Fußballstar Jérôme Boateng.
Der 35-jährige Innenverteidiger Jérôme Boateng wurde nun vom LASK verpflichtet. "Ein Wahnsinn", sagt LASK-Präsident Siegmund Gruber.
IMAGO/Giuseppe Maffia

Jérôme Boateng ist berühmt. 2016 wurde er zum "Fußballer des Jahres" gewählt, er gilt als einer der erfolgreichsten Fußballer Deutschlands, war gefeierter langjähriger Bayern-München-Spieler, er erspielte einen Weltmeistertitel im Jahr 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft. Was für ein Fußballstar.

Diesen Star konnte nun der LASK unter Vertrag nehmen. Für LASK-Präsidenten Siegmund Gruber ist das "ein absoluter Wahnsinn und unfassbar". Ja, so könnte man sagen – allerdings in einem völlig anderen Sinne, als Gruber meinte. Denn gegen Jérôme Boateng gibt es seit Jahren massive Gewaltvorwürfe und laufende Verfahren.

Sherin S. war mit Boateng liiert und ist die Mutter der gemeinsamen Zwillinge, sie erstattete Anzeige wegen Körperverletzung. Sowohl der erste Prozess im Jahr 2021 als auch der Berufungsprozess 2023 endete mit hohen Geldstrafen von 1,8 und 1,2 Millionen Euro. Das Urteil wurde jedoch wegen Verfahrensfehler aufgehoben. Nun muss sich Boateng am 14. Juni erneut verantworten, ein Urteil könnte es noch im Sommer geben.

Ein desaströses Bild

Die Vorwürfe sind alles andere als eine Kleinigkeit. Boateng soll Sherin S. geschlagen, geboxt und bespuckt haben. Und es gibt eine weitere Ex-Partnerin, durch die Vorwürfe lautwurden: die inzwischen verstorbene Kasia Lenhardt. Im März dieses Jahres berichtete der Spiegel in dem Podcast Die Akte Kasia Lenhardt von Gewalt durch Boateng, die Lenhardt unter anderem in Chats und Sprachnachrichten erwähnt hatte. Die Hinterbliebenen von Lenhardt hatten eingewilligt, dass das Rechercheteam des Spiegel 25 Stunden Audionachrichten auswertete, die Ergebnisse klingen erschütternd. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach wie vor in diesem Fall, berichtet der Spiegel.

Also nein, es gibt kein rechtskräftiges Urteil gegen Boateng. Aber es gibt massive Gewaltvorwürfe, die durch zwei Ex-Partnerinnen publik wurden. Eine davon lebt nicht mehr. Das von den Recherchen gezeichnete Bild ist schockierend.

Man kann es sich leicht machen und sagen, laufende Verfahren kommentiert man nicht. Man kann einfach so tun, als ob nichts wäre. Als ob man von nichts wüsste, so klingt jedenfalls die Strategie von Siegmund Gruber.

Aber es geht um mehr als nur darum, ob man einen berühmten Fußballer unter Vertrag genommen hat. Es geht auch um einen Mann, den man weiter als Vorbild positioniert – obwohl dieses Bild nicht mehr hält. Es passt nicht, wenn Buben mit Teamshirts herumrennen, auf denen der Name dieses Sportlers aufgedruckt ist, wenn sie Panini-Karten mit seinem Konterfei und Erfolgsnachweisen tauschen und sammeln oder dem vermeintlichen Vorbild sportlich wie habituell nacheifern.

Der Gesamtkontext

Bayern-München sparte sich jedenfalls eine angedachte Rückholung von Boateng aufgrund des "Gesamtkontextes", wie es hieß. Während Vorstandschef Jan-Christian Dreesen also einräumte, nicht "ignorant durchs Leben gehen" zu wollen, nennt Siegmund Gruber Boateng einen "Vorzeigeathleten".

Das ist alles andere als ein Vorzeigeumgang mit Gewalt gegen Frauen. Derartige Arroganz gegenüber den Gewaltverhältnissen zwischen Männern und Frauen steht gerade der unverändert männerdominierten Welt des Fußballs alles andere als gut an. (Beate Hausbichler, 4.6.2024)