Was muss man tun, wenn man den ORF treffen will oder ihn gar zerschlagen? Just ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sagte Montagabend im Presseclub Concordia offen, wie das geht – und verriet dabei kein Geheimnis: Der Hebel ist die Finanzierung des ORF, seit Jahresbeginn großteils über den ORF-Beitrag unabhängig von der Nutzung.

Kein Wort zu Westenthaler: Über Reformüberlegungen für die ORF-Gremien, um die es in der Veranstaltungsreihe des Presseclubs Concordia geht, oder auch den angriffigen FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler äußerte er sich nicht öffentlich: "Ich kommentiere meinen Stiftungsrat nicht." Westenthaler und FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker laden für Mittwochvormittag zur Pressekonferenz über ihre Sicht des ORF – bei der der ORF-Beitrag eine zentrale Rolle spielt.

ORF-Rückzug von X: Der ORF-Chef dachte in der Concordia auch laut darüber nach, dass sich der ORF – wie zuletzt die Wiener Linien – von der Plattform X (Twitter) zurückziehen könnte.

"Wenn man den ORF zerschlagen will, muss man ihm Geld wegnehmen"

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann.
Heribert Corn

"Wenn man den ORF treffen will, wenn man ihn zerschlagen will, muss man ihm Geld wegnehmen", sagte Weißmann im Presseclub Concordia. Aber man müsse auch klar sagen, was das bedeute: Wenn man dem ORF Geld wegnehme, so dessen Generaldirektor, "zerstöre ich viel anderes, Kunst und Kultur, Sport und Unterhaltung".

Der ORF hat gerade erst zu Jahresbeginn einen neuen Beitrag bekommen, zu dem alle Hauptwohnsitze und Unternehmen unabhängig von Empfang und Nutzung verpflichtet wurden (mit sozialen Ausnahmen). Doch die in den Umfragen führende FPÖ führt ihren Wahlkampf insbesondere mit der Ankündigung, den ORF-Beitrag abzuschaffen, den ORF zu einem "Grundfunk" zusammenzukürzen und aus dem Bundesbudget zu finanzieren, also aus allgemeinen Steuern.

"Würden Volksabstimmung über ORF gewinnen"

Akzeptanz und Vertrauen sind für Weißmann Thema Nummer zwei neben der Finanzierung – und mit Rückwirkung auf diese: Der ORF müsse "dem Publikum erklären, wofür wir das Geld verwenden. Wir müssen uns auch kritischen Fragen stellen, Programme für alle anbieten. Aber wir stehen sicher auf dem Prüfstand."

Selbstbewussten Optimismus demonstriert Weißmann für den Fall einer Volksabstimmung über den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie es sie schon in der Schweiz gab (die SRG bestand fort): Eine solche Volksabstimmung "würden wir gewinnen", sagt Weißmann. Deshalb rechne er auch nicht mit einer solchen Volksabstimmung.

ORF-"Soko" auf der Suche nach 180.000 fehlenden Beitragszahlern

Weißmann bestätigte in der Concordia den STANDARD-Bericht, wonach gegenüber den Beitragsberechnungen des Finanzminsteriums rund 180.000 beitragzahlende Haushalte fehlen – womit dem ORF 33 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr fehlen.

Der ORF habe eine eigene "Soko" – von Kitzbühel bis Donau TV-bekannte Abkürzung für Sonderkommission – eingerichtet, um nach den fehlenden 180.000 Haushalten zu fahnden. Aber: Mit Maßnahmen – der STANDARD berichtete etwa über Budgetkürzungen für Programminvestments und Rückgriff auf GIS-Rückstellungen – werde man dennoch auch 2024 ausgeglichen abschließen.

ORF-Gehälter Frage der Zeit

Für heftige Debatten sorgten im Frühjahr die erstmals im Auftrag des Gesetzes veröffentlichten Spitzengehälter im ORF bis 444.000 Euro Bruttobezug pro Jahr. Weißmann räumte ein, dass ORF-Beschäftigte mit im Schnitt laut Rechnungshof 91.000 Euro brutto pro Jahr "schon ganz gut verdienen im Schnitt". Er betonte aber: "Ältere Verträge sind einfach rechtsgültig." Im ORF selbst (ohne Tochterunternehmen) gibt es sechs Kollektivverträge, und der jüngste von 2014 sei "schon sehr marktkonform". Hier liege der Durchschnittsverdienst bei etwas mehr als 60.000 im Jahr.

Kritik von Korruptionsexperte Martin Kreutner in einer der Concordia-Veranstaltungen über "Impulse für den ORF", der ORF könnte seinen Transparenzbericht noch deutlich transparenter gestalten, wies Weißmann zurück: Die Anforderungen des ORF-Gesetzes in Sachen Transparenz "erfüllen wir auf Punkt und Beistrich", betonte er.

Verzicht auf Kettenarbeitsverträge

Am anderen Ende der Skala stehen Kettenverträge für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Gesetz dem ORF erlaubt. Weißmann kündigte an, dass der ORF freiwillig auf solche Kettenarbeitsverträge verzichten werde. Eine Reihe freier Mitarbeiter habe der ORF inzwischen angestellt.

Kooperation mit Funk für junges Streaming

Für jüngere Zielgruppen kündigt der ORF-General auf Publikumsanfrage in der Concordia eine Handvoll neue Formate noch in diesem Jahr an. Der ORF arbeitet bereits mit dem deutschen Social-Media-Jugendangebot von ARD und ZDF, Funk, zusammen, derzeit im Format "Sag_mal" auf Tiktok und als sendungsbegleitende Rubrik zum Ö3-Wecker. Der ORF wolle weitere Programmformate mit Funk gemeinsam entwickeln.

Überlegungen für Infodirektorin

Der ORF-General bestätigte Überlegungen, die derzeit bei ihm liegende Zuständigkeit für Information an eine Infodirektorin abzugeben. "Das ist denkbar und durchaus möglich", sagte Weißmann, erfordere aber die Zustimmung des Stiftungsrats. Dafür müssten die Zuständigkeiten in der Direktion geändert werden, die laut Gesetz maximal vier Mitglieder haben kann.

Weißmann überlegt nun je eine Direktion für "multimediale Information und für multimediales Programm". Als Besetzung würden sich Ingrid Thurnher (derzeit zuständig für Radio) und Stefanie Groiss-Horowitz (Programm TV) anbieten. (Harald Fidler, 5.6.2024)