Porträt
Der Archäologe Martin Steskal wird neuer Leiter des österreichischen Grabungsteams in Ephesos.
APA/ÖAW/DANIEL HINTERRAMSKOGLER

Sabine Ladstätter konnte auf viele, zum Teil spektakuläre Funde zurückblicken. Die Archäologin, die am Montag nach langer Krankheit starb, war 14 Jahre lang Leiterin der traditionsreichen Grabungen in der antiken Stadt Ephesos. Ihr folgt Martin Steskal (50) nach, wie das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Montag mitteilte. Steskal ist seit 1999 an den Ausgrabungen an der Stätte in der Türkei beteiligt und war seit 2015 stellvertretender Grabungsleiter. Seit Herbst 2023 leitet er die Abteilung Historische Archäologie des ÖAI.

Ladstätter war ursprünglich bereits Ende 2007 vom damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) als Grabungsleiterin für die zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Stätte in der Nähe des heutigen Selçuk vorgeschlagen worden. Nachdem dies auf türkischer Seite zunächst auf Widerstand gestoßen war, verzögerte sich ihre Bestellung bis zum Jahr 2010. Seither war sie für die im Jahr 1895 aufgenommenen Grabungen verantwortlich. 2011 wurde sie zur Wissenschafterin des Jahres gekürt.

Sabine Ladstätter leitete 14 Jahre lang die Grabungen in Ephesos.
ÖAW-ÖAI/Niki Gail

Spannungen zwischen Wien und Ankara

Trotz der langen Geschichte muss das ÖAI alljährlich um eine Grabungsgenehmigung bei der Antikenverwaltung der Türkei ansuchen. Im Zuge von Spannungen zwischen Wien und Ankara wurde diese Lizenz mehrmals zum diplomatischen Spielball, und das österreichische Forschungsteam musste seine Tätigkeit in Ephesos einstellen. Auch während der Pandemie 2020 und 2021 hat nur das türkische Archäologenteam in Ephesos gearbeitet. Für heuer hat die Türkei die Grabungsgenehmigung erteilt, die Arbeiten sollen in diesen Tagen starten.

"Wir führen in diesem Jahr Grabungen am größten monolithen Tempel in Kleinasien durch, dem sogenannten Serapeion", erklärte Steskal gegenüber der APA. Zudem wollen die Archäologinnen und Archäologen eines der Stadttore freilegen und die Grabungen in einem Geschäftsviertel am Domitiansplatz fortführen. Weiters stehen dem neuen Grabungsleiter zufolge Forschungen zu den unterschiedlichsten Fundgattungen quer durch alle Epochen und zur Architektur, naturwissenschaftliche Analysen und Restaurierungen auf dem Programm.

Blick auf die Palastanlage in Ephesos.
ÖAW-ÖAI/Niki Gail

Rekonstruktion der Lebensumstände

Bei den Ephesos-Grabungen handle es sich um "eine der größten wissenschaftlichen Unternehmungen Österreichs im Ausland", sagt ÖAW-Präsident Heinz Faßmann. Ladstätter habe "als Grabungsleiterin großartige Arbeit geleistet". Mit dem gebürtigen Oberösterreicher Steskal habe man nun einen "hervorragenden Nachfolger gefunden, um Ephesos für kommende Generationen zu erforschen und zu erhalten", sagt Faßmann zu der laut ÖAW bereits am 5. April seitens der Türkei bestätigten Ernennung.

Für den neuen Grabungsleiter bietet die Fundstätte mit ihrer 9000-jährigen Historie, an der jährlich rund 200 Wissenschafter aus über 15 Ländern arbeiten und die über zwei Millionen Besucher pro Jahr anzieht, "eine außergewöhnliche Möglichkeit, die Entwicklung eines Siedlungsraums aus einer Langzeitperspektive zu betrachten". In den nächsten Jahren stünden nun Fragen zur einstigen Kreislaufwirtschaft, zum Management der vorhandenen Ressourcen, zu den Mensch-Umwelt-Beziehungen sowie zu Produktion und Konsum im Vordergrund. Der Fokus liege auf der Rekonstruktion der Lebensumstände der antiken Bevölkerung. Dazu brauche es auch "den buchstäblichen langen Atem", sagt Steskal. (red, APA. 3.6.2023)