Am 17. Juni werden an der Wiener WU zwei Kapitel aus dem vom Sozialministerium herausgegebenen Sozialbericht 2024 vorgestellt, anschließend soll im Beisein von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), Fiskalratschef Christoph Badelt und Momentum-Chefin Barbara Blaha darüber diskutiert werden. Um Armut und Vermögen soll es gehen.

Doch während das Kapitel Armut von seinen zwei Verfasserinnen präsentiert wird, werden die beiden Autoren des Studienteils "Privateigentum und Zugang zu Ressourcen" nicht dabei sein. Die Präsentation ihres von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) beigesteuerten Berichtsteils übernimmt der Ökonom und Ex-WU-Professor Wilfried Altzinger vom Forschungsinstitut Economics of Inequality (Ineq), das Präsentation und Diskussion veranstaltet. Die OeNB schreibt traditionellerweise am Sozialbericht mit, so auch an diesem.

Das Relief über dem Eingang zur Oesterreichischen Nationalbank
Experten der Nationalbank empfehlen im OeNB-Beitrag zum Sozialbericht wegen der ungleichen Vermögensverteilung im Land die Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie eine Besteuerung der Bodenrente. Nun sollen sie diesen Berichtsteil nicht öffentlich vorstellen.
APA/Tobias Steinmaurer

Bericht war genehmigt

Die zwei Autoren, Ökonomen der OeNB, haben abgesagt – und die Hintergründe sorgen in der Wissenschaftscommunity für Unverständnis und in der OeNB für ein gerüttelt Maß an Aufregung. Die OeNB habe ein Auftrittsverbot über die zwei Notenbanker verhängt, heißt es hinter vorgehaltener Hand, weil sie im letzten Kapitel ihres Beitrags die Einführung einer Erbschafts- und Vermögenssteuer empfehlen. Was bei Erscheinen des Sozialberichts im April für öffentliches Aufsehen gesorgt hatte – vor allem bei der ÖVP, die derartige Steuern bekanntermaßen ablehnt.

Im OeNB-Direktorium war nach der Veröffentlichung hoch loderndes Feuer am Dach, derlei Empfehlungen zu Fiskal- und Steuerpolitik gehörten nicht zu den Aufgaben der OeNB, wie es hieß. Gouverneur Robert Holzmann fühlte sich zudem angeblich übergangen und unvollständig informiert, vor allem was das letzte Kapitel betrifft – was er aber nicht war. Der Bericht ist nachweislich von allen Vorgesetzten der Autoren abgenommen und genehmigt worden, auch von Holzmann.

Autoren dürften nur Statistikteil vorstellen

Die Einladung an die WU haben die Autoren ausgeschlagen, wie Veranstalter Altzinger bestätigt. Begründet hätten sie das mit restriktiven Vorgaben durch ihre Vorgesetzten, wonach sie nicht über ihre Steuerideen sprechen sollten. Die OeNB bestätigt das: "Die Autoren wurden ersucht, sich in ihrem Vortrag auf den analytisch-deskriptiven Teil des Berichts zu beschränken. Denn die Kernkompetenz der OeNB liegt in der Geldpolitik und nicht in der Fiskal- und noch weniger in der Steuerpolitik", erklärt ein Sprecher. Die Frage, ob dies ein Auftrittsverbot darstelle, wurde nicht beantwortet. Nur so viel: Die Verfasser hätten sich dieser Empfehlung nicht anschließen wollen und deswegen auf den Vortrag verzichtet. Im Übrigen bildeten wissenschaftliche Arbeiten "einen elementaren Schwerpunkt" der OeNB, betont der Sprecher, und man stehe auch hinter allen entsprechenden Tätigkeiten der Mitarbeiter des Hauses.

Der Organisator der Veranstaltung, der emeritierte WU-Professor Altzinger, kann die ablehnende Haltung der OeNB nicht nachvollziehen: "Ich bedaure zutiefst, dass die beiden Studienautoren über diese Thematik nicht öffentlich reden dürfen, und präsentiere den Vermögensteil nur, wenn sie es nicht tun." Allem Anschein nach sei von der OeNB eine öffentliche Diskussion über einen von ihr abgenommenen und genehmigten Beitrag nicht erwünscht. (Renate Graber, 4.6.2024)