Shangri-La bezeichnet ursprünglich einen mythischen Ort in Tibet, an dem Menschen in Frieden und Harmonie leben. Vielleicht, das ist unter Shangri-La-Experten umstritten, handelt es sich auch um einen Geisteszustand. Heute jedenfalls trägt eine mondäne Hotelgruppe diesen Namen – und die wichtigste Sicherheitskonferenz Asiens, der jährlich stattfindende Shangri-La-Dialog in Singapur. Auf dem ging es am vergangenen Wochenende weniger friedlich zu. China stand im Mittelpunkt. Zum einen warf der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der als Überraschungsgast eingeflogen war, China vor, andere Staaten von der Teilnahme an der "Friedenskonferenz" in der Schweiz abzuhalten.

Indonesiens designierter Präsident Prabowo Subianto war einer von vielen, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Singapur traf.
EPA/Press Service of the Preside

Zum anderen warnte China Taiwan davor, weiter den "Weg der Unabhängigkeit" zu beschreiten, und warf den USA vor, ein Verteidigungsbündnis à la Nato im Pazifik aufbauen zu wollen. Aus Sicht der Philippinen ist allerdings genau das notwendig, um den chinesischen Expansionsversuchen im Südchinesischen Meer Einhalt zu gebieten.

Viele unbekannte Bekannte

In den vergangenen Wochen haben sich die Spannungen zwischen beiden Staaten stark zugespitzt. Am 19. Mai hielt die chinesische Küstenwache ein philippinisches Versorgungsschiff auf und beschlagnahmte dessen Güter. Das Schiff sollte Soldaten auf der Sierra Madre beliefern. Dabei handelt es sich um ein gesunkenes amerikanisches Militärschiff, dessen Wrack 1999 zu einem Stützpunkt umfunktioniert wurde, um die Ansprüche Manilas in der Region zu unterstreichen.

Der chinesische Verteidigungsminister Dong Jun warf am vergangenen Samstag in Singapur "einem bestimmten Land vor, Abmachungen gebrochen zu haben". Das sei auf Druck "einer externen Kraft geschehen", die zudem Mittelstreckenraketen dort stationiert habe. Gemeint waren freilich die Philippinen und die USA.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (links) traf den Präsident der Philippinen, Ferdinand Marcos Jr.
AP/Vincent Thian

Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos junior konterte ebenfalls mit Vorwürfen gegen einen scheinbar Unbekannten: "Unserem großen Bedürfnis nach Frieden stehen die Taten eines Staates entgegen. Dieser Staat will mit Gewalt und Einschüchterung Gebietsansprüche durchsetzen. Und zwar in völligem Widerspruch zur Uno-Seerechtskonvention und dem Urteil des zuständigen Schiedsgerichts in Den Haag."

Neun-Striche-Linie

Seit vergangenem August hat die chinesische Küstenwache immer wieder Wasserkanonen gegen philippinische Schiffe eingesetzt, die einen militärischen Außenposten versorgen wollten. Manila unterdessen unterstreicht seine Ansprüche, indem es "Touristentouren" auf unbewohnte Inseln organisiert.

Chinas Ansprüche in dieser Region gehen auf eine Karte aus dem 19. Jahrhundert zurück. Die sogenannte Nine Dash Line, die "Neun-Striche-Linie", schlägt China zahlreiche Inseln und Riffe im Südchinesischen Meer zu, die aber viel weiter vom chinesischen Festland entfernt sind als von anderen Anrainerstaaten. Seit Jahren versucht Peking hier Tatsachen zu schaffen, indem es zum Beispiel Flugzeuglandebahnen oder Militärstützpunkte auf den sonst unbewohnten Inseln errichtet. Neben den Philippinen erheben auch Vietnam, Malaysia, Brunei und Taiwan Ansprüche.

Die Philippinen haben unter ihrem neuen Präsidenten Marcos einen Kurswechsel vollzogen. Marcos' Vorgänger Rodrigo Duterte war von 2016 bis 2022 auf Distanz zu den USA gegangen und hatte einen chinafreundlicheren Kurs eingeschlagen. (Philipp Mattheis, 4.6.2024)