Donald Trump ging nach dem Schuldspruch vor der Presse gleich wieder in die Offensive.
Donald Trump ging nach dem Schuldspruch vor der Presse gleich wieder in die Offensive. Die Geschworenen hatte dieser Stil nicht beeindruckt.
AFP/POOL/STEVEN HIRSCH

Von den vier Strafanklagen gegen Ex-Präsident Donald Trump war die im New Yorker Schweigegeldfall die schwächste. Das Vergehen – falsche Verbuchung von Zahlungen, um peinliche Schlagzeilen aus dem Wahlkampf 2016 heraushalten – war kaum eine Strafverfolgung wert, und die juristische These, auf die Staatsanwalt Alvin Bragg seine Anklage stützte, schwankte zwischen innovativ und abenteuerlich.

Eine kluge Verteidigung hätte eine uneinige Jury erreichen können, die zu keinem Urteil kommt – oder gar einen glatten Freispruch. Dass die Geschworenen stattdessen Trump nach nur kurzer Beratung in allen 34 Anklagepunkten schuldigsprachen, hat dieser nur sich selbst zuzuschreiben.

Verteidigung im Sinne Trumps

Denn statt sich auf die Schwächen der Anklage zu konzentrieren, haben seine Anwälte alles bestritten und alles bekämpft, während der Angeklagte die Belastungszeugen verunglimpfte und Richter, Staatsanwalt und Geschworene beleidigte. Diese Verteidigungslinie trug klar Trumps Handschrift. Es war eine Strategie, die Trump einst von seinem Mentor, dem berüchtigten Anwalt Roy Cohn, gelernt und die ihm als Unternehmer, Entertainer und Politiker seit Jahrzehnten gut gedient hat. Im Gerichtssaal in Manhattan erwies sie sich als Flop.

Wie sich der Schuldspruch auf den Wahlkampf auswirken wird, ist unklar. Bisher haben Trump alle juristischen Probleme eher noch beliebter gemacht. Wenn Trumps Anwälte in Berufung gehen, kann das Verfahren bis zum Wahltag im November nicht rechtskräftig abgeschlossen sein. Selbst wenn ihn der Richter zu einer Haftstrafe verurteilt, was unwahrscheinlich ist, würde man Trump bis dahin nicht in Handschellen sehen.

Justizopfer ohne Folgen

Die anderen Strafverfahren mit den viel schwerwiegenderen Vorwürfen, die sich auf seine versuchte Wahlmanipulation, den Sturm auf das Kapitol und seinen Umgang mit Geheimdokumenten beziehen, schleppen sich dahin und werden in diesem Jahr zu keinem Prozess führen. Trump kann daher weiter das Justizopfer spielen, ohne die harte Hand der Justiz zu spüren zu bekommen.

Aber im Laufe des New Yorker Prozesses hat Trump ein Verhalten an den Tag gelegt, das ihn im Wahlkampf noch viel kosten kann. Er ist seit seiner Abwahl 2020 noch aggressiver geworden, noch hemmungsloser in seinen Attacken auf jeden, der ihm nicht bedingungslos gehorcht. Er agiert wie ein Diktator, der alle Instrumente der Macht in der Hand hat. Doch seine einzige Waffe ist derzeit seine Popularität.

Wahlkampf mit Schimpftiraden

Seine Brutalo-Art begeistert seine fanatischen Fans. Aber kommt sie auch bei jenen Wählern der Mitte an, die er für einen Wahlsieg benötigt? Derzeit geben ihm viele von ihnen in Umfragen den Vorzug vor Präsident Joe Biden. Doch werden sie das auch tun, wenn der Wahlkampf voll anläuft und er dort täglich mit Verleumdungen und Schimpftiraden auftritt?

In seinem einzigen erfolgreichen Wahlkampf 2016 setzte Trump gegenüber Hillary Clinton oft auf einen gemäßigteren Ton, den ihm viele auch glaubten. Dazu ist der 77-Jährige nicht mehr bereit oder fähig – das hat er im Gerichtssaal gezeigt. Wenn die Wählerschaft in den kritischen Swing-States ähnlich tickt wie die zwölf Geschworenen in New York, dann steht es um seine Siegeschancen schlechter, als es derzeit scheint. (Eric Frey, 31.5.2024)