Zwei Männer mit Rollkoffer und Rucksack gehen über die mit EU-Flaggen und Länderflaggen dekorierte Stadtbrücke über den Grenzfluss Oder zwischen Frankfurt an der Oder und dem polnischen Slubice.
Fast die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass der Schutz der EU-Außengrenzen in den nächsten fünf Jahren besonders wichtig sein wird. Im Bild eine ehemalige Grenze in Europa, nämlich die Stadtbrücke über den Grenzfluss Oder zwischen dem deutschen Frankfurt/Oder und dem polnischen Slubice.
Foto: APA/dpa / Patrick Pleul

Wien/Linz – Am 9. Juni finden Europawahlen statt – aber ist das eigentlich eine wichtige Wahl? Ja, sagt ein Großteil der österreichischen Wahlberechtigten. 34 Prozent finden die EU-Wahl "sehr wichtig", ebenso viele stimmen der Ansicht zumindest überwiegend zu. Das ergibt eine Umfrage des Linzer Market-Instituts im Auftrag des STANDARD. Die genaue Fragestellung lautete: "Demnächst, konkret am 9. Juni, finden ja Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Dazu gibt es zwei Meinungen. Die einen sagen, dass dies eine wichtige Wahl ist, weil das Europäische Parlament über die Zukunft der EU und damit von uns allen entscheidet. Die anderen sagen, dass diese Wahl nicht so wichtig ist, weil das Europäische Parlament in der Praxis wenig zu entscheiden hat und die Zukunft der EU eher in der Hand der Regierungen der Mitgliedsstaaten liegt. Welche Meinung würden Sie eher vertreten?"

Nur vier Prozent der Befragten wollten sich völlig der zweiten Meinung anschließen, 20 Prozent sagten, dass sie eher der Meinung seien, dass die Wahl eben nicht so wichtig sei.

Zweifel an hoher Wahlbeteiligung

Und dieses Meinungsbild ist in allen Parteiwählerschaften ähnlich verteilt. "Allenfalls kann man sagen, dass erklärte Grünen-Wähler die Wahl etwas wichtiger nehmen, dass die Gruppen der älteren und männlichen Befragten auch überdurchschnittlich deutlich sagen, dass ihnen die Wahl wichtig sei", sagt Market-Wahlforscher David Pfarrhofer. Dass das dafür ausreichen wird, dass die Wahlbeteiligung heuer über die 2019 knapp verfehlte 60-Prozent-Marke steigt, bezweifelt der Meinungsforscher.

"66 Prozent sagen, dass sie sicher wählen gehen werden, aber da kann natürlich schönes Wetter am Wahlsonntag oder irgendeine verstörende Nachricht in den letzten Tagen davor dazwischenkommen." Was für Pfarrhofer entscheidend ist, ist die Mobilisierungskraft der einzelnen Parteien: "Wer sich entschlossen zeigt, die Grünen oder die KPÖ zu wählen, ist auch besonders geneigt, wirklich zur Wahl zu gehen. Aber das sind relativ wenige Personen. Entscheidend wird sein, wer in den letzten Tagen seine Anhänger zum Wählen bringt – oder potenzielle Wähler anderer Parteien dazu bringt, eben doch nicht wählen zu gehen."

Unter diesen Vorbehalten ist auch seine Hochrechnung erstellt worden:

Wer Österreich in der EU vertreten soll

Eine weitere Frage drehte sich darum, welche Themen für die Politik der EU in den kommenden fünf Jahren wichtig sein werden. An erster Stelle steht der einheitliche Schutz der Außengrenzen gegen irreguläre Migration mit 49 Prozent – je älter die Befragten sind, desto wichtiger ist ihnen dieses Thema, Männer nennen es öfter als Frauen.

Ähnlich wichtig (46 Prozent Nennungen) erscheinen einheitliche Regeln zur Rückführung von Menschen, die unberechtigt in der EU sind – und die Rückholung von Schlüsselindustrien nach Europa (46 Prozent).

Eisenbahnnetz, Klimaschutz, Beitrittsgespräche

Schon deutlich weniger wichtig wird der Ausbau eines einheitlichen Eisenbahnnetzes genommen – das nennen nur 32 Prozent wichtig, allerdings kommt hier noch ein beachtlicher Teil der Befragten dazu, die meinen, dass dieses Thema "auch noch" vorangetrieben werden sollte. Die Idee einer Vereinheitlichung des Eisenbahnnetzes hat besonders die SPÖ vertreten, viel mehr Anklang findet sie aber in den Grün- und Neos-Wählerschaften sowie bei Anhängern der (nicht antretenden) Bierpartei und der Kommunisten.

Gemeinsame Regelungen für Klimaschutz finden 31 Prozent sehr wichtig und gleich viele auch noch wichtig – aber 24 Prozent sagen klar, dass die EU davon die Finger lassen sollte. Besonderen Widerstand gegen eine EU-Klimapolitik gibt es unter FPÖ-Wählern. Diese sind auch stark dagegen, dass die EU in diesem Politikfeld internationale Initiativen setzt oder überhaupt eine gemeinsame Außenpolitik betreibt. Nur 21 Prozent sind ausdrücklich für gemeinsame Verteidigung und den Aufbau einer Europa-Armee.

Am unteren Ende der Liste finden sich die Idee, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei (66 Prozent dagegen) und mit Ländern des Westbalkans (49 Prozent dagegen) zu führen, sowie das Verbot der Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotor (58 Prozent dagegen).

54 Prozent meinen, dass sich die EU davon abkehren sollte, alle Menschen, die in Europa das Recht auf Asyl haben, auch aufzunehmen. Und auch die von der EU betriebene Unterstützung der Ukraine gegen Russlands Angriff wird von einer relativen Mehrheit von 44 Prozent abgelehnt. In beiden Punkten kommt die Ablehnung in hohem Maß von FPÖ-Anhängern. (Conrad Seidl, 30.5.2024)