Wien – Wie groß ist die Macht demokratiefeindlicher Inhalte auf der Social-Media-Plattform Tiktok? Der Digitalverlag Hashtag analysiert anhand einer Doku mit dem Titel Reclaim – Der Kampf um die Demokratie auf Tiktok den Erfolg und die Resonanz von rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien wie der AfD und der FPÖ auf Tiktok – der STANDARD berichtete darüber.

Screenshot der Doku
Hashtag darf die Doku "Reclaim – Der Kampf um die Demokratie auf Tiktok" vorerst nicht auf Youtube bewerben.
Screenshot/Youtube

Journalismus versus Wahlwerbung

Um die Produktion zielgruppenspezifisch zu bewerben, wollte Hashtag auf Youtube Anzeigen schalten, was Googles Videoplattform allerdings vorerst nicht gestattet. Die Begründung: Die Doku verstoße gegen die Ads-Richtlinien der Plattform, wonach Werbung für Videos mit politischen Inhalten bestimmen Regeln unterliege. Eine Argumentation, die Hashtag-Gründer Stefan Apfl überhaupt nicht nachvollziehen kann. Die Doku habe nichts mit Wahlwerbung zu tun, sondern sei als Journalismus erkennbar, der mit viel Aufwand finanziert werde.

Apfl kritisiert im Gespräch mit dem STANDARD sowohl die Entscheidung als auch die fehlende Transparenz: "Youtube ist für Produzentinnen genauso eine Blackbox wie für Userinnen und User. Wir wissen nicht, auf welcher Basis Algorithmen oder Menschen Dokus wie unsere als Werbung für politische Parteien einstufen."

Youtube "ausgeliefert"

Reclaim – Der Kampf um die Demokratie auf Tiktok wurde am 27. Mai auf Youtube veröffentlicht, seitdem versucht Hashtag, die Doku zu bewerben. "Als Digitalverlag haben wir viel Geld, Zeit und Herz investiert, um diese journalistische Doku herzustellen, und haben selbstredend Interesse daran, dass sie Verbreitung findet", sagt Apfl zum STANDARD. Hashtag werde weiter Einspruch gegen die Entscheidung einlegen. "Youtube ist einerseits als Distributionsplattform unser Partner, dessen Algorithmus wir andererseits ausgeliefert sind."

Youtube beurteilt nicht, was journalistisch ist

Youtube verweist auf Anfrage des STANDARD auf den "seit vielen Jahren" geltenden Regelprozess für politische Werbung. Wer "Videos mit politischen Inhalten" bewerben wolle, müsse einen Registrierungsprozess mit einer Identitätsprüfung durchlaufen. Diese Regeln würden für alle Akteure gelten, denn: Google selbst beurteile nicht, welches Video journalistisch sei und welches als Werbung klassifiziert werde. "Wir können daher die Kritik nicht nachvollziehen und möchten auch betonen, dass das Video selbst weder geblockt noch 'gedrosselt' wurde – lediglich die Bewerbung bis zum erfolgreichen Absolvieren der Identitätsüberprüfung gestoppt", so Google.

Doku über Schwurbler gesperrt

Auf X erinnert Apfl an eine Entscheidung Youtubes aus dem Jahr 2022, die Hashtag-Doku Wunderbare Schwurbler – die Wahrheit über die MFG wegen "medizinischer Falschinformation" zu sperren – der STANDARD berichtete darüber. Der aktuelle Fall lege einmal mehr die "groteske Plattformlogik" frei. "Ausgerechnet derselbe Algorithmus, der im medialen Echtzeitalter Gesellschaft und Demokratie erhitzt, behindert kritischen Journalismus und beruft sich dabei auf Richtlinien, deren Anwendung mit freiem Auge als Willkür erkennbar ist", kritisiert Apfl.

Die Doku hält derzeit auf Youtube bei mehr als 9500 Aufrufen. (omark, 4.6.2024)