Servus TV feiert gerade wieder bisher beste Quoten im Mai und einen neuen Höchststand an Videoabrufen und gesehenen Minuten auf der Plattform Servus TV On. Die meisten Streamingviews, 400.000, hatte im Mai Der Wegscheider – der Wochenkommentar des Senderchefs Ferdinand Wegscheider. Oder wie Wegscheider in eigenen Worten "Mainstreammedien" mit der Bewertung des Formats zuvorkommt: "Verschwörungsangstmache eines Schwurblers".

"Verschwörungsangstmache eines Schwurblers": Servus-TV-Chef Ferdinand Wegscheider rechnet mit diesem Befund von "Mainstreammedien" über seinen jüngsten Wochenkommentar.
Servus TV Screenshot

"Geschürte Nazi-Hysterie"

Samstag gab sich Wegscheider alle Mühe, seine Attraktion für sein Publikum zu halten. Auf ihn ist Verlass. Der Servus-Chef ordnete die Reaktionen auf das Video von rassistischem Gegröle vor einer Sylter Partylocation als "geschürte pathologische Nazi-Hysterie" ein.

Wegscheider stellt das Gegröle und die politischen Reaktionen, die – tatsächlich zu hinterfragende – Veröffentlichung von Namen und Bildern, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen und den angekündigten Uni-Ausschluss etwa islamistischen Kundgebungen und Angriffen von Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber.

"Bei Mördern, Messerstechern, Vergewaltigern und Kinderschändern mit Migrationshintergrund hat meines Wissens noch kein Politiker der Ampel die Höchststrafe gefordert", sagt Wegscheider wörtlich etwa mit Verweis auf eine SPD-Politikerin, die für die Sylt-Gröler laut über Höchststrafen nachdachte.

"Vernaderung"

Aufrufe zu "Vernaderung" und "Denunziation" wirft Wegscheider etwa dem STANDARD vor, der einen Antirassismusexperten mit der Aufforderung zitierte, rechtes Gegröle heimlich zu filmen und anzuzeigen.

Mit "Verschwörungsangstmache eines Schwurblers" leitet Wegscheider ein Potpourri mehr als nur zugespitzter Warnungen vor dem Digital Services Act (DSA) der EU und seiner nationalen Umsetzung ein, die in dieser Tonalität vielleicht auch bei extrem rechten Verschwörungssendern wie Auf 1 laufen könnten.

"Totalitäres EU-Gesetz"

Von einem "totalitären EU-Gesetz" spricht Wegscheider, einem "praktischen Zensurinstrument" der EU, und behauptet, jedenfalls so lange er keinen Tatsachenbeweis antreten muss, etwa: Behörden könnten künftig einstufen, was Desinformation sei und "unerwünschte Nachrichten" unter Strafe stellen und verhindern. Und: Niemand solle wissen, "dass die Bevölkerung bei den Coron-Mmaßnahmen, insbesondere bei der Impfung, nach Strich und Faden belogen wurde".

"Fake News, die infrage stellen, dass der Klimawandel menschengemacht ist, sind tunlichst zu verhindern", spinnt Wegscheider seinen Grundgedanken über aus seiner Sicht drohende Zensur weiter, und: "Jegliche Kritik an Regierungen ist zu löschen und hart zu bestrafen."

Wegscheider wirbelt weiter, immer mit sprachlichen Kunstgriffen, die Satire betonen, wie hier "vereinzelt": "Informationen über vereinzelte Zwischenfälle von Straftätern mit Migrationshintergrund sollen noch rigider als bisher zensiert werden."

Aufnahmen wie vom Messerangriff in Mannheim am Freitag könnten dann nicht mehr gezeigt werden, sagt er. Wegscheider zeigt gleich um 19.40 Uhr im Fernsehen einen Videoausschnitt von dem Angriff. Die fiktionalen Folgen des "Tatort" sind zum Jugendschutz erst ab 20 Uhr frei zugänglich.

"George Orwell lässt grüßen", konstatiert Wegscheider zum DSA, mit dem sich "so ziemlich jede unliebsame Berichterstattung löschen, zensieren und bestrafen lasse".

Noch ganz ohne DSA beschäftigt sich der Verwaltungsgerichtshof mit "Der Wegscheider". Der Presseclub Concordia hat bei der Medienbehörde Komm Austria mutmaßliche Verstöße in der Kolumne gegen das auch für Privatsender geltende Objektivitätsgebot angezeigt. Die Behörde gab der Concordia recht, das Bundesverwaltungsgericht hob die Entscheidung gegen Servus TV wieder auf. Nun ist das Höchstgericht am Wort, angerufen von der Komm Austria. (Harald Fidler 2.6.2024)