Das Dorf Fischach in der Nähe von Augsburg steht unter Wassser.
IMAGO/Michael Bihlmayer

Vorarlberg/Bayern/Baden-Württemberg/Friaul – Während sich die Wetterlage in Vorarlberg am Samstagvormittag entspannt hat, steigt die Hochwassergefahr in Süddeutschland weiter. Ein Ende des Regens ist dort vorerst nicht in Sicht. Dem Deutschem Wetterdienst (DWD) zufolge wird sich die Hochwasserlage aufgrund weiterer Stark- und Dauerregenfälle ausweiten.

In Vorarlberg hatte sich die Lage gegen Mitternacht zugespitzt. In einem Wohngebiet standen mehrere Häuser kurz vor der Evakuierung. Hörbranz und das Leiblachtal waren der Brennpunkt des Unwetters, das in den frühen Morgenstunden abklang. Während fast alle Flüsse – etwa der Rhein oder die Ill – durchwegs erhöhtes Mittelwasser führten, war die Leiblach, der Grenzfluss zu Deutschland, "übervoll".

Auch in Lindau am Bodensee - unmittelbar an der Grenze zu Vorarlberg - ist die Lage weiterhin kritisch.
IMAGO/Bernd März

Die Behörden bezeichneten die Lage als Ereignis, das nur alle 100 bis 300 Jahre vorkomme. Deshalb waren insgesamt 190 Einsatzkräfte allein bei der Feuerwehr in Hörbranz im Einsatz, 130 davon aus umliegenden Gemeinden und sogar bis aus Lustenau und Göfis im 40 Kilometer entfernten Göfis, da deren Spezialgerätschaften benötigt wurden.

Bodensee-Pegel stieg um 25 Zentimeter

"Der Pegel der Leiblach ist massiv gesunken", gab der Hörbranzer Feuerwehrkommandant Markus Schupp Samstagvormittag der APA gegenüber erleichtert Entwarnung. "Auch der Oberflächenzufluss ist auf Null gesunken", was übersetzt bedeutet, dass der Regen nachgelassen hat und das Wasser nun wieder seine normalen Abflussbahnen findet. "Jetzt geht's vor allem ans Keller auspumpen."

Mittlerweile ist der Wasserpegel der Leiblach in der Gemeinde Hörbranz wieder zurückgegangen.
APA/WASSERWIRTSCHAFT VORARLBERG

Auch in anderen Teilen Vorarlbergs kam es zu Problemen, vor allem durch überflutete Keller und Tiefgaragen. So verlegte ein Erdrutsch die Verbindung zwischen Buch und Alberschwende (Bezirk Bregenz). Insgesamt wurden mehr als 210 Feuerwehreinsätze verzeichnet. An exponierten Stellen im Norden Vorarlbergs fielen innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter, in Hörbranz im Leiblachtal oder am Pfänder, dem Hausberg von Bregenz, waren es 135 Liter. Der Bodensee-Pegel stieg innerhalb eines Tages um 25 Zentimeter auf 435 Zentimeter an.

Rheinvorländer gesperrt

Neben dem Norden des Landes - der Bodenseeraum und das Untere Rheintal - bekamen auch der Bregenzerwald sowie das Kleinwalsertal viel Regen ab. In diesen Regionen sei bis zum späten Samstagvormittag mit weiteren 100 Liter Regen pro Quadratmeter zu rechnen, sagte Gantner am Nachmittag. Kleinräumige Überflutungen, eine Überlastung der Regenwasserkanalisation, Rutschungen oder Murgänge seien abhängig von den Niederschlagszellen im ganzen Land möglich, warnte der Landesrat.

Aus Sicherheitsgründen wurden auch die üblicherweise für jedermann zugänglichen Rheinvorländer - dabei handelt es sich um Überflutungsflächen des Alpenrheins - von Lustenau bis zur Rheinmündung gesperrt. Die Sperre sollte am Samstag wieder aufgehoben werden, wie es hieß. Straßensperren betrafen die sogenannte Furt in Dornbirn sowie die Lochauer Straße (L18) zwischen Lochau und Hörbranz.

In Lindau am Bodensee schwimmen die Autos in den Fluten.
IMAGO/Bernd März

Menschen mit Booten gerettet

In Bayern riefen die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg und Günzburg indes den Katastrophenfall aus. Es sei damit zu rechnen, dass die Pegelstände weiter stark ansteigen, teilte das Landratsamt in Augsburg am Samstagvormittag mit. Neben Bayern ist auch das Nachbarbundesland Baden-Württemberg stark betroffen. Menschen wurden bereits in Sicherheit gebracht - teils mit Booten. Befürchtet wird mancherorts Jahrhunderthochwasser.

Im schwäbischen Landkreis Augsburg brachen Samstagmittag ein Deich und ein Damm. Bewohner in bestimmten Straßenzügen in dem Ort Bewohner in bestimmten Straßenzügen in dem Ort Diedorf müssen ihre Wohnhäuser verlassen. Das teilte das Landratsamt mit. "Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben."

Großflächige Überflutungen gab es bis Samstagmittag nicht. Allerdings traten vielerorts Flüsse und Bäche über die Ufer. Im schwäbischen Landkreis Unterallgäu wurden rund 150 Menschen aufgerufen, freiwillig ihre Häuser zu verlassen. Allein in der Ortschaft Babenhausen seien rund 100 Menschen betroffen, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. Die Menschen sollten teils mit Booten geholt werden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann wollten noch am Samstag in das schwäbische Hochwassergebiet reisen.

Hohe Gefahr in Bodensee-Region

Im baden-württenbergischen Friedrichhafen am Bodensee wurde laut Feuerwehr ein zentrales Sandsack-Lager in Auftrag gegeben. Rund 10.000 Sandsäcke sollen demnach aus einem Nachbarkreis dorthin gebracht werden. Hunderte Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Deutschem Roten Kreuz halfen.

Besonders im Fokus stand die Bodensee-Region: Wegen akuter Überflutungsgefahr wurde am Freitagabend rund 1.300 Menschen in Meckenbeuren geraten, ihr Zuhause zu verlassen. Die Lage habe sich zwischenzeitlich ein wenig entspannt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Generell gehe man davon aus, dass die Pegelstände wieder etwas sinken könnten, da viel Wasser schon abgeflossen sei, etwa in den Bodensee.

Überschwemmungen auch in der Schweiz und Italien

Auch in der Schweiz führten starke Niederschläge zu zahlreichen Überschwemmungen, Erdrutschen und überfluteten Kellern. Die Hochwasserlage war angespannt. Die Zürcher Feuerwehren mussten bis Samstagfrüh 200 Mal wegen Wasser in Gebäuden oder überfluteten Straßen ausrücken. Im Kanton Thurgau registrierte die Polizei vorerst mehr als 100 Schadensmeldungen. Im Kanton St. Gallen koordinierte die Notrufzentrale rund 90 Feuerwehreinsätze. Auch im Kanton Zug standen mehrere Keller unter Wasser.

Straßensperren in Lindau am Bodensee.
Straßensperren in Lindau am Bodensee.
IMAGO/Bernd März

Ebenfalls schwere Unwetter tobten am Freitag infolge eines Tiefs und des Scirocco-Windes in der ganzen Region Friaul in Italien. Überschwemmungen gab es in mehreren Städten, darunter in der Hauptstadt der Region, in Triest. Neben heftigen Regenschauern und Gewittern kamen lokal Sturm und Hagel hinzu, auch Sturzfluten wurden beobachtet. In der friaulischen Badeortschaft Lignano Sabbiadoro fielen Regenmengen von bis zu 60 Millimetern pro Stunde

Ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser ist eine rechnerische Größe und bezeichnet ein Hochwasser, das im statistischen Mittel einmal in hundert Jahren erreicht oder überschritten wird. Viele Unwetterwarnungen gelten mit Stand Samstagmittag zunächst bis Sonntag, einige bis in den Montag hinein. (red, 1.6.2024)