Andris Nelsons dirigierte die Philharmoniker.
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Sollte ihnen am Freitag die Abendsonne lachen, wer weiß: Die Wiener Philharmoniker könnten bei ihrem Sommernachtskonzert 2024 mit Andris Nelsons, im Jahr zwei also nach Corona, wieder einmal einen Publikumsrekord einfahren. Ohrwürmer aus der Feder von Wagner, Verdi und Smetana – und natürlich nicht zuletzt der gewohnte Gratiseintritt – locken zur Völkerwanderung Richtung Schönbrunn.

Im vergleichsweise intimen Rahmen des Großen Musikvereinssaals hat Nelsons bereits am vorigen Wochenende zwei Abo-Konzerte dirigiert – und damit gewissermaßen ein Kontrastprogramm zur "Sommernacht", bescherten diese beiden Indoor-Termine doch eher rare Klänge. Zu Beginn Schostakowitschs Erstes Cellokonzert: Fahrig vom eröffnenden Vierton-Motiv an, wirken diese 30 Minuten weitgehend wie unter hohem Koffeineinfluss komponiert und bieten in den Randsätzen kaum Durchschnaufmomente. Für Gautier Capuçon dennoch kein Problem: Der französische Cellovirtuose vom Dienst meisterte das kleinteilige Notenaufkommen mit der Wendigkeit eines Athleten, verstand es aber auch, in den elegischen Momenten Schostakowitschs Klagegesängen Eindringlichkeit zu verleihen.

Volltönendes Genusserlebnis

Danach mutierte Nelsons zum Energiebündel: Der Lette dirigierte Sibelius' Zweite Symphonie mit einem Furor, als wollte er das Image vom finnischen Fadgas-Komponisten ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Treibende Tempi und eine drahtige Dynamik bescherten dem Kopfsatz Sogwirkung und dem Scherzo halsbrecherische Rasanz. Der Schlusssatz geriet zum volltönenden Genusserlebnis: Süße Geigenlinien und cremige Bläserakkorde verliehen dem D-Dur-Finale die Anmutung einer üppigen Desserttorte – Jubel. (Christoph Irrgeher, 3.6.2024)