Bei Jacumba Hot Springs in Kalifornien gehen Migranten die Grenzmauer entlang.
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Es ist ja eigentlich absurd: Die US-Republikaner (und zum Teil auch die Demokraten) schimpfen angesichts der hohen Ankunftszahlen an der südlichen Grenze zu Mexiko und geben dafür Präsident Joe Biden die Schuld. Der will die Asylpolitik daraufhin verschärfen und verhandelt dafür mit den Republikanern. Schnellere Abschiebungen, mehr Grenzschutzpersonal, ab einer gewissen Anzahl von Ankünften gar eine Grenzschließung: Auf all das einigt man sich. Und dann scheitert das Maßnahmenpaket, genau, an den Republikanern.

Der zweite Versuch fand Ende Mai statt. Im Senat haben die Demokraten eine knappe Mehrheit. Dass einige ihrer Senatoren gegen die Asylmaßnahmen stimmen würden, war zu erwarten, weil sie ihnen zu heftig sind. Doch auch die Republikaner votierten dagegen, weshalb Biden ihnen danach vorwarf, die "schärfste Grenzpolitik in der Geschichte" der USA aus wahltaktischen Motiven zu torpedieren.

Rekordmonat Dezember

Denn irreguläre Migration ist das Thema, auf das Donald Trump und die Republikaner im Präsidentschaftswahlkampf gegen Biden vor allem setzen. Im Dezember wurden mit 370.876 Ankünften so viele wie noch nie in einem Monat registriert. Seitdem sind die Zahlen etwas gesunken, mit 247.834 Ankünften im April sind sie aber immer noch relativ hoch. Die Republikaner sabotieren das von ihnen mitverhandelte Maßnahmenpaket, um zu verhindern, dass Biden hier einen Erfolg verbuchen kann.

Aus diesem Grund beschreitet Biden einen anderen Weg: Am Dienstag präsentierte er neue Regeln für die Südgrenze. Demnach soll die Grenze geschlossen werden, wenn die Zahl der irregulären Grenzübertritte 2500 pro Tag übersteigt – und erst wieder geöffnet werden, wenn die Zahl unter 1500 fällt. Das würde angesichts der aktuellen Zahlen bedeuten, dass die Grenze sofort geschlossen werden muss. Gleichzeitig ist es auch schwierig, unter die Marke von 1500 Ankünften täglich zu kommen. Zuletzt war das im Juli 2020 der Fall, mitten in der Covid-Pandemie, als sich die Flucht- und Migrationsbewegungen weltweit verringerten.

Biden versicherte, dass die USA weiterhin eng mit Mexiko zusammenarbeiten würden, um die Lage zu kontrollieren – auch mit der neuen Präsidentin Claudia Sheinbaum wolle er darüber sprechen. Er versprach, alles zu tun, um bestimmte Härtefälle zu vermeiden: So sollten Kinder niemals an der Grenze von ihren Eltern getrennt werden.

Eine Demo in Boston, auf der eine Grenzschließung gefordert wird. Bald könnte es so weit sein.
AFP/JOSEPH PREZIOSO

Migranten könnten den Berichten zufolge weiterhin Termine erbitten, um Asyl zu beantragen. Unbegleitete Minderjährige seien von der Regelung außerdem ausgeschlossen. CNN meldete, dass sich der Text des Dekrets bis zur Präsentation, bei der auch Bürgermeister aus texanischen Grenzstädten anwesend sein sollen, noch ändern könnte – das gelte auch für die kolportierten Zahlen.

Angesichts des Widerstands im Kongress setzt Biden hierbei auf Executive Orders, präsidiale Dekrete, für die keine parlamentarische Zustimmung benötigt wird. Sie dienen dem US-Präsidenten als Alternative zum regulären Gesetzgebungsprozess. Sie ersetzen keine Gesetze, können aber erlassen werden, um Bundesgesetze in Details zu ändern.

Berühmte Executive Orders

In der Verfassung werden Executive Orders nicht explizit erwähnt, es ist lediglich festgeschrieben, dass der Präsident mit einer Exekutivgewalt ausgestattet ist. Formal sind die Verordnungen im Administrative Procedure Act von 1946 festgelegt, der Entscheidungsprozesse in der Verwaltung definiert. Doch schon weit früher wandten US-Präsidenten dieses Machtinstrument an, auch wenn sie erst nachträglich die Bezeichnung Executive Order erhielten. George Washington erklärte so Thanksgiving zum nationalen Feiertag, George W. Bush schuf damit nach 9/11 das Heimatschutzministerium.

Bidens geplante Executive Order wird auf alle Fälle zu weiteren Diskussionen führen. Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union geht davon aus, dass eine Grenzschließung viele rechtliche Fragen aufwerfen wird. Auch die Vereinten Nationen zeigten sich angesichts der Verschärfungen "zutiefst besorgt" und haben die Biden-Regierung zum Umdenken aufgerufen. "Die neuen Maßnahmen werden vielen Menschen, die internationalen Schutz benötigen, den Zugang zu Asyl verwehren", erklärte das Uno-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR). Zudem hätten sie keine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen. Das UNHCR rief die USA auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen. (Kim Son Hoang, red, 4.6.2024)