Unternehmenszentrale von FTI Touristik und dem Spartensender sonnenklar TV in München, Deutschland.
Die Insolvenz des deutschen Reiseunternehmens FTI trifft auch die Geschäfte in Österreich und den Niederlanden.
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Berlin – Der deutsche Reisekonzern FTI meldet Insolvenz an. Die FTI Touristik GmbH, Dachgesellschaft der FTI Group, des drittgrößten europäischen Reiseveranstalters, stellte Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, teilte das Unternehmen mit. Noch nicht begonnene Reisen können voraussichtlich ab 4. Juni nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden.

Die Insolvenz trifft auch das Geschäft in Österreich, wo der Konzern eine Zweigniederlassung in Linz hat und mit rund 70 Mitarbeitern vertreten ist. "Generell betroffen sind alle bei dem Reiseanbieter FTI Touristik GmbH gebuchten Leistungen. Dies beinhaltet die Marken FTI in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, die Marke 5 vor Flug in Deutschland, die Bigxtra GmbH sowie die Mietfahrzeugmarken Drive FTI und Cars and Camper", heißt es auf der FTI-Webseite. FTI zählt in Österreich zu den führenden Reiseveranstaltern.

"Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die bereits angetretenen Reisen auch planmäßig beendet werden können", hieß es vom Unternehmen. Vom Insolvenzantrag unmittelbar betroffen ist den Angaben zufolge zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt.

Hilfe für Reisende

Wer eine Pauschalreise mit FTI gebucht hat, will klarerweise nicht auf den Kosten sitzenbleiben. Die Pauschalreiserichtlinie der EU sieht in solchen Fällen vor:

– Wenn eine gebuchte und bezahlte Pauschalreise nicht angetreten werden kann, muss der Insolvenzabsicherer (Deutscher Reisesicherungsfonds) den Kunden den gesamten Reisepreis ersetzen.

– Wenn eine Pauschalreise bereits angetreten wurde, hat der Insolvenzabsicherer dafür zu sorgen, dass die ordnungsgemäße Heimreise organisiert wird bzw. Mehrkosten für die Reisenden ersetzt werden.

– Der Insolvenzabsicherer muss 24 Stunden erreichbar sein (siehe Sicherungsschein).

Wer in Österreich eine Pauschalreise mit FTI gebucht hat, unterliegt bei der Insolvenzabsicherung deutschem Recht, schreibt der Verbraucherschutzverein (VSV). "Wir raten Betroffenen, Ansprüche auf Rückzahlung des bezahlten Reisepreises mit eingeschriebenem Brief samt Rückschein beim Abwickler geltend zu machen", sagt Miriam Faber, Juristin des VSV. "Sollten die Ansprüche nicht oder nur teilweise erfüllt werden, dann bietet der VSV Hilfestellung an und wird eine Sammelaktion zur Durchsetzung der Ansprüche starten."

Bei Pauschalreisen sind laut Arbeiterkammer Oberösterreich nicht nur die Kundengelder abgesichert, sondern auch die Rückreise vom Urlaubsort muss garantiert sein. Urlauber, die sich derzeit an ihrem Urlaubsort befinden, sollen sich laut AK OÖ an ihr Reisebüro oder an folgende Notfallnummer wenden: +4989710451498.

Corona-Krise

Woher rühren die Probleme des Reiseveranstalters? Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Corona-Krise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestor Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.

Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen geblieben. "Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte", teilte FTI mit. Dem Handelsblatt zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags aufgetan haben.

Der deutsche Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende weitere Hilfen für das Unternehmen abgelehnt, er soll keine Chance mehr gesehen haben, die Insolvenz mit einem erneuten Zuschuss abwenden zu können. "Es gibt unterschiedliche Gründe, haushälterische, rechtliche und wirtschaftliche Gründe, weshalb hier keine weiteren Hilfen über die sehr vielen großen Hilfen hinaus erfolgten", sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums am Montag.

Reisesicherungsfonds

Jetzt ist der 2021 gestartete Deutsche Reisesicherungsfonds am Zug und soll sich um die oben genannten Punkte kümmern. Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom deutschen Justizministerium beaufsichtigte Fonds war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden. Die Versicherung hatte damals wegen einer Haftungsbeschränkung nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein.

Die FTI Group mit etwa 11.000 Beschäftigten war in der Pandemie, die die Branche in eine schwere Krise stürzte, in Bedrängnis geraten. Zuletzt sah sich der nach Tui und DER Touristik drittgrößte europäische Reisekonzern dank gestiegener Nachfrage wieder auf Kurs. Im vergangenen Geschäftsjahr 2022/23 verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von zehn Prozent auf 4,1 Milliarden Euro und erwirtschaftete einen Ertrag in zweistelliger Millionenhöhe. Nähere Details zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht. Hauptgesellschafter war zuletzt die ägyptische Investorenfamilie Sawiris. (APA, and, 3.6.2024)