Polizisten und Polizistinnen tragen bei einem Einsatz Stichschutzwesten
Auf der Straße tragen uniformierte Polizistinnen und Polizisten in Österreich immer Stichschutzgilets.
Foto: APA / Florian Wieser

Der Tod des deutschen Polizisten, der nach einer Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz verstorben ist, sorgt auch bei der heimischen Polizei für Anteilnahme und Alarmstimmung. Erst vor wenigen Tagen wurde auch in Wien ein Polizeibeamter im Rahmen einer Amtshandlung von einem unbeteiligten Mann mit einem Messer angegriffen. Im Gegensatz zum deutschen Fall, bei dem der Angreifer auf den Hals des Polizisten eingestochen hatte, zielte der Attentäter in Wien auf den Oberkörper. Doch der Polizist trug eine Stichschutzweste, die den Angriff abwehrte. Die Attacke ereignete sich in der erst kürzlich verhängten Waffenverbotszone in Wien-Favoriten. Der 24-jährige Polizist erlitt Abschürfungen, seine Kollegen überwältigten den Angreifer mit Elektrotasern. Bei seiner Einvernahme gab der jordanische Staatsbürger an, dass er große private Probleme habe und provozieren wollte, von der Polizei erschossen zu werden. Diese Motivlage ist auch als "Suicide by Cop" bekannt.

Angriffe auf Polizei nehmen zu

Morde an Polizisten in deren Dienstzeit sind in Österreich sehr selten. 1945, kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wurden in Linz acht Polizeibeamte ermordet, die gegen Plünderungen vorgehen sollten. 1975 war beim Terrorüberfall der palästinensischen Abu-Nidal-Gruppe auf die Opec in Wien ein Sicherheitsbeamter unter den drei Todesopfern. Drei Jahre später tötete in Kindberg ein gesuchter Krimineller zwei Gendarmeriebeamte, die ihn festnehmen wollten. 2013 erschoss ein Wilderer im niederösterreichischen Annaberg drei Polizisten und einen Sanitäter. Drei Jahre später traf ein Supermarkträuber in Wien-Penzing beim Schusswechsel mit der Polizei einen jungen Polizisten aus Kärnten tödlich in den Kopf. 2022, aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor, wurden in Österreich 512 Polizistinnen und Polizisten in Ausübung ihres Dienstes von Dritten verletzt, zehn davon schwer. Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Innenministerium nehmen Angriffe auf Polizeibeamte seit Jahren tendenziell zu. Deshalb gehören Schutzwesten seit 2018 zur Standardausrüstung bei der Polizei. "Jede Beamtin und jeder Beamte hat eine persönlich zugewiesene Stichschutzweste", heißt es auf STANDARD-Anfrage bei der Wiener Polizei. Für Uniformierte im Außendienst bestehe eine Trageverpflichtung.

Die leichten Schutzgilets können sowohl unter als auch über einer Uniformjacke getragen werden und bieten nicht nur Schutz vor Messern und spitzen Gegenständen, sondern auch vor Schüssen aus bestimmten Waffen. Der ballistische Schutz der gängigen Westen soll bis zu Kaliber neun Millimeter aus Maschinenpistolen gehen, wie Karl Nehammer (ÖVP) im Mai 2021 als damaliger Innenminister bei der Übergabe der letzten Tranche von Schutzwesten erklärte. Das entspricht der dritten von vier international üblichen Kategorien. Die vierte und beste Stufe einer beschusshemmenden Weste bietet auch Schutz vor Langwaffenmunition mit Vollmantel. Allerdings gibt es Munition, die auch diese Westen durchschlagen kann. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Selbst wenn etwa ein Projektil abgeblockt wird, kann es durch die Wucht des Aufpralls zu Knochenbrüchen und lebensgefährlichen Verletzungen der inneren Organe kommen.

Schutzausrüstung wiegt mehr als 20 Kilogramm

Bei Kundgebungen tragen die Einsatzkräfte außerdem eine Schlagschutzausrüstung für Beine und Arme und meistens einen ballistischen Helm. Letzterer gehört auch zur Ausstattung von Sondereinsatzkommandos. Situationsbedingt legen Cobra und Wega noch zusätzliche ballistische Schutzkleidung an. Alles in allem bringen die Einsatzkräfte dann mehr als 20 zusätzliche Kilogramm auf die Waage. Eine leichte Stichschutzweste hingegen ist ungefähr zweieinhalb Kilogramm schwer, sie besteht aus mehreren Kunstfaserschichten. Im Einzelverkauf liegen die Preise pro Weste zwischen 300 und 1000 Euro pro Stück.

Für extrem heikle Zugriffe, Evakuierungen und Einsätze bei Krawallen verfügt die Wega seit kurzem über ein zehn Tonnen schweres, gepanzertes Fahrzeug vom Typ Survivor R. Die Panzerung soll Beschüssen eines Sturmgewehrs AK-47 standhalten. Der ursprünglich für das Militär entwickelte Gelände-Lkw ist mit einer ausfahrbaren Leiter auf dem Dach ausgerüstet. Der blaue Brummer hat 285 PS und erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 110 Stundenkilometern. (Michael Simoner, 3.6.2024)

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