Eine Photovoltaik-Anlage auf einem Flachdach.
In sogenannten Schutzzonen dürfen PV-Anlagen nur gebaut werden, wenn man sie nicht sieht. Ein Fall aus St. Pölten landet nun vor Gericht.
IMAGO/Michael Bihlmayer

Der PV-Boom der vergangenen Jahre ist augenscheinlich geworden: Mittlerweile säumen vielerorts Solaranlagen die Hausdächer und prägen damit das Ortsbild von Städten und Gemeinden mit. Gerade jenes Ortsbild ist es aber auch, das die Installation von PV-Anlagen mitunter nach wie vor erschwert oder sogar gänzlich verhindert.

So geschehen jüngst in Sankt Pölten: Ein Hauseigentümer wollte auf seinem Dach eine Anlage installieren und ersuchte die Stadt um Bewilligung. Von dort kam prompt eine Absage: Das Haus befinde sich in einer Zone, in der das Ortsbild laut Bebauungsplan besonders geschützt sei. Der Eigentümer dürfe zwar eine PV-Anlage installieren, allerdings nur dann, wenn sie nicht öffentlich sichtbar ist.

Rechtsanwältin Michaela Krömer, die für Klimaklagen bekannt ist, zieht nun gegen die Stadt vor Gericht. Das Verbot aufgrund des Ortsbilds sei rechtswidrig – vor allem im Hinblick auf neue EU-Rechtsgrundlagen, die dem Ausbau erneuerbarer Energien ein besonderes öffentliches Interesse einräumen. Ist das Verfahren erfolgreich, könnte es Auswirkungen auf ähnliche Fälle in ganz Österreich haben.

Abwägung von Interessen

"Das Thema Ortsbild und Landschaftsbild taucht in Genehmigungsverfahren immer wieder auf, nicht nur bei PV-Anlagen, sondern auch bei Windkraftanlagen", sagt Birgit Kraml, Rechtsanwältin und Partnerin bei Wolf Theiss. "Regelungen wie jene in St. Pölten sind nichts Ungewöhnliches, die gibt es auch in Wien." Behörden und Gerichte müssen in derartigen Fällen immer unterschiedliche Interessen gegeneinander abwägen – etwa Denkmalschutz gegen Energieeffizienz oder eben Landschaftsbild gegen Klimaschutz.

In einer vorübergehenden EU-Notverordnung wird dem Ausbau erneuerbarer Energien nunmehr explizit ein "überwiegendes öffentliches Interesse" eingeräumt. Was wie eine bloße Floskel klingt, könnte das Pendel in Grenzfällen künftig öfter in Richtung Klimaschutz ausschlagen lassen. Laut Kraml ist schon jetzt spürbar, dass Behörden und Gerichte dem Thema Nachhaltigkeit einen höheren Stellenwert beimessen. Auch die kürzlich ergangene Entscheidung Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die ein Recht auf Schutz vor der Erderhitzung konstituiert, könnte Einfluss auf einzelne Verfahren haben.

Umsetzung offen

Die neue EU-Richtlinie über den Ausbau erneuerbarer Energien geht noch weiter – auch wenn sie die österreichische Regierung bisher nicht in nationales Recht gegossen hat. Zwar gibt es bereits einen Plan für das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), ein Beschluss steht allerdings noch aus. Laut dem Vorhaben sollen bestimmte Flächen ganz generell als "geeignet" gewidmet werden. Auf diesen sogenannten Vorrang- und Eignungszonen darf das Landschafts- und Ortsbild dann nicht mehr berücksichtigt werden. Geplant ist zudem, dass PV-Anlagen auf bereits versiegelten Flächen grundsätzlich keine Genehmigung mehr benötigen und dass auf Großparkplätzen verpflichtend PV-Anlagen errichtet werden müssen. Auch eine Konzentration der Verfahren auf eine einzige zuständige Stelle soll Effizienzsteigerungen bringen.

Die Interessenvertretung Erneuerbare Energie Österreich drängte kürzlich auf eine rasche Umsetzung des Vorhabens. Die EU habe konkrete Schritte vorgegeben, jetzt liege es an der "Regierung und dem Nationalrat, mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz in Österreich die notwendige Rechtsgrundlage zu schaffen". Vom Klimaministerium unter Leonore Gewessler (Grüne) heißt es auf Anfrage des STANDARD, dass der Gesetzesentwurf im Februar an die ÖVP übermittelt wurde. "Auf Basis einer vor einigen Tagen eingetroffenen Rückmeldung läuft aktuell die regierungsinterne Abstimmung." Zusätzlich habe man bereits Gespräche mit den Bundesländern geführt. Die Beschlussfassung benötigt eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. (Jakob Pflügl, 1.6.2024)