Die Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) hat ein neues, besonders vielseitiges Beobachtungsinstrument ins All geschickt: Als der erlösende Kontakt kam, war die Freude groß im Kontrollzentrum in Darmstadt. Um 1.14 Uhr (MESZ) am Mittwochmorgen sendete der Erdbeobachtungssatellit Earthcare über Südafrika die ersten Signale und nahm die Kommunikation auf – knapp eine Stunde nach dem erfolgreichen Start im kalifornischen Vandenberg.

"Wir sind super glücklich, dass so weit alles geklappt hat", sagte Missionsleiter Björn Frommknecht im Anschluss an den Erfolg. Die Erleichterung sei groß. "Es ist eine fantastische Nacht", sagte auch der Missionswissenschafter Thorsten Fehr. Die Rakete habe den Satelliten genau da hingebracht, wo er hin sollte. "Wenn das so perfekt weitergeht, ist das ein Traum."

Vandenberg Space Force Base in Lompoc, Kalifornien, Falcon-9-Rakete, Earthcare
Start auf der Vandenberg Space Force Base in Lompoc, Kalifornien: Eine SpaceX-Falcon-9-Rakete brachte den Esa-Satelliten Earthcare am Mittwoch ins All.
Foto: AFP/PATRICK T. FALLON

Wolken im Blick

Um 0.20 Uhr (MESZ) wurde die Trägerrakete gezündet, wie Bilder einer Live-Übertragung im ESA-Kontrollzentrum zeigten. Anschließend hob Earthcare (Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer) an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX ab. Der Satellit soll in einer Umlaufbahn in Höhe von rund 400 Kilometern global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung in der Atmosphäre untersuchen und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen möglich machen. Erstmals soll nach Angaben von ESA-Experten damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden können.

Video: Start der Earthcare-Mission.
European Space Agency, ESA

Stunden vor dem Start hatte der ESA-Direktor für Missionsbetrieb, Rolf Densing, die kritischen Zwischenschritte erklärt. Der Start, das Ausfahren der Sonnenpanele für die Energiegewinnung und die Aufnahme einer ersten Kommunikationsverbindung - es gebe viele spannende Momente. "Das Signal vom Satelliten ist entscheidend, dann haben wir etwas, womit wir arbeiten können", sagte Densing. In den kommenden sechs Monaten werde nun alles geprüft und getestet, erst dann sei es eine Routineoperation. Der Satellit sei noch "wie ein Baby in den frühen Tagen".

Neue Dimension der Erdbeobachtung

Wenn seine Solarpanele ausgeklappt sind, ist der Orbiter laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) rund 17 Meter lang, 2,5 Meter breit und 3,5 Meter hoch. Die Instrumente an Bord senden Lichtimpulse und analysieren die reflektierten Signale. Die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa steuerte ein Radar bei, mit dem sich das Innenleben von Wolken untersuchen lässt. Zudem gibt es ein Instrument, das hochauflösende Bilder im sichtbaren und infraroten Lichtspektrum macht. Das vierte Instrument misst die reflektierte Sonnenstrahlung und die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung.

Experten sehen in der Mission eine neue Dimension der Erdbeobachtung. Das Wissen um die Erdatmosphäre und ihre Interaktion mit Aerosolen und Wolken ist Wissenschaftern zufolge lückenhaft. Diese Lücken sollen nun geschlossen werden.

Earthcare ist mit ausgefahrenen Solarpanelen etwa 17 Meter lang und 3,5 Meter hoch. Die unterschiedlichen Instrumente sollen dabei helfen, die Wechselwirkung in der Atmosphäre zu entschlüsseln.
Illustr.: ESA/ATG medialab

"Weißer Drache"

Die Gesamtkosten für Earthcare bezifferte ESA-Missionswissenschafter Fehr auf 800 Millionen Euro für die europäische Seite. Hinzu kämen von der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa rund 52 Millionen Euro für eines der Instrumente. Auch den Spitznamen "weißer Drache" hätten die Japaner dem Orbiter gegeben, wegen seiner Form und seiner Farbe. Weiße Drachen könnten der Legende nach besonders schnell fliegen.

Die Mission stehe für Deutschlands Weltraumstrategie, sagte Walther Pelzer, Direktor der deutschen Raumfahrtagentur beim DLR. "Deutschland macht seit Jahrzehnten Raumfahrt, um das Leben auf der Erde zu verbessern." Bei der Erdbeobachtung sei man hierzulande schon seit Jahrzehnten führend, auch innerhalb der ESA. Hier könne man Infrastruktur in Erdbebengebieten ausmachen oder Wasserqualität via Satellit untersuchen. Die Mission jetzt solle neue Erkenntnisse liefern, hofft Pelzer - es gehe um fundamentale Fragen. Alle Daten würden später frei zugänglich sein. "Wir wollen diese Daten." (APA, red, 29.5.2024)