der es 2019 einen Bilanzverlust von 700.000 Euro zu gewärtigen hatte.

Arno Pajek
Arno Pajek, Präsident des Schwimmverbands (OSV), wirft der früheren ÖOC-Führung vor, Mennel selbst in Verlustjahren der Crowdfunding-Plattform "I believe in you" hohe Prämien genehmigt zu haben.
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Die – obwohl das ÖOC nur Drittelgesellschafter war – vollständige Abdeckung der vier Jahre später noch gegebenen IBIY-Verluste ist Inhalt der Anzeige gegen Mennel und die frühere ÖOC-Führung. In dem Zusammenhang wirft Pajek dem Ex-Präsidium vor, dass es Mennel selbst für die IBIY-Verlustjahre hohe Prämien genehmigte. "Entweder er hat das Präsidium über diese Verluste nicht informiert", sagte er der TT, "oder sie leben in einer anderen Welt."

2,66 Jahresgehälter dazu

Aus Protokollen, die dem STANDARD und dem ORF vorliegen, geht hervor, dass Mennel vom ÖOC-Präsidium regelmäßig zumindest drei Zwölftel seiner Jahresgage zusätzlich als Prämien oder Boni zuerkannt wurden. Dies auch noch nach einer Gehaltserhöhung im März 2018 von 13.800 auf 16.000 Euro monatlich, also auf 224.000 Euro im Jahr. Binnen neun Jahren, für 2014 bis 2022, genehmigte das Präsidium auf Anträge von ÖOC-Präsident Karl Stoss dem Generalsekretär demnach insgesamt 2,66 Jahresgehälter zusätzlich.

In einer ÖOC-Aussendung an Mitgliedsverbände hieß es später, Mennel habe "teilweise auch Prämien erhalten, wie es in der Privatwirtschaft absolut üblich sei". Und diese Prämien seien "ausnahmslos aus den zusätzlichen von der Geschäftsführung erwirtschafteten Mitteln" gekommen, "also explizit nicht aus öffentlichen Geldern (sprich: Steuergeldern)". Dazu meinen ÖOC-Kritiker, dass das Geld "ja kein Mascherl" habe. Sport-Austria-Präsident Niessl sagte dem STANDARD: "Schließlich treten große Firmen auch nicht deshalb als ÖOC-Sponsoren auf, weil sie für Anwalts- oder Verfahrenskosten oder für Prämien des Generalsekretärs aufkommen wollen." (Fritz Neumann, 6.6.2024)