Fritz Grampelhuber ist eigentlich Koch im Steegwirt in Bad Goisern. Neben seinem Brotberuf steht er auch in den Diensten der Fußball-Nationalmannschaft. Er tischt für die Nationalelf bei den Matches auf, ab nächster Woche sorgt er in Berlin für das leibliche Wohl während der Europameisterschaft in Deutschland. Im Gespräch erzählt er, was einen Matchtag kulinarisch besonders macht, welchen Spitznamen er vom Team bekommen hat und welche Spieler ihm beim Kochen schon fast Konkurrenz machen.

Fritz Grampelhuber Koch der Nationalmannschaft EM Fußball
Fritz Grampelhuber (rechts) mit Hobbykoch Marko Arnautovic.
Foto: Steegwirt

STANDARD: Wie wird man Koch der Nationalmannschaft?

Grampelhuber: Es gibt kein Casting oder so. Das darf man sich nicht so vorstellen. Der ehemalige Fußballpräsident Leo Windtner war damals bei mir im Steegwirt essen. Dem hat's wohl geschmeckt, denn er hat mich gefragt, ob ich für das Nachwuchsteam bei der U20-WM in Kolumbien kochen möchte. Das habe ich anscheinend gar nicht so schlecht gemacht, denn danach wurde mir angeboten, die A-Mannschaft zu übernehmen. Für die koche ich jetzt seit 2016.

STANDARD: Da haben Sie mit Ihrem Essen Eindruck hinterlassen!

Grampelhuber: Wir haben im Steegwirt ja zwei Hauben, da kann mein Essen nicht so schlecht sein. Kochen können viele, aber das Teamgefüge, das Soziale muss auch passen. Du hast extrem viele Berührungspunkte mit den Spielern, gehörst zum Betreuerstab dazu. Man baut richtige Freundschaften auf.

STANDARD: Und das Essen ist mit das Wichtigste im Sport.

Grampelhuber: Natürlich ist der Trainer das Wichtigste. Aber grundsätzlich muss jeder frühstücken, mittagessen und abendessen, das darf man nicht vergessen. Wer viel trainiert, muss auch viel essen.

STANDARD: Was unterscheidet die klassische Gastronomie vom Kochen für eine Fußballmannschaft?

Grampelhuber: Eigentlich gar nichts. An Matchtagen ist es anders, aber ansonsten ist bei uns alles auf Buffetbasis aufgebaut. Es gibt "von bis", Gemüse, Beilagen, Fisch, Fleisch, kleine Snacks, Salate, Nachspeisen, Risotto, Pasta, Innereien – es gibt nichts, was ich nicht koche.

Fritz Grampelhuber Koch der Nationalmannschaft EM Fußball
Der Steegwirt in Bad Goisern.
Foto: Thommy Mardo

STANDARD: Innereien auch?

Grampelhuber: Es gibt drei, vier Spieler, die lieben Beuschel. Michael Gregoritsch zum Beispiel.

STANDARD: Und was gibt es am Matchtag?

Grampelhuber: Der Matchtag ist der fadeste Tag. Also für mich. Da muss man schon beim Würzen aufpassen. Am Spieltag gibt es immer das Gleiche. Morgens ein Frühstücksbuffet mit verschiedenen Eiergerichten, Porridge und Obst. Zu Mittag um 13 Uhr tische ich dann Hühnersuppe mit Nudeln, Fischfilet und Hühnerbrust natur gebraten auf, dazu kann man aus Basmatireis und Erdäpfelpüree, Gemüse, Nudeln mit Tomatensauce oder Bolognese, Kuchen, Chia-Pudding und Früchten wählen. Um 17 Uhr findet die Jause oder auch Pre-Match genannt, statt. Da gibt es wieder Porridge, Toast, Pasta und Obst. Nach dem Spiel bekommen die Fußballer dann direkt in der Kabine eine Erdäpfelsuppe zu trinken.

STANDARD: Warum eine Erdäpfelsuppe?

Grampelhuber: Das Wichtigste ist, dem Körper nach dem Sport Energie zuzuführen. Dafür ist die Suppe perfekt. Und das Team liebt meine Suppen. Sie nennen mich den Picasso der Suppen. Bevor ich gekommen bin, bekamen sie Püree oder so etwas. Ich muss nicht dazusagen, dass man nach 90 Minuten Laufen keine Lust drauf hat. Um Mitternacht, halb eins sind die Spieler wieder im Hotel und bekommen Pizza, Lasagne oder selbstgemachte Käsekrainer zum Essen. Da ist's einfach wichtig, dass die Spieler ganz viel zu sich nehmen.

STANDARD: Wie wichtig ist den Spielern überhaupt Essen?

Grampelhuber: Viele Spieler beschäftigen sich intensiv mit Essen und Kochen. Sie sind teilweise schon Spitzenhobbyköche.

STANDARD: Ah, wirklich?

Grampelhuber: Ja, es gibt einige. Der Michael Gregoritsch hat neulich Seelachs gebraten und mir ein Foto geschickt und gefragt, ob er noch Limettenzesten dazugeben soll. Wegen des Geschmacks. Mit dem kann ich reden wie mit einem Koch. Der ist ein Wahnsinn.

STANDARD: Den könnte man als Gastkoch zum Steegwirt einladen?

Grampelhuber: Ohne Schmäh, der ist super. Auch der Xaver Schlager oder Marko Arnautovic. Der ruft mich immer wieder mal an und fragt mich nach einem Rezept von mir.

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Michael Gregoritsch (rechts) kann nicht nur Tore schießen, sondern auch super kochen, verrät Fritz Grampelhuber: "Der ist ein Wahnsinn."
AP/Matthias Schrader

STANDARD: Ein Fußballer als Feinschmecker ist ja nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt.

Grampelhuber: Die können in den besten Restaurants der Welt essen – und das tun sie auch. Aber gestern zum Beispiel hat mir der Pentzi (Patrick Pentz, Tormann, Anm.) geschrieben, ob ich Topinambur kenne. Ich habe ihm zurückgeschrieben: "Kennst du Maradona?" Er nur so: "Okay, blöde Frage." Er wollte wissen, was man daraus machen kann. Suppen, Püree, sogar Pudding. Jetzt macht er zu Hause Topinamburpudding.

STANDARD: Wer entscheidet, was die Spieler zu essen bekommen?

Grampelhuber: Was es zum Essen gibt, entscheide ich. Ich mache das schon so lange, ich weiß, was die Spieler mögen und brauchen. Ein Ernährungsberater hat mir gesagt, dass am Abend vor dem Spiel Eiweiß wichtig ist. Ansonsten sagen mir die Spieler eh, abends, wenn man zusammensitzt oder gemeinsam in die Sauna geht, auf was sie Lust haben.

STANDARD: Gibt es ein Lieblingsessen der Mannschaft?

Grampelhuber: Das kann man gar nicht so sagen. Es gibt ein Buffet, mit zwei Suppen täglich, das sind hochgerechnet auf die ganze Europameisterschaft siebzig verschiedene Suppen. Extrem beliebt ist Hausmannskost, also einfache Sachen. Krautfleckerln zum Beispiel lieben sie oder faschierte Laibchen.

STANDARD: Was kochen Sie am liebsten für das Team?

Grampelhuber: Da ich weiß, dass sie meine Suppen lieben, koche ich die natürlich am liebsten.

STANDARD: Gab es schon mal Rückmeldungen, dass ein Essen nicht geschmeckt hat?

Grampelhuber: Dass jemand etwas grauslich findet, ist noch nie vorgekommen. Es kommt eher ein "Das ist nicht meins", wenn ich ein Rote-Rüben-Risotto mit Ziegenkäse mache.

STANDARD: Das passt ja eh, oder?

Grampelhuber: Sagen wir, eine Eskalation würde mir schon einfallen. Wir haben auswärts in England gespielt. Die Küche war richtig scheiße. Das war eigentlich ein Skandal. Ich habe mit den dortigen Köchen einen Kukuruzbrei gekocht. Einem der Köche habe ich angeheißen, die Petersilie kleinzuschneiden und drüberzugeben. Der Depp hat den Koriander erwischt. Zu Koriander brauche ich nicht viel sagen, bei uns mögen den 80 Prozent nicht. Pah, was ich mir anhören konnte von der Mannschaft, was mit mir los ist, ob ich dieses Mal überkreativ sein wollte.

STANDARD: Neben Koriander: Gibt es beim Kochen ein absolutes No-Go, was für die Spieler nicht erlaubt ist? Alkohol zum Beispiel?

Grampelhuber: Nein. Ich geh natürlich nicht her und mache am Spieltag eine Hühnersuppe und leere drei Liter Weinbrand rein. Aber warum sollte ich mit einem Cognac nicht mal etwas ablöschen? Einen Schweinsbraten aus dem Bauch gibt es jetzt nicht, das ist zu fettig.

STANDARD: Wie läuft das Kochen bei der EM ab?

Grampelhuber: Ich bin in Berlin in einem Hotel und arbeite mit der dortigen Küchencrew zusammen. Die kaufen alle Produkte vor Ort ein. Ich kann ja nicht die Lebensmittel für 60 Leute mitnehmen. Den Menüplan habe ich schon im Jänner geschrieben, mit Rezepten und Anleitungen, was man vorbereiten muss. Der Plan geht vom ersten Match bis zum Finale, weil ich ja nicht weiß, wie lange wir bleiben. Das erste Spiel gegen Frankreich findet in Düsseldorf statt, da kocht dann mein Bruder Tamino für die Mannschaft, die restlichen Spiele der Gruppenphase sind dann in Berlin, da bin ich wieder zuständig.

Fritz Grampelhuber Koch der Nationalmannschaft EM Fußball
Fritz Grampelhuber (links) wird bei der Betreuung der Nationalelf von seinem Bruder Tamino unterstützt.
Foto: Thommy Mardo

STANDARD: Kommen Sie überhaupt dazu, sich die Matches der Nationalelf anzuschauen?

Grampelhuber: Das geht sich nicht aus, da schau ich meistens die erste halbe Stunde am Handy in der Küche. Ich muss dann das Essen vorbereiten, das die Spieler nach dem Match bekommen.

STANDARD: Wie lang glauben Sie, dass Sie noch in Berlin bleiben?

Grampelhuber: Kommt drauf an, wann wir aufhören. Ich hoffe, erst Mitte Juli. (Kevin Recher, 7.6.2024)