Elektroauto wird betankt
Die ÖVP möchte neben Elektroautos vor allem auf "grüne" Verbrennungsmotoren mit E-Fuel setzen.
IMAGO/Daniel Ingold

Die ÖVP hat recht, prinzipiell: Österreich könnte mehr Technologieoffenheit vertragen, und zwar deutlich mehr. Das zeigt Studie um Studie. In Umfragen weist Österreich verlässlich seit Jahren einigermaßen katastrophale Werte auf, wenn das Interesse an Technologie- und Wissenschaft, das Wissen darüber und das Vertrauen in die Forschung abgefragt werden.

Wenn dieser Tage unter anderem ein ÖVP-Landeshauptmann, der EU-Spitzenkandidat der Volkspartei und selbst der Kanzler ausreiten, um mit dem Argument der Technologievielfalt für Benzin- und Dieselmotoren zu kämpfen, dann drängt sich allerdings die Frage auf: Wie sehr geht es hier überhaupt um Wissenschaft? Und wie sehr um Wahlkampf?

E-Fuel als Alternative

Die ÖVP stemmt sich bekanntlich gegen die EU-weite, von Österreich zuvor selbst mitbeschlossenen Verordnung, wonach Neuwagen ab 2035 emissionsfrei sein müssen. Sie wolle sich nicht die Technologie für die Energiewende vorschreiben lassen, argumentiert die Kanzlerpartei.

Das passiert ohnehin nicht, denn was die Technologie der Zukunft ist, darauf hat sich die EU nicht festgelegt. Bestehende Verbrennerautos dürfen zudem weiterhin Europas Straßen befahren. Die von der ÖVP gerne ins Spiel gebrachten synthetisch hergestellten Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren betankt werden können (kurz E-Fuels), wurden von dem Verbot ausgenommen.

E-Fuels gelten tatsächlich als ein Teil der Lösung und sollen laut EU überall dort eingesetzt werden, wo ein Verbrennungsmotor alternativlos ist: im Schiffsverkehr etwa oder für Flugzeuge. Für den Massen-Individualverkehr aber taugen sie zumindest in näherer Zukunft nicht – dafür sind sie zu im Vergleich zu anderen Optionen zu teuer und zu energiefressend.

Umbruch in der Autoindustrie

So lautet zumindest die gängige Fachmeinung – die die ÖVP stets mit dem Vorwurf des "Denkverbots" zurückweist. Das Zeitalter der Benzin- und Dieselautos geht allmählich zu Ende. Der Trend geht hin zu Fahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb – in Teilen Europas, vor allem aber in China und den USA. Der Antrieb der Türkisen dürfte weniger die viel strapazierte Technologieoffenheit sein als die Sorge vor den Konsequenzen der voranschreitenden Elektrifizierung für die heimische Automobilindustrie.

Diese Probleme könnte sie klar benennen und Lösungsansätze präsentieren anstatt die Wissenschaft vorzuschieben, auf die sie selbst nur bedingt hört. Ein selektiver Umgang mit Forschungsergebnissen ist allerdings keine Spezialität der ÖVP.

Reflexhafte Ablehnung

In weiten Teilen der FPÖ wird nicht erst seit der Coronakrise die Wirkung von Impfungen in Frage gestellt. Aber auch die Grünen beispielsweise, die angesichts der Erderwärmung gerne auf Zahlen und Fakten zeigen, blenden den Stand der Wissenschaft aus, wenn sie Gentechnik betrifft. Oder: Im Gegensatz zu Finnland etwa, wo sich inzwischen eine Mehrheit für Atomkraft ausspricht, können die Vor- und Nachteile der Atomenergie hierzulande noch nicht einmal diskutiert werden. Zu groß ist die reflexhafte Ablehnung.

Wissenschafts- und Technologieskepsis sind ein breites Phänomen in Österreich, das sich im politischen Spektrum vom ganz rechten bis zum äußerst linken Rand erstreckt. Wissenschaft lebt vom Widerspruch und Hinterfragen sowie davon, Positionen manchmal auch über Bord werfen zu müssen. Daran sollte sich die Politik, aber auch ein jeder und eine jede ein Vorbild nehmen. (Anna Giulia Fink, 4.6.2024)