Marie Jacquot
Die französische Dirigentin Marie Jacquot ist die zukünftige Leiterin des WDR-Symphonieorchesters.
AFP/PASCAL GUYOT

Es hätte die finale Tournee mit seinem Orchester werden sollen, das Christian Thielemann nach 14 Jahren Richtung Berlin (Staatsoper unter den Linden) verlässt, nachdem sein Vertrag in Dresden nicht verlängert wurde. Krankheitsbedingt musste er allerdings einiges absagen, auch die Wiener Konzerte. Zwei etablierte Dirigentinnen sprangen ein, um die Sächsische Staatskapelle Dresden zu leiten: Den ersten Abend übernahm die Litauerin Mirga Gražinytė-Tyla, den zweiten am Donnerstag die Französin Marie Jacquot, zukünftige Leiterin des WDR-Symphonieorchesters.

Impressionistisches Programm

Gražinytė-Tyla, ehemalige Musikdirektorin des City of Birmingham Symphony Orchestra und in der kommenden Saison auch mit den Wiener Philharmonikern zu sehen, ist die analytisch arbeitende Dirigentin, die beim rein impressionistischen Programm allzu großen Überschwang nicht forciert. Deutlich ihr Interesse an der transparenten Entfaltung jenes klangsinnlichen Charakters, der bei Maurice Ravels Ma mère l'oye vom kultivierten Sound des Orchesters profitiert. Da kommt auch der pentatonische Prunk maßgeschneidert dezent daher. Selbiger Zugriff prägt auch Claude Debussys La mer. Etwas gar grobkörnig laut zwar das Finale des ersten Satzes, aber interessant, wie sich im zweiten die fiebrige Unruhe in wolkige Klangidylle verwandelt und bei Ravels Daphnis et Chloé-Suite Nr. 2. alles in kontrollierter Virtuosität mündet. Kann man alles mit noch mehr Süffigkeit versehen, strukturbewusster und prägnanter aber wohl kaum umsetzen.

Pianostar Lang Lang

Einige Plätze waren nach der Pause bei Debussy im Musikverein leider bereits leer. Nicht wenige wollte wohl vor allem den Popstar unter den Pianisten, Lang Lang, hören, der zuvor Ravels Konzert in G-Dur spielte. Die entfesselten Strukturen in den Ecksätzen wirkten effektvoll zelebriert. Im Adagio jedoch war nur noch Stillstand im Schönklang zu erleben. Es wollte weder Orchester noch Solist gelingen, Intensität und Poesie zu vereinen. Erhellend die Zugabe: Debussys Klassiker Clair de lune wirkte bei Lang Lang durchdrungen vom Bemühen, das Poetische zu betonen. Seine Version hatte aber etwas von einer gar schwärmerischen Überdehnung. (Ljubiša Tošić, 30.5.2024)