Blick auf eine Tonerkartusche, die gereinigt wird
Millionen von Druckerpatronen und Tonerkartuschen landen im Müll, obwohl es sich um Elektroschrott handelt. Fujifilm startet nun im niederländischen Tilburg mit einem Recycling für seine Produkte in Europa.
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Tilburg liegt dort, wo die Niederlande gar nicht dem touristischen Klischee von Windmühlen im Tulpenfeld entsprechen. Dafür gibt es Windräder, saftige Wiesen mit Rindern und ziemlich viele, gut miteinander vernetzte klein- bis mittelgroße Unternehmen. Fujifilm gehört zu den größeren in Nordbrabant, wie die Gegend um Eindhoven heißt. Es ist eine der am stärksten wachsenden Regionen Europas. Nun soll sie auch eine Größe im Recycling werden, dank Fujifilm.

Der japanische Mischkonzern hat Anfang der 1980er-Jahre genau hier seine Zelte aufgeschlagen. Gutausgebildete Arbeitskräfte gab es genug; Tilburg war ein Zentrum der Textilindustrie, die aus Kostengründen aber längst das Weite gesucht hat. Nur ein Museum in der 220.000 Einwohner zählenden Stadt zeugt noch von ihrem einstigen Glanz. Die Arbeitskräfte sprächen zudem leidlich Englisch, was ein weiterer Pluspunkt sei, weil für die Japaner Englisch ebenfalls die Zweitsprache sei und man so auf Augenhöhe kommunizieren könne, sagt Werkschef Albert Van Maaren bei einem Lokalaugenschein des STANDARD. Die Verfügbarkeit von sauberem Wasser sei ein weiteres Kriterium für die Standortwahl gewesen.

Die in Grün-Weiß gehaltenen Rollen von Fujifilm gab es genauso wie jene von Kodak in Zeiten der Analogfotografie an fast jeder Straßenecke zu kaufen. Die Digitalfotografie machte ihr den Garaus.
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Zusammen mit Kodak aus den USA hat Fujifilm früher das Geschäft mit Filmrollen dominiert, musste sich aber quasi über Nacht neu erfinden. Das blieb auch dem Standort Tilburg nicht erspart. Die Suche nach zukunftsträchtigen Produkten und Geschäftsfeldern erfolgte alles andere als freiwillig. Auslöser für die Veränderungen war der dramatische Einbruch der Nachfrage nach Farbfilmen kurz nach der Jahrtausendwende. Das Aufkommen der Digitalkameras und danach der Smartphones grub Fujifilm das Wasser ab. Auch Kodak bekam das zu spüren. Fujifilm orientierte sich um, expandierte unter anderem im Gesundheitsbereich, Kodak hingegen verpasste den Absprung.

Das knapp 50 Hektar große Firmengelände in Tilburg wird mittlerweile von fünf Windrädern flankiert, die zusammen eine Leistung von zehn Megawatt bringen und Strom exklusiv für das Werk liefern. "Für uns war nach der Krise klar: Wir können in Europa nur bestehen, wenn wir auf allen Ebenen einen nachhaltigen Kurs fahren", sagt Van Maaren. Sichtbarstes Zeichen der Krise war 2006 die Einstellung der Produktion von Farbnegativfilmen am Standort. 400 der rund 1300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in der Hochphase in der "European Factory" von Fujifilm in Tilburg beschäftigt waren, mussten gehen. Derzeit sind noch knapp 600 am Standort beschäftigt.

Mutsuki Tomono, für die Sparte Business Innovation bei Fujifilm zuständiger Manager, und Albert Van Maaren, Chef des Fujifilm-Werks in Tilburg.
Für Mutsuki Tomono, Corporate Vice President Fujifilm Business Innovation, und Albert Van Maaren, Chef des Fujifilm-Werks in Tilburg, ist Nachhaltigkeit inzwischen ein "Must-have, kein Nice-to-have".
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Mit der Umstellung ist Fujifilm noch nicht durch. Digitalisierung schaffe ständig neue Realitäten, sagt der für den Geschäftsbereich Business Innovation zuständige Mutsuki Tomono. Die Sparte trug 2023 knapp 40 Prozent zum Gesamtumsatz des japanischen Mischkonzerns von umgerechnet 17,4 Milliarden Euro bei. Zuletzt wurde die Offset-Druckplattenproduktion in Tilburg, die auch Teil der Business Innovation ist, stillgelegt. Europäische Kunden werden nun aus Japan oder China beliefert. Plötzlich gab es Platz für Neues – Recycling. Die Idee dazu kam aus Japan.

"Ich war anfangs skeptisch", gesteht Van Maaren, der seit 1997 für das Unternehmen arbeitet. Ein Besuch beim Mutterkonzern in Japan, wo man schon länger Erfahrung mit dem Sammeln alter Kartuschen, dem Befüllen mit frischem Toner und Wiederverkauf derselben habe, habe ihn bestärkt, dies auch in Europa zu versuchen. Millionen gebrauchter Druckerpatronen und Tonerkartuschen landen derzeit im Restmüll, weil das Recycling arbeitsaufwendig und teuer ist, teurer als der Einsatz neu produzierter Behälter. Warum tut man sich das an?

Blick auf leere Tonerkartuschen
Millionen von Tonerkartuschen landen allein in Europa Jahr für Jahr auf dem Müll. Fujifilm startet nun für eigene Produkte mit einem Recycling.
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Weil es ein Puzzlestein sei auf dem Weg zu einem nachhaltigen, die Umwelt schonenden Unternehmen, sagen Tomono und Van Maaren fast wortgleich. Eigentlich handelt es sich bei den leeren, aus Kunststoff bestehenden Kartuschen um Elektroschrott, weil jede mit einem Mikrochip ausgestattet ist, damit sie vom Drucker angesteuert werden kann. Sie zu sammeln und einer Wiederverwertung zuzuführen sei nicht zuletzt aufgrund der Ressourcenknappheit ein Gebot der Stunde.

Dereinst sollen in Tilburg auch aus Österreich stammende leere Druckerpatronen gereinigt, geprüft und frisch befüllt in den Kreislauf kommen. Dabei wird auf vielen der Schriftzug Xerox stehen. Fujifilm hat nach einem 57 Jahre währenden Joint Venture mittlerweile die vom US-Konzern gehaltenen Anteile aufgekauft und sich vollständig einverleibt.

Druck von Kundenseite

Der Druck, nachhaltig zu wirtschaften, sparsam mit Energie umzugehen und möglichst wenig Emissionen in die Atmosphäre zu entlassen, käme nun verstärkt auch von Industriekunden, berichtet Van Maaren. Speziell bei Biopharmazeutika, wo Fujifilm mit Auftragsfertigungen gut im Geschäft ist, sei ein positiver Nachhaltigkeitscheck mittlerweile Voraussetzung, um überhaupt Aufträge zu bekommen. Ein Elektroboiler, betrieben mit Strom aus erneuerbarer Energie, soll den bereits reduzierten Gasverbrauch in den Produktionsprozessen in Tilburg senken. Weitere Maßnahmen wie die Nutzung von Abwärme sollen das Werk in Tilburg bis 2030 klimaneutral machen. Weltweit will Fujifilm 2040 so weit sein. (Günther Strobl, 30.5.2024)