Das Bild zeigt die Produktion eines Elektrofahrzeugs von VW
Vor 2027 ist nicht mit einem Volkswagen um 20.000 Euro zu rechnen.
EPA

Die Elektrowende für Kraftfahrzeuge ist zuletzt gehörig ins Stottern geraten. Zu befürworten ist diese Entwicklung keinesfalls, Gründe dafür gibt es mehrere. Dass das E-Auto bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung noch nicht angekommen ist, dürfte aber schon einmal damit beginnen, dass es für die kleine Geldbörse kein attraktives Angebot zu geben scheint. Vor allem die deutschen Hersteller konzentrieren sich derzeit auf Mittelklassemodelle, die viel Geld kosten – aus der Perspektive der Hersteller logisch, hier winkt eine größere Marge für sie.

Die schlechte Nachricht: Kurzfristig ändern wird sich das leider nicht. Die gute: Der Druck chinesischer Autohersteller, die mit einer aggressiven Preispolitik auch in Europa Fuß fassen wollen, dürfte die Schweißperlenbildung europäischer Hersteller empfindlich beschleunigt haben. Billigere E-Autos müssen her, um Modellen wie einem BYD Seagull Paroli bieten zu können. Die Volkswagen Group (VW), die eigentlich im Namen trägt, wohin die Reise gehen sollte, reagiert offiziell erst jetzt auf diese Entwicklung – mit der Ankündigung eines neuen Modells um 20.000 Euro.

Man wolle mit einem Projekt die "vollelektrische Einstiegsmobilität in die Breite" bringen, heißt es. Schaler Beigeschmack: Weltpremiere ist erst für 2027 vorgesehen. Als ob man sich dessen bewusst wäre, verkündete man im letzten Absatz der Ankündigung als eine Art Trostpflaster, dass man intensiv an einer "Urban Car Family" für die Marken VW, Cupra und Škoda arbeite. Ende nächsten Jahres werden vier Fahrzeuge für unter 25.000 Euro präsentiert. Muss Europa noch so lange auf leistbare E-Autos warten?

Da war doch was …

Man muss nicht allzu lange zurückblicken, um festzustellen, dass VW bereits ein vergleichsweise günstiges E-Auto im Angebot hatte. Ende 2023 verabschiedete man sich überraschend vom Einstiegsmodell Up, das auch die Einstellung des E-Up nach sich zog. Ursprünglich hatte man in Wolfsburg den Plan, dass der E-Up eigentlich noch bis Ende 2025 vom Fließband laufen sollte, um dann fließend vom ID2.all abgelöst zu werden. Von staatlichen Förderungen beflügelt, war der Kleinwagen phasenweise sogar so erfolgreich, dass man keine Bestellungen mehr entgegennehmen konnte.

Das Bild zeigt einen VW ID 2all.
Der ID 2all von VW soll Ende 2025 auf den Markt kommen. Ab 25.000 Euro.
IMAGO/Pontus Lundahl/TT

Grund für die überraschende Einstellung war laut Thomas Schäfer, Markenchef von VW, eine Regelung der Vereinten Nationen. Die Wirtschaftskommission für Europa schreibt darin vor, dass Autohersteller ihre Fahrzeuge mit Systemen ausstatten müssen, die die Software vor Cyberangriffen schützen und Risiken kontinuierlich überwachen. In der Europäischen Union müssen seit Juli 2022 alle neuen Modelle diesen Standards entsprechen, ab Juli 2024 gilt dies auch für alle produzierten Neuwagen älterer Modelle.

Schäfer äußerte offiziell sein Bedauern über diese Entscheidung und fügte hinzu, dass eine Anpassung an die neuen Regelungen die Integration einer komplett neuen Elektronikarchitektur erfordern würde – ein Schritt, den man bei Volkswagen offenbar nicht gehen wollte, weil er zu kostspielig gewesen sei.

Kein "Airbus für Autos"

Das ist aber nur ein Grund, weshalb das Angebot leistbarer E-Autos für und aus Europa überschaubar geblieben ist. Auch eine geplante Kooperation zwischen Renault und VW zur Entwicklung eines gemeinsamen Elektrokleinwagens ist nach monatelangen Verhandlungen gescheitert. Beide Unternehmen hatten ursprünglich die Möglichkeit gesehen, durch eine Zusammenarbeit die Kosten für Entwicklung und Produktion des Fahrzeugs zu teilen und somit effektiver gegen die starke Konkurrenz anzutreten.

Unter anderem wird vermutet, dass sich der Betriebsrat von VW mit der Begründung mehrerer unausgelasteter Werke in Europa gegen eine Zusammenarbeit starkgemacht haben soll – und damit die Pläne zum Scheitern gebracht hat. Insider wollen das als verpasste Gelegenheit gesehen haben, eine Art "Airbus für Autos" zu schaffen – also eine Kooperation, die analog zur europäischen Luftfahrtallianz Airbus die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber globalen Konkurrenten hätte stärken können.

Renault bleibt weiterhin offen für weitere Kooperationen und beabsichtigt, seinen bereits angekündigten elektrischen Kleinwagen, den Twingo, im Jahr 2026 auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen betont auch, dass es in der Lage sei, den Twingo auch ohne einen Partner zu entwickeln und zu produzieren. Und VW ist nun offensichtlich sowieso darauf eingestellt, sein Elektroauto lieber allein zu entwickeln. Andere europäische Automobilhersteller bleiben zunehmend unter Druck, durch innovative und kosteneffiziente Lösungen auf die Herausforderungen des Marktes zu reagieren.

Die ersten Modelle unter 20.000 Euro

Ein Blick auf aktuell verfügbare Neufahrzeuge in Österreich zeigt, dass man sich kurz- bis mittelfristig tendenziell noch Richtung 25.000 Euro für die Einstiegsklasse bei E-Autos einstellen muss. Es gibt aber auch klare Ausreißer – allen voran den Dacia Spring, der abzüglich Förderungen sogar tatsächlich schon weit unter 20.000 Euro zu bekommen ist.

Dafür muss man allerdings eine überschaubare Reichweite von nicht einmal 200 Kilometern und deutliche Abstriche hinsichtlich Ausstattung und Qualität hinnehmen. Kann man je nach Einsatzszenario über solche Defizite noch hinwegsehen, bleibt es höchst bedenklich und verbesserungswürdig, dass die Bauart des Billigstromers im Sicherheitstest von Euro NCAP geradezu katastrophal abschneidet.

Das Bild zeigt einen Dacia Spring electric
Billig, aber recht spartanisch ausgestattet und hinsichtlich Sicherheit eher nicht ratsam: der Dacia Spring.
EPA/CYRIL ZINGARO

Aggressivster Konkurrent in preislicher Hinsicht dürfte der ë-C3 von Citroën sein, der gefördert auch schon unter 20.000 Euro zu haben sein wird. Der Crossover basiert auf der CMP-Smart-Car-Plattform von Stellantis und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern und eine Schnellladefunktion verfügen.

Darüber hinaus hebt sich das Fahrzeug deutlich vom eher spartanisch wirkenden Spring ab: Bereits die Grundausführung kommt mit umfangreicher Standardausstattung daher, darunter LED-Frontscheinwerfer, ein automatisches Notbremssystem, Head-up-Display, Parksensoren hinten, Tempomat, Klimaanlage und sechs Airbags.

Das Bild zeigt einen Renault 5 E-Tech electric
Der neue Renault R5 E-Tech electric will im Bereich der günstigeren E-Autos neue Akzente setzen.
AFP/FABRICE COFFRINI

Aber auch sonst kommt heuer ein wenig frischer Wind in den Markt: Schwenkt man von der Renault-Tochter Dacia direkt zum französischen Konzern, ist mit Ende Mai der neue Renault 5 E-Tech Electric bestellbar. Die Neuauflage seines Klassikers will der Hersteller als ideales Stadtauto positionieren.

Es verfügt über innovative Features wie ein Google-Multimediasystem, bidirektionales Laden und diverse Fahrassistenzsysteme. Besonders auffällig ist der Innenraum, der durch Pop-Art-Elemente und moderne Displays besticht. Nicht zuletzt verspricht Renault für den neuen "Fünfer" eine deutlich höhere Reichweite als beim Spring – legt in der günstigsten Version aber abzüglich aller Förderungen eine Punktlandung auf 25.000 Euro hin.

Zollbremse für Konkurrenz aus China

Nahezu ausgeschlossen sind Dumpingpreise, wie man sie derzeit aus China vernimmt. Der Gedanke, dass ein 9000-Euro-Auto nach Europa kommt, mag für manche zwar sehr verlockend sein. Neben regionalen Anpassungen, die am Fahrzeug selbstverständlich durchzuführen sind und den Preis in die Höhe treiben, sind auch entsprechende Zölle vorstellbar, damit die Kluft zwischen chinesischen und europäischen Herstellern nicht zu groß ausfällt.

Die Europäische Union prüft momentan, ob China durch bestimmte Praktiken den Markt für Elektroautos verzerrt. Noch ist unklar, ob die EU als Reaktion darauf Strafzölle einführen wird. Die chinesische Handelskammer in Brüssel hat bereits vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen Chinas gewarnt, die negative Auswirkungen auf europäische und amerikanische Autohersteller haben könnten. Dass europäische Hersteller am wichtigsten Markt der Welt möglicherweise auch noch Probleme mit ihrem Margenliebling bekommen, sollte man dann aber wohl doch nicht riskieren. (bbr, 29.5.2024)