In den vergangenen Monaten wurde in der Slowakei immer wieder gegen die Reorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks demonstriert. Zuletzt ist jedoch der Privatsender Markíza in den Fokus gerückt.
EPA/JAKUB GAVLAK

Im EU- und Nato-Land Slowakei sitzt der Schock über das Attentat auf Premier Robert Fico nach wie vor tief. Doch während infolge der Schüsse vom 15. Mai das Ringen um eine angemessene politische Debattenkultur immer wieder von gegenseitigen Schuldzuweisungen konterkariert wird, findet die ohnehin aufgeheizte Stimmung auch im jüngsten Streit bei TV Markíza ihren Niederschlag, dem reichweitenstärksten Privatsender des Landes.

Der Konflikt hatte sich an der bekannten sonntäglichen Debattensendung Na telo entzündet. Der bekannte Moderator Michal Kovačič sah sich von der Leitung des Senders und vonseiten der Politik unter Druck gesetzt. Nachdem mehrere bereits geplante Ausgaben des Formats abgesagt worden waren, schrieb Kovačič während einer Livesendung Ende Mai slowakische Fernsehgeschichte: In einem etwa einminütigen Auftritt klagte er über angebliche Zensur und warnte vor einer medialen "Orbánisierung" der Slowakei.

In der von starker Polarisierung gezeichneten politischen Atmosphäre verfehlte das nicht seine Wirkung. In der Slowakei regiert seit Oktober 2023 eine Drei-Parteien-Koalition aus Ficos linkspopulistischer Smer (Richtung), der ebenfalls links orientierten Smer-Abspaltung Hlas (Stimme) und der rechtspopulistischen Slowakischen Nationalpartei (SNS). Auch wenn die Smer offiziell sozialdemokratische Werte für sich in Anspruch nimmt, so steht Fico doch in vielen Bereichen dem rechtsnationalen ungarischen Premier Viktor Orbán nahe – etwa in der Migrationspolitik oder bei der Kritik an der westlichen Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine.

Forderungen der Belegschaft

Die Markíza-Leitung reagierte scharf auf die live vorgetragene Kritik ihres Starmoderators und kündigte bereits am nächsten Tag an, Na telo vorübergehend aus dem Programm zu nehmen. Das wiederum wollten etwa 120 Angestellte des Senders nicht einfach hinnehmen. Einige etwa traten schwarzgekleidet in ihren Sendungen auf, um so ihren Unmut zu äußern. Dass es bei Markíza brodelt, entging freilich auch der Chefetage nicht. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichteten von Sicherheitspersonal, das plötzlich innerhalb des Hauses auftauchte, um die Zugänge zu Studios und Regieräumen zu überwachen. Offenbar sollten auf diese Weise weitere unliebsame Überraschungen bei Live-Sendungen vermieden werden.

Die Redaktion hat inzwischen mehrere Forderungen an die Leitung des Senders formuliert: Garantiert werden sollten demnach freie Information über Entscheidungen politischer Akteure sowie das Recht, diesen auch unangenehme Fragen zu stellen. Dabei müsse es egal sein, "ob die Regierung dabei in positivem oder in negativem Licht erscheint", wie es in dem Schreiben der Redaktion heißt. Zudem soll verhindert werden, dass in bereits abgenommene und sendefertige Reportagen nachträglich eingegriffen wird.

Die Unternehmensführung zeigt sich davon unbeeindruckt und geht selbst in die Offensive: Der "Missbrauch einer Live-Sendung" sei die "gröbste Pflichtverletzung" eines Moderators und könne "keinesfalls toleriert werden". Die Zeichen stehen also weiterhin auf Sturm. Die Redaktion hat bei Nichtbeachtung ihrer Forderungen noch für diese Woche mit Streik gedroht. Markíza-Insider wiederum berichten laut dem liberalen Magazin Denník N von Plänen, im Falle von Arbeitsniederlegungen den Nachrichtenbetrieb mithilfe des tschechischen Privatsenders Nova abzuwickeln. Beide Stationen gehören mittlerweile der Investorengruppe PPF mit Sitz in Prag.

Belastetes Verhältnis

Der slowakische Innenminister Matúš Šutaj Eštok hat der Markíza-Führung seine Unterstützung ausgesprochen: Beim Auftritt von Michal Kovačič habe es sich um eine "Piratensendung" gehandelt. Es sei das Recht des Senders, entsprechend zu reagieren. Die Regierung hat zuletzt den Umbau des öffentlich-rechtlichen Senders RTVS auf den Weg gebracht, dem sie wiederholt Nähe zur Opposition vorwarf. Kritiker sehen darin den Versuch, RTVS durch die Schaffung neuer Entscheidungsgremien unter die Kontrolle der Regierung zu bekommen.

Immer wieder war in den vergangenen Monaten gegen dieses Vorhaben protestiert worden. Eine geplante Großkundgebung kurz nach dem Attentat auf Fico, der durch die Schüsse Mitte Mai schwer verletzt worden war, wurde dann aber abgesagt. Für Mittwoch ist nun eine Demonstration für die Freiheit der Medien vor dem Sitz von Markíza geplant.

In der Slowakei ist das Verhältnis von Medien und Staatsgewalt auch im Zusammenhang mit dem Mord am jungen Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová stark belastet. Die beiden wurden 2018 in ihrem Haus in der Nähe von Bratislava erschossen, Kuciak hatte zuvor unter anderem über Korruption im Umfeld von Fico recherchiert. Die unmittelbaren Täter wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die Hintergründe sind aber immer noch nicht ganz aufgeklärt. Der Unternehmer Marian Kočner, der lange als möglicher Drahtzieher galt, wurde im Zweifel freigesprochen. Kočner sitzt dennoch weiterhin in Haft. Er wurde zu 19 Jahren verurteilt – wegen seines einstigen Versuchs, sich durch Wechselbetrug den Sender TV Markíza anzueignen. (Gerald Schubert, 5.6.2024)