Polizeiauto
Der Angriff hatte sich am Freitagvormittag auf dem Marktplatz in der Innenstadt von Mannheim ereignet.
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Mannheim/Wien/Berlin – Nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten aus Mannheim fahren die Dienstfahrzeuge der deutschen Bundespolizei bundesweit mit Trauerflor. Das teilte das Innenministerium in Berlin Montag mit. Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bedankte sich bei den Polizeibeamten für das Zeichen ihrer Trauer. Der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) versprach indes, alles zu tun, um eine derartige Attacke in Österreich zu verhindern.

Bei dem Angriff hatte ein 25-Jähriger Freitagvormittag auf dem Marktplatz in der Innenstadt von Mannheim bei einer Veranstaltung der islamfeindlichen Bewegung Pax Europa (BPE) sechs Männer verletzt, darunter den Polizisten. Der 29-Jährige erlag am Sonntagnachmittag seinen Verletzungen. Der mutmaßliche Angreifer mit afghanischer Staatsbürgerschaft hatte mehrmals in den Kopfbereich des Beamten gestochen.

Video: Bei Messerattacke in Mannheim verletzter Polizist gestorben.
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Innenminister "tief erschüttert"

Österreichs Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kondolierte den Angehörigen und Kollegen des getöteten Polizisten und verurteilte den Messerangriff auf der Plattform X: "Dieser Anschlag war eine direkte Attacke auf die Meinungsfreiheit, eines der schützenswertesten Güter unserer Demokratie. Angriffe auf ebendiese Freiheit – egal ob von fundamentalen Islamisten oder Rechtsextremisten – sind uns Demokrat:innen nicht egal."

Innenminister Karner zeigte sich Montag "tief erschüttert und betroffen". Er habe Sonntagabend Faeser, der deutschen Polizei, aber auch der Familie des "ermordeten" Polizisten seine persönliche Anteilnahme übermittelt. "Solche hinterhältigen, solche feigen Anschläge dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben", sagte Karner am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der finnischen Innenministerin Mari Rantanen in Wien. Daher sei es Aufgabe der Polizei, der Exekutive und des Verfassungsschutzes, hier mit aller Vehemenz zu ermitteln, auszuforschen und so etwas zu verhindern.

Karner verwies auf den jüngsten Verfassungsschutzbericht, der gezeigt habe, dass islamistischer Extremismus und auch die Gefährdung durch Einzeltäter jener Bereich sei, der eine besondere Bedrohung darstelle. Dies habe sich in Österreichs Nachbarland nun gezeigt. "Und wir werden alles tun – mit den Mitteln des Rechtsstaates –, so etwas zu verhindern und mit aller Konsequenz und Härte auch dagegen vorzugehen."

Trauerflor und Schweigeminute

Zuvor hatte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) für den gestorbenen Polizisten Trauerflor und eine Schweigeminute veranlasst. Am kommenden Freitag – eine Woche nach der Tat – soll um 11.34 Uhr des 29-Jährigen gedacht werden, teilte das Innenministerium am Montag mit. Auch eine Trauerfeier ist geplant. Wann diese stattfinden soll, stehe bisher nicht fest, sagte ein Polizeisprecher. Man wolle zunächst der Familie Raum zum Trauern geben. Für den Abend ist in Mannheim eine Kundgebung geplant, an der auch Strobl teilnehmen will.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach der tödlichen Messerattacke ein striktes Vorgehen gegen Extremisten angekündigt. Scholz sagte Montag, der Polizist habe für Frieden und Sicherheit sein Leben verloren. Er sei im Einsatz gewesen, weil er die Demokratie beschützt habe und das Recht von allen, die eigene Meinung zu sagen, egal, ob sie irgendwem sonst gefalle, so der deutsche Kanzler bei einem Besuch im vom Hochwasser betroffenen Reichertshofen in Oberbayern. "Wenn jetzt Extremisten die Freiheit, sich zu bewegen, seine Meinung zu äußern, beeinträchtigen, dann müssen sie wissen, dass sie uns als ihre härtesten Gegner haben."

"Wir werden mit allem, was wir zur Verfügung haben, den Rechtsstaat und die Sicherheit verteidigen. Polizei, Justiz und unsere Nachrichtendienste haben diese Aufgabe, sie tun das. Aber auch wir als Bürger werden da zusammenstehen." Extremistische Täter von links wie von rechts "sollten sich fürchten müssen und damit rechnen, dass wir alle Mittel einsetzen, um ihnen zu begegnen." Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner zitierte Scholz in Berlin mit den Worten: "Ein Angriff auf einen Polizisten im Einsatz ist ein Angriff auf uns alle."

Außenministerin Annalena Baerbock rief die Gesellschaft zu Geschlossenheit auf und warnte vor einer Diskussion über eine verschärfte Migrationspolitik. Eine solche Debatte wäre kontraproduktiv, sagte die Ministerin am Montagabend auf dem "Ständehaus Treff" der "Rheinischen Post" in Düsseldorf. "Extremismus tötet", warnte Baerbock. Extremisten wie Islamisten gingen gegen liberale Gesellschaften vor und wollten diese spalten. Die Antwort darauf müsse sein, dass Demokraten geschlossen zusammenstünden.

Bundesanwaltschaft übernimmt

Die deutsche Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Die oberste deutsche Anklagebehörde in Karlsruhe begründete dies am Montag mit der "besonderen Bedeutung des Falls". "Wir gehen von einer religiösen Motivation der Tat aus", sagte eine Sprecherin. Die Sprecherin führte aus, man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen war der Täter zuvor weder als Straftäter noch als Extremist aufgefallen. Nach einem Bericht der Welt war der Asylantrag des Afghanen 2014 abgelehnt worden. 2023 sei ihm eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden, weil er mit einer Frau in Deutschland ein Kind zeugte, für das er auch das Sorgerecht bekam.

Auf die Frage, ob die Messerattacke womöglich Auswirkungen auf die Sicherheitsvorkehrungen für die Fußball-Europameisterschaft haben werde, antwortete ein Sprecher des deutschen Innenministeriums am Montag in Berlin, die Sicherheit habe bei der EM natürlich höchste Priorität. Bund und Länder bereiten sich deshalb intensiv vor, um diese gewährleisten zu können. "Selbstverständlich ist es immer so, dass lageabhängig Maßnahmen geprüft werden", fügte er hinzu.

Forderungen nach Abschiebungen

Faeser bedankte sich bei den Beamten der deutschen Bundespolizei für das Zeichen ihrer Trauer. "Diese Tat zeigt auf furchtbare Weise, wie gefährlich der Dienst von Polizistinnen und Polizisten für unser Land und für unsere Gesellschaft sein kann. Dafür verdienen sie größten Respekt und größte Anerkennung", zitierte das Innenministerium Faeser in der Mitteilung. Faeser forderte "schnelle Strafen" für den Täter. "Wir müssen als Staat jetzt ganz hart und schnell reagieren. Das muss eine schnelle Strafe für den Täter geben", sagte die Innenministerin am Montag im Reuters-TV-Interview am Rande eines Besuchs im bayerischen Hochwassergebiet.

Laut Rheinischer Post soll sich auf Antrag der Unionsfraktion der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit der Tat und der Gewalt gegen Polizisten beschäftigen. Eine mögliche Haftstrafe müsste der mutmaßliche Mannheimer Täter in Deutschland verbüßen. Ob und wann ein ausländischer Straftäter nach Verbüßung der Haftstrafe abgeschoben wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Situation in seinem Herkunftsland zum Zeitpunkt der Haftentlassung.

Nichtsdestotrotz wurden aus SPD und FDP Forderungen laut, Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich zu machen. "Wer ohne deutschen Pass in Deutschland schwere Straftaten begeht oder als Gefährder oder Verfassungsfeind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, muss schleunigst unser Land verlassen", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der Süddeutschen Zeitung am Montag. Das müsse auch für Menschen aus Afghanistan gelten. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sprach sich für ein solches Vorgehen aus. "Aus meiner Sicht müssen Abschiebungen auch nach Afghanistan möglich sein", sagte Djir-Sarai in Berlin. Es sei nicht darstellbar, dass ein Straftäter in Deutschland nicht abgeschoben werden könne.

Der deutsche Grünen-Co-Parteichef Omid Nouripour warnte indes vor einem Rückführungsabkommen mit den in Afghanistan herrschenden radikal-islamischen Taliban. Sahra Wagenknecht (BSW) forderte eine Kehrtwende in der Migrationspolitik. (APA, red, 3.6.2024)