Ex-Parlamentspräsident Ali Larijani bei seiner Registrierung für die Präsidentschaftswahlen am 28. Juni. Im Jahr 2021 verbot ihm der Wächterrat die Kandidatur.
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Das letzte Wort spricht der Wächterrat am 11. Juni: Von jenen Männern und wenigen – sie werden immer gestrichen – Frauen, die ihre Kandidatur für Präsidentschaftswahlen anmelden, bleibt im Iran immer nur eine Handvoll übrig. 80 Personen, darunter einige aktuelle Kabinettsmitglieder, frühere Minister und Funktionäre, wollen diesmal laut offiziellen Quellen antreten. Stimmt diese Zahl, dann ist sie historisch niedrig.

Bei den Präsidentenwahlen 2021 waren es fast 600, 2017 mehr als 1600 Kandidaten. 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 76 Prozent. Als 2021 Präsident Ebrahim Raisi durchgedrückt wurde, indem der Wächterrat alle seine Konkurrenten eliminierte, sackte sie auf 49 Prozent ab. Nach dem Tod Raisis bei einem Hubschrauberabsturz im Mai wird das Amt am 28. Juni oder bei einer Stichwahl eine Woche später neu vergeben. Aber dass die Iraner und Iranerinnen das Interesse an Wahlen verloren haben, zeigten sie schon im April bei den Parlaments- und Expertenratswahlen.

Die Wahl Khameneis

Bei Präsidentschaftswahlen in der Islamischen Republik dürfen immer nur Kandidaten antreten, die dem Regime genehm sind. Aber innerhalb dieser Vorgaben gab es eine gewisse Bandbreite, vom Reform-Intellektuellen Mohammed Khatami bis zu dessen Nachfolger, dem nationalistischen Berserker Mahmud Ahmadinejad – er tritt auch diesmal wieder an –, der wiederum vom Pragmatiker Hassan Rohani beerbt wurde.

Raisi war 2021 die Wahl des 85-jährigen religiösen Führers, er sollte einen glatten Übergang in die Ära nach Khamenei garantieren. Gerade weil er gleich nach Beginn seiner Amtszeit eine reaktionäre Wende einleitete, brachen 2022 monatelange feministische Proteste aus, die vom Regime brutal niedergeschlagen wurden: keine Rede von einer geeinten iranischen Gesellschaft. Und die iranische Wirtschaft leidet unter den Sanktionen und unter den Staatsausgaben für die regionalen Klienten des Iran, wie Hisbollah, Hamas und andere, seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs umso mehr.

Ahmadinejad war der erste Nicht-Mullah im Präsidentenamt. Angesichts der Kandidaten ist wahrscheinlich, dass der Nachfolger des Turbanträgers Raisi – der sogar als möglicher Nachfolger Khameneis genannt wurde – wieder ein Laie wird. Das Spektrum der starken Kandidaten schwankt diesmal zwischen dem Hardliner Saeed Jalili, einem ehemaligen Chef des Nationalen Sicherheitsrats, und Ex-Parlamentspräsident Ali Larijani, der als gemäßigt gilt. Dazwischen liegt der soeben erst wieder zum Parlamentspräsidenten gewählte Konservative Mohammed Bagher Ghalibaf. Keiner der drei ist ein Geistlicher.

Jalili, Ghalibaf, Larijani

Saeed Jalili war als Sicherheitsratschef bis 2013 für das Atomprogramm verantwortlich, unter ihm scheiterten Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft, unter ihm wurden immer strengere Sanktionen verhängt, und der Iran begann mit der Urananreicherung auf 20 Prozent. 2013 trat er schon einmal bei den Präsidentschaftswahlen an, die damals Rohani gewann. Jalili wurde mit nur elf Prozent Dritter.

Vom Scheitern bei Präsidentschaftswahlen kann auch Mohammed Bagher Ghalibaf ein Lied singen. Diese Wahlen werden seine vierten sein, auch wenn er 2017 seine Kandidatur zugunsten Raisis – der damals gegen Rohani verlor – zurückzog. Zuvor probierte er es 2005 und 2013. Seit Jahren dieselben Namen bei den Wahlen und in den Ämtern: Das politische Personal im Iran ist äußerst "stabil". Zuletzt war Ghalibaf Parlamentspräsident und vorher Bürgermeister von Teheran. Es ist nicht ohne Ironie, dass ihm jetzt gerade wegen seiner Farblosigkeit Chancen ausgerechnet werden.

Auch Ali Larijani war einmal Parlamentspräsident. Er stammt aus einer berühmten politischen Familie, sein Bruder Sadeqh war früher Justizchef. Bei ihm ist die Sache komplizierter: Er ließ sich bei den Wahlen 2021 als Kandidat registrieren – und wurde vom Wächterrat gestrichen. Das kam damals eher unerwartet. Mittlerweile rückt der Rat, der jedoch nichts gegen den Willen des religiösen Führers tut, bei allen Wahlen mit der großen Axt aus: Im April durfte etwa Ex-Präsident Hassan Rohani nicht für den Expertenrat, in dem er zuvor jahrelang gesessen war, antreten.

Sorge um Wahlbeteiligung

Dass es Larijani noch einmal wissen will, könnte unterschiedlich gedeutet werden: etwa als ein Auflehnen gegen die derzeitige Engführung auch innerhalb des Regimes, nachdem sich auch Rohani vor kurzem in einem offenen Brief gegen seinen Ausschluss beschwerte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich Larijani vorher die Zustimmung für seine Kandidatur bei Khamenei holte, der vielleicht hofft, durch ihn die Wahlbeteiligung etwas in die Höhe zu treiben.

Die Hardliner haben bereits begonnen, sich auf Larijani einzuschießen, der noch dazu als Slogan "an Höhe gewinnen" gewählt hat, was ihm von Ghalibaf angesichts des Hubschrauberabsturzes Raisis als Geschmacklosigkeit ausgelegt wurde. Die Fetzen werden aber vor allem zwischen Jalili und Larijani fliegen. Dass Larijani die miese wirtschaftliche Lage aufgrund der Sanktionen thematisiert, kommentierte Ahmad Alamolhoda, wichtiger Freitagsimam von Mashhad und Schwiegervater des verunglückten Raisi, mit dem Hinweis, dass die "Unterwerfung unter den höchsten Führer" das einzige Kriterium dafür sein sollte, wem die Menschen ihre Stimme geben. (Gudrun Harrer, 6.6.2024)