Mit den Vollspaltenböden gibt es neben der Uneinigkeit in Sachen EU-Renaturierungsgesetz, das auch die Landwirtschaft betreffen würde, einen weiteren Spaltpilz zwischen Türkis und Grün. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte ja – wie berichtet – die lange Übergangsfrist bis 2040 für ein Auslaufen der sogenannten unstrukturierten Vollspaltenböden gekippt. Wird keine neue Frist festgelegt, tritt ab Juni 2025 ein vollständiges Verbot für Vollspaltenböden in Kraft.

Ein Schwein.
Glückliche Schweine stehen nicht auf Vollspaltenböden, da sind sich Experten einig. Massentierhaltung sei aber überhaupt schlecht mit Tierwohl vereinbar.
APA/dpa/Sina Schuldt

Nun hat die ÖVP einen neuen Vorschlag erarbeitet, über den in den vergangenen drei Monaten verhandelt worden ist. Die Grünen hätten die Verhandlungen aufgekündigt, sagte ÖVP-Landwirtschaftssprecher Georg Strasser am Mittwoch in Wien und sprach von "Wahlkampfspielchen". Im Kern sieht der Plan vor, dass die Übergangsfrist mindestens bis zum Jahr 2036 laufen soll. Das würde all jene Ställe betreffen, die vor dem Jahr 2013 gebaut worden sind, und rund 6000 bis 7000 der insgesamt 18.000 heimischen Schweinemastbetriebe, sagte Strasser. Für jene Ställe, die nach 2013 gebaut worden sind, den Großteil, also etwa zwei Drittel, liefe die Übergangsfrist bis Ende 2039. Also so lange, wie bis zum VfGH-Entscheid vorgesehen war.

Fristenlösung gesucht

Die Grünen schlagen hingegen eine Frist bis 2030 vor. Das gehe sich nicht aus, sagt Strasser. "Jedes Jahr, das ein Bauer seinen Betrieb früher umstellen muss, kostet ihn 4500 Euro seines jährlichen Einkommens", so der ÖVP-Verhandler. Olga Voglauer, die aufseiten der Grünen verhandelt, kontert: "Festhalten wie bisher, nur mit ein paar Spielereien bei den Jahreszahlen, das geht sich nicht aus." Während Strasser mit Blick auf die Zukunft auf die jüngst veröffentlichte Jugendstudie verweist, wonach 58 Prozent der 16- bis 25-Jährigen in Zukunft gleich viel Fleisch essen werden (vorwiegend wohl konventionell), elf Prozent sogar mehr davon, betont Voglauer, dass man an mehr Tierwohl nicht vorbeikomme. Nicht nur weil die Gesellschaft dies verlange, sondern auch im Hinblick auf den Markt.

In Deutschland werden, wie berichtet, bei niedrigeren Haltungsstufen immer mehr tierische Produkte aus den Regalen verbannt. Das hat auch Auswirkungen auf die heimischen Betriebe. Voglauer sagt auch, dass die am Mittwoch in der Vision 2028 des Landwirtschaftsministers Norbert Totschnig (ÖVP) genannte Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel in der Gastronomie zu spät komme. Auch sie werde die Nachfrage nach Schweinefleisch aus Österreich stärken.

Hohe Investitionen

Einig sind sich Türkis und Grün hingegen, dass die Betriebe auch finanziell unterstützt werden müssen. Strasser betonte, dass ein Investitionspaket für mehr Tierwohl Teil des 2022 im Parlament beschlossenen Tierschutzpakets sei. Die konkreten Investitionskosten beziffert Strasser mit rund einer Million Euro, für einen Stall eines Schweinemastbetriebes im Haupterwerb.

Ferkel im Stall
Schweine sterben jung. 220 Tage alt werden Ferkel in der Mast.
Getty Images/iStockphoto

Was das Tierwohl betrifft, so meinen Fachleute, dass das Verbot des Vollspaltenbodens am Tierleid in der Massentierhaltung nichts grundlegend ändern wird. Aus Sicht der Schweine sei ihr geplantes Verbot kein großer Wurf, sagte der Tierarzt Werner Hagmüller anlässlich des VfGH-Entscheids zum STANDARD: "Hätten sie Anwälte, würden sie ihr Geld zurückfordern."

Tierschützer halten davon ebenfalls wenig. "Auch der sogenannte strukturierte Vollspaltenboden, den die ÖVP bis 2036 oder gar 2040 in allen Schweinebetrieben als 'Ende des Vollspaltenbodens' errichtet sehen will, ist aus Sicht der Schweine um nichts besser", so Martin Balluch vom Verein gegen Tierfabriken (VGT). "Er führt zu denselben gesundheitlichen Problemen wie schmerzhaft entzündeten Gelenken bei 92 Prozent der Tiere." Der VGT halte deshalb die Diskussion über Übergangsfristen für diese Form des Vollspaltenbodens für eine Ablenkung. Sehr viel wichtiger sei die Frage: "Wann bekommen Schweine endlich Stroh? Wann endet die Haltung auf Vollspaltenboden, egal ob strukturiert oder nicht", so Balluch. Auch die Organisation Vier Pfoten lehnt den ÖVP-Vorschlag rundheraus ab. Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck nennt die zweistufigen Übergangsfristen "wirklich reine Kosmetik". Es sei "äußerst fragwürdig, ob dies im Sinne des Erkenntnisses des VfGH ist", so die NGO-Expertin.

Stichwort VfGH. ÖVP-Mann Strasser behält sich ebenfalls rechtliche Schritte vor. Fristen könnten nicht nur zu lange, sondern auch zu kurz sein, sagt er. (Regina Bruckner, 29.5.2024)