Sport Austria Finals Präsident Hans Niessl
Bei den Sport Austria Finals in Innsbruck ist Hans Niessl mit vielen Menschen in Kontakt, unter ihnen sind nicht wenige der 500.000 Ehrenamtlichen, die im österreichischen Sport tätig sind. "Die haben für Fehlentwicklungen eher kein Verständnis."
Sport Austria / Nino Jonas

Hans Niessl hat als der oberste Vertreter des heimischen Sports zu gelten. Der ehemalige Landeshauptmann des Burgenlands ist Präsident der Bundes-Sportorganisation Sport Austria, die dieser Tage als Veranstalter der Sport Austria Finals auftritt, der größten Multisportveranstaltung im Land. Bei der vierten Auflage der Finals in Innsbruck geht es für 6500 Sportlerinnen und Sportler um mehr als 200 Medaillenentscheidungen in 41 Sportarten.

Gesprächsthema in Innsbruck sind auch die Zusatzzahlungen, in deren Genuss ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel gekommen ist. Mennel wurden, wie STANDARD und ORF berichteten, binnen neun Jahren vom ÖOC-Präsidium insgesamt 2,66 Jahresgehälter als Prämien oder Boni zusätzlich genehmigt. Vor einer im März 2018 genehmigten Gehaltserhöhung von 13.800 auf 16.000 Euro bekam er demnach – zumindest – 48.600 Euro jährlich dazu, nach der Gehaltserhöhung zumindest 56.000 Euro. Das brachte seine Gage in den Bereich jener von Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne).

Die Aufregung darüber in Sportkreisen ist groß – auch angesichts der Tatsache, dass das ÖOC mit der von ihm 2014 präsentierten Crowdfunding-Plattform "I believe in you" im Jahr 2019 einen Bilanzverlust von 700.000 Euro zu gewärtigen hatte. Die Causa beschäftigt seit September auch die Staatsanwaltschaft, die nach einer Anzeige gegen Mennel und das ÖOC-Präsidium "hinreichenden Anfangsverdacht" gegeben sah und ermittelt. Für die Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Sport-Austria-Präsident Niessl sieht im ÖOC so oder so Handlungsbedarf gegeben und "einen überfälligen Diskussionsprozess in Gang gesetzt".

STANDARD: Hohe Funktionäre von Verbänden, die unter dem Dach von Sport Austria stehen, sind über das, wie sie sagen, "Prämienparadies ÖOC" empört. Wie sehen Sie die Causa?

Niessl: Überall, wo in einem überwiegenden Ausmaß öffentliche Gelder drinstecken, sollte Transparenz und Nachvollziehbarkeit gegeben sein. Daran muss man arbeiten.

STANDARD: Was genau soll transparent und nachvollziehbar werden?

Niessl: Ich bin ein Anhänger von Gehaltspyramiden, auch ein Anhänger davon, dass es Obergrenzen gibt. Beim Bundeskanzler, beim Vizekanzler, bei den Ministerinnen und selbst bei Bürgermeistern ist bekannt, was sie verdienen.

STANDARD: Sollten auch Protokolle von zum Beispiel ÖOC-Präsidiumssitzungen oder ÖOC-Vorstandssitzungen von Haus aus öffentlich gemacht werden?

Niessl: Die Sitzungsprotokolle insgesamt vielleicht nicht. Aber warum sollten nicht Beschlüsse, die getroffen werden, veröffentlicht werden? Das wäre gelebte Transparenz – das einzuführen könnte man diskutieren. Allgemein gesagt: Im österreichischen Sport sind circa 500.000 Freiwillige tätig, die haben für Fehlentwicklungen eher kein Verständnis.

STANDARD: Wo können und sollen die Verantwortlichen im ÖOC den Hebel ansetzen?

Niessl: Das ist ganz klar: bei den Statuten. Sie sind veraltet, gehören dringend erneuert. Diese Forderung gibt es seit vielen Jahren. Auch dass sich da noch nichts Entscheidendes getan hat, trägt zum Unmut vieler Funktionärinnen und Funktionäre bei.

STANDARD: Sie gehörten im Vorjahr einem Schiedsgericht an, das eine Erneuerung der Statuten forderte. Zuvor hatte die ÖOC-Führung eine Wahlkommission abgesetzt, deren Wahlvorschlag ihr nicht genehm war. Das Schiedsgericht hat diese Absetzung heftig kritisiert.

Niessl: Mit Werner Suppan saß ein ausgewiesener Rechtsexperte und langjähriger Sportunion-Spitzenfunktionär in diesem Schiedsgericht. Die Absetzung der Kommission hat zu Recht viel Unverständnis hervorgerufen. Ich weiß nicht, ob es im Sport oder auch in der Politik schon einmal einen vergleichbaren Vorgang gegeben hat.

STANDARD: Die ÖOC-Führung hat sich gegen Sie als Vorsitzenden des Schiedsgerichts heftig gewehrt. Es wurde eigens ein Dossier angelegt, das belegen sollte, dass Sie sozusagen Schlagseite haben. In dem Dossier gab es etliche Fotos, die Sie auf Events des SPÖ-nahen Dachverbands ASKÖ zeigen. Haben Sie Schlagseite?

Niessl: Wenn es etwas gekostet hat, dieses Dossier anzulegen, so hätte sich das ÖOC das Geld sparen können. Ich selbst hätte dem ÖOC gratis dutzende Fotos zur Verfügung stellen können, die mich bei Events aller Dachverbände zeigen. Ich war im Burgenland in der Landesregierung 18 Jahre lang für Sport zuständig. Mein Erstaunen über dieses Dossier war wirklich groß.

STANDARD: Unterlagen, die dem STANDARD und dem ORF vorliegen, bestätigen, dass dem ÖOC jährlich zehntausende Euro an Rechtskosten entstehen. Nachvollziehbar?

Niessl: Das kann ich nicht beurteilen. Auch hier gehört transparent gemacht, wofür genau dieses Geld ausgegeben wird. Und auch wenn dafür, ähnlich wie bei der Gage des Generalsekretärs, keine öffentlichen Mittel aufgewendet werden, ändert das nichts daran. Schließlich treten große Firmen auch nicht deshalb als ÖOC-Sponsoren auf, weil sie für Anwalts- oder Verfahrenskosten oder für Prämien des Generalsekretärs aufkommen wollen.

STANDARD: Wenn wir schon bei Entschädigungen und Zusatzzahlungen sind: Wie werden Sie für die Funktion des Sport-Austria-Präsidenten entschädigt?

Niessl: Wenn ich Termine habe, bekomme ich die Bahnfahrt oder Kilometergeld und die Nächtigungskosten erstattet. Aber ansonsten bekomme ich keine Entschädigung, auch kein Sitzungsgeld oder Ähnliches. Wir sehen uns da durchaus als Vorreiter. Schon vor fünf Jahren, noch vor meinem Amtsantritt, wurden die Statuten von Sport Austria geändert. Sie waren nicht mehr zeitgemäß. (Fritz Neumann, 31.5.2024)