Die langjährige Ephesos-Grabungsleiterin Sabine Ladstätter.
ÖAW-ÖAI/Niki Gail

Erst am Montag war bekannt geworden, dass Sabine Ladstätter die Grabungsleitung in der antiken Stätte Ephesos an ihren Kollegen und Stellvertreter Martin Steskal abgegeben hat. Nur wenige Stunden später kam die Nachricht, dass die renommierte 55-jährige Archäologin am Montag nach langer Krankheit gestorben ist, wie ORF.at berichtete. Das sei auch von der Familie bestätigt worden.

Ladstätter hatte 14 Jahre lang die Grabungsleitung in Ephesos inne. Rund 200 Wissenschafterinnen und Wissenschafter sind an den Forschungen in der 9000 Jahre alten Stadt, die in der heutigen Türkei liegt, beteiligt. Für Ladstätter, 2011 zur Wissenschafterin des Jahres gewählt, war Ephesos so etwas wie eine "zweite Heimat". Zuletzt wollte sie sich wieder ihrer Leidenschaft, der Keramikforschung, widmen.

Ladstätter wurde 1968 in Klagenfurt geboren. Nach der Matura in Völkermarkt studierte sie bis 1992 Archäologie und Alte Geschichte in Graz, für das Doktoratsstudium wechselte sie an die Universität Wien. Für diese leitete sie über mehrere Jahre die Ausgrabungen auf dem Hemmaberg in der direkten Umgebung ihrer Kärntner Heimat. Seit Mitte der Neunzigerjahre gehörte sie zum Forschungsteam der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos.

Widerstände und Erfolge

2009 wurde Ladstätter Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften, 2010 übernahm sie die Leitung der Grabungen in Ephesos. Ursprünglich war sie bereits Ende 2007 vom damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) als Grabungsleiterin für die zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Stätte in der Nähe des heutigen Selçuk vorgeschlagen worden. Nachdem dies auf türkischer Seite zunächst auf Widerstand gestoßen war, verzögerte sich ihre Bestellung bis zum Jahr 2010.

Trotz der langen Geschichte – seit 1895 sind österreichische Forscher vor Ort – muss das ÖAI alljährlich um eine Grabungsgenehmigung bei der Antikenverwaltung der Türkei ansuchen. Im Zuge von Spannungen zwischen Wien und Ankara wurde diese Lizenz mehrmals zum diplomatischen Spielball, und das österreichische Forschungsteam musste seine Tätigkeit in Ephesos einstellen. Auch während der Pandemie 2020 und 2021 hat nur das türkische Archäologenteam in Ephesos gearbeitet.

Trotz dieser Querelen sei ihre Turkophilie, ihre Verbundenheit zu dem Land unumstößlich, sagte Ladstätter 2022: Sie habe hier Freundschaften fürs Leben gefunden. Unter der Leitung der Kärntnerin wurden spektakuläre Funde gemacht. 2022 legte ihr Grabungsteam ein frühbyzantinisches Stadtviertel frei – ein Sensationsfund.

Ihr Buch Knochen, Steine, Scherben. Abenteuer Archäologie wurde 2014 zum Wissenschaftsbuch des Jahres gewählt. Ladstätter war korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts und des Archaeological Institute of America. Gastprofessuren führten sie unter anderem an die École normale supérieure de Paris und die Stanford University. 2023 wurde sie zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gewählt.

Würdigungen des Lebenswerks

Heinz Faßmann, Präsident der ÖAW, zeigt sich in einer ersten Reaktion zutiefst betroffen: „Sabine Ladstätter war eine brillante österreichische Wissenschafterin von internationaler Strahlkraft. Ich habe sie stets als einen Menschen voller Tatendrang erlebt. Sie brannte für ihr Fach, die Archäologie, und hatte die große Gabe, diese Leidenschaft und Begeisterung auch einem breiten, nichtwissenschaftlichen Publikum vermitteln zu können. Mit ihrer Forschung insbesondere in Ephesos hat sie maßgeblich zum weltweiten Ansehen der österreichischen Archäologie beigetragen. Ein außergewöhnlicher Mensch mit herausragenden Fähigkeiten ist von uns gegangen. Ihr Verlust schmerzt uns alle tief."

Auch Wissenschaftsminister Martin Polaschek reagierte auf das Ableben Ladstätters mit großer Bestürzung. Mit ihr verliere Österreich "nicht nur eine exzellente Archäologin und Wissenschafterin, sondern auch eine begnadete Wissenschaftskommunikatorin, die viele Menschen für die Geschichte der Antike zu begeistern wusste. Mein Mitgefühl gilt ihrer Familie", so Polaschek. Sabine Ladstätter hinterlässt eine Tochter. (red, 3.6.2024)

Anm. der Red.: In einer früheren Version wurde der Beginn der österreichischen Ausgrabungen irrtümlich mit 1985 angegeben.